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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Radikaler. Die lärmende Musik ruft schon von weitem die neugierigen "Bürger"
vor die Thüren, denn auch sie, die Musik, ist in die Fluchen der Neugestaltung
hineingerissen wordeu und tritt in andern Tönen auf, als früher. Vordem bestand
das Dorf-Orchester ans Hackebret und Baßgeige; heute reiht sich an diese als
drittes im Bunde und als bleibende Errungenschaft das rasselnde Tamburin. Das
letztere Instrument verdient in Wahrheit das höchste Lob und kann jedwedem gali-
zischen Landwirthe als nöthigcs und unentbehrliches Geraes nicht genug empfohlen
werden. Kaum erklingt es in lieblicher Harmonie, so öffnen sich die Thüren der
armseligen Hütten und Evers Töchter kommen zum Vorschein tänzelnd, lächelnd
und mit den Augen zwinkernd. Ist jetzt ein junger Gutsherr da, der mit lieblichen
Worten in die Bresche dringen kann, die das Tamburin in den Seelen der
Mädchen bereits gemacht, so ist sein Sieg sicher, und die Mädchen kommen wieder
einen Tag zur Arbeit. -- Der seit den Februartagcn des Jahres 1846 gestreute
Samen wuchert üppig empor und es sieht in Galizien recht einladend und hoff¬
v. F. nungsvoll aus für den strebsamen Landwirt!).




Der letzte Brief von Karl Graf Leiningen-Westerburg.

Der jugendliche Held, einer der Häupter des ungarischen Kampfes, welcher
zu Arad am 6. October 18^9 hingerichtet wurde, gehörte zu den hellsten und ritter¬
lichsten Gestalten aus der großen Tragödie, welche im Lande der Donan und
Theiß die Seelen der lebenden Generation erschüttert hat. Als Sproß einer
der ältesten, auch um die Erhaltung des Hauses Habsburg-Lothringen vielfach
verdienten, mit dem englischen Hofe verschwägerten Familien Deutschlands, war
er durch seine tingarische Gattin und Besitzungen in Ungarn an das Land ge¬
bunden, und gehörte überdies zu einem ungarischen, den Namen seines Onkels
des k. k. Feldmarschall-Lieutenant August Graf Leiningen-Westerburg führenden
Regimente; der Ausbruch des Natioualkrieges in Ungarn traf ihn als Hauptmann
mit Urlaub im Lande, und er zögerte nicht, sich der Sache seines neuen Vater¬
landes mit Eiser anzuschließen. Mit der seiner Familie eigenthümlichen Tapfer¬
keit, zeichnete er sich in vielen Schlachten "ut Gefechten, insbesondere am 11. April
bei Waitzen und bei der Erstürmung von Ofen ans; ward während, des Krieges
zum Major, Oberstlieutenant, Oberst und zuletzt zum General und Corpscom¬
mandanten befördert. Ein großer Verehrer und Anhänger Görgeys, war er be¬
sonders in letzter Zeit immer um seine Person und verlor den Glauben an ihn,


Radikaler. Die lärmende Musik ruft schon von weitem die neugierigen „Bürger"
vor die Thüren, denn auch sie, die Musik, ist in die Fluchen der Neugestaltung
hineingerissen wordeu und tritt in andern Tönen auf, als früher. Vordem bestand
das Dorf-Orchester ans Hackebret und Baßgeige; heute reiht sich an diese als
drittes im Bunde und als bleibende Errungenschaft das rasselnde Tamburin. Das
letztere Instrument verdient in Wahrheit das höchste Lob und kann jedwedem gali-
zischen Landwirthe als nöthigcs und unentbehrliches Geraes nicht genug empfohlen
werden. Kaum erklingt es in lieblicher Harmonie, so öffnen sich die Thüren der
armseligen Hütten und Evers Töchter kommen zum Vorschein tänzelnd, lächelnd
und mit den Augen zwinkernd. Ist jetzt ein junger Gutsherr da, der mit lieblichen
Worten in die Bresche dringen kann, die das Tamburin in den Seelen der
Mädchen bereits gemacht, so ist sein Sieg sicher, und die Mädchen kommen wieder
einen Tag zur Arbeit. — Der seit den Februartagcn des Jahres 1846 gestreute
Samen wuchert üppig empor und es sieht in Galizien recht einladend und hoff¬
v. F. nungsvoll aus für den strebsamen Landwirt!).




Der letzte Brief von Karl Graf Leiningen-Westerburg.

Der jugendliche Held, einer der Häupter des ungarischen Kampfes, welcher
zu Arad am 6. October 18^9 hingerichtet wurde, gehörte zu den hellsten und ritter¬
lichsten Gestalten aus der großen Tragödie, welche im Lande der Donan und
Theiß die Seelen der lebenden Generation erschüttert hat. Als Sproß einer
der ältesten, auch um die Erhaltung des Hauses Habsburg-Lothringen vielfach
verdienten, mit dem englischen Hofe verschwägerten Familien Deutschlands, war
er durch seine tingarische Gattin und Besitzungen in Ungarn an das Land ge¬
bunden, und gehörte überdies zu einem ungarischen, den Namen seines Onkels
des k. k. Feldmarschall-Lieutenant August Graf Leiningen-Westerburg führenden
Regimente; der Ausbruch des Natioualkrieges in Ungarn traf ihn als Hauptmann
mit Urlaub im Lande, und er zögerte nicht, sich der Sache seines neuen Vater¬
landes mit Eiser anzuschließen. Mit der seiner Familie eigenthümlichen Tapfer¬
keit, zeichnete er sich in vielen Schlachten »ut Gefechten, insbesondere am 11. April
bei Waitzen und bei der Erstürmung von Ofen ans; ward während, des Krieges
zum Major, Oberstlieutenant, Oberst und zuletzt zum General und Corpscom¬
mandanten befördert. Ein großer Verehrer und Anhänger Görgeys, war er be¬
sonders in letzter Zeit immer um seine Person und verlor den Glauben an ihn,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/77>, abgerufen am 27.07.2024.