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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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tern seiner nur dänischen, Schleswig umfassenden, Pläne wahrnehmen und blieb
aus Vorliebe für letztere, so wie aus Ehrsucht, den gleichen Bestrebungen der
aufgeregten, kundigen und gut geschulten Kopenhagener Opposition nicht fremd,
an deren Spitze die spätem Minister Holde, Clausen, Tscherniug, Monrad stan¬
den, während sie Orla Lehmann und Andere die Rolle der Schreier und Schrei¬
ber übernehme" ließen.

Das "Rescript wegen Einführung einer Verfassung" wurde am 28. Januar
erlassen. Es enthielt folgende Hauptpunkte: 1) gemeinschaftliche Stände für das
Königreich und die beideu Herzogtümer, denen die beschließende Mitwirkung bei
Steuern und Finanzen, bei Gesetzen über gemeinschaftliche Angelegenheiten, so¬
wie das Recht zu Anträgen über gemeinschaftliche Interessen zustehen solle; -- 2) diese
ständische Verfassung soll in der bestehenden Verbindung der Herzog-
rhümer Schleswig und Holstein, in der bestehenden Verbindung Holsteins
und Lauenbnrgs mit dem deutschen Bunde, in der Verfassung Laueuburgs nichts
andern; -- 3) che deu in die Verfassung aufzunehmenden Bestimmungen Ge¬
setzeskraft verliehen wird, sollen dieselben erfahrenen Männern zur Prüfung vor¬
gelegt werden; -- -4) Wahlmodus und Ernennung dieser erfahrenen Männer; --
5) diese erfahrenen Männer versammeln sich spätestens zwei Monate nach der
Wahl in Kopenhagen.

Wohl durste man in diesem Entwürfe die ganze Art des verstorbenen Königs
wieder erkennen. Wie fein war es, daß aus dem Königreich und aus den Her¬
zogtümern eine gleiche Zahl erfahrener Männer, sowohl erwählte wie ernannte,
kommen sollten; indem die Negierung ans Dänemark acht, ans jedem Herzog¬
tum vier ernannte, durfte sie gewiß sein, durch diese 16 mit den 18 Gewähl¬
ten der Herzogtümer eine conservative Majorität gegen die Dänen, mit
den 18 Gewählten des Königreichs eine nationale Majorität gegen die Deut¬
schen zu haben. -- Die Bevölkerung von Kopenhagen war still, -- die Presse
desto lauter und heftiger.

Schon am 27. hatte Fädrelandet einen vortrefflich geschriebenen Artikel über
die "dänischen Schleswig-Holsteiner, die am Ruder sind"; man stellte die Sach¬
lage so vor, als sei König Friedrich VII. von den Ministern Christians VIII.
übertölpelt und müsse dnrch das Volk von diesen Hemmnissen befreit werden.
Gleich nach Erlaß des Patents proclamirte Kjöbeuhavnspvst: "durch Friedrich VII.
sei also die von Friedrich III. gegründete Alleinherrschaftsmacht aufgehoben; --
aber diese sei ein Vertrag gewesen mit den: ganzen Volk; dem ganzen Volke
müsse also zustehen, was davon zurückgegeben werde, anzunehmen. König Fried¬
rich VII. sei ein demokratischer König."

Den 15. Februar hielten gleich uach einer Tags vorher überreichten Ban-
erudcputation von 7240 Unterschriften, mehrere hundert Landleute in Kopenhagen
eine Versammlung, beschlossen eine Adresse an den König, luden daun auch mehre


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tern seiner nur dänischen, Schleswig umfassenden, Pläne wahrnehmen und blieb
aus Vorliebe für letztere, so wie aus Ehrsucht, den gleichen Bestrebungen der
aufgeregten, kundigen und gut geschulten Kopenhagener Opposition nicht fremd,
an deren Spitze die spätem Minister Holde, Clausen, Tscherniug, Monrad stan¬
den, während sie Orla Lehmann und Andere die Rolle der Schreier und Schrei¬
ber übernehme» ließen.

Das „Rescript wegen Einführung einer Verfassung" wurde am 28. Januar
erlassen. Es enthielt folgende Hauptpunkte: 1) gemeinschaftliche Stände für das
Königreich und die beideu Herzogtümer, denen die beschließende Mitwirkung bei
Steuern und Finanzen, bei Gesetzen über gemeinschaftliche Angelegenheiten, so¬
wie das Recht zu Anträgen über gemeinschaftliche Interessen zustehen solle; — 2) diese
ständische Verfassung soll in der bestehenden Verbindung der Herzog-
rhümer Schleswig und Holstein, in der bestehenden Verbindung Holsteins
und Lauenbnrgs mit dem deutschen Bunde, in der Verfassung Laueuburgs nichts
andern; — 3) che deu in die Verfassung aufzunehmenden Bestimmungen Ge¬
setzeskraft verliehen wird, sollen dieselben erfahrenen Männern zur Prüfung vor¬
gelegt werden; — -4) Wahlmodus und Ernennung dieser erfahrenen Männer; —
5) diese erfahrenen Männer versammeln sich spätestens zwei Monate nach der
Wahl in Kopenhagen.

Wohl durste man in diesem Entwürfe die ganze Art des verstorbenen Königs
wieder erkennen. Wie fein war es, daß aus dem Königreich und aus den Her¬
zogtümern eine gleiche Zahl erfahrener Männer, sowohl erwählte wie ernannte,
kommen sollten; indem die Negierung ans Dänemark acht, ans jedem Herzog¬
tum vier ernannte, durfte sie gewiß sein, durch diese 16 mit den 18 Gewähl¬
ten der Herzogtümer eine conservative Majorität gegen die Dänen, mit
den 18 Gewählten des Königreichs eine nationale Majorität gegen die Deut¬
schen zu haben. — Die Bevölkerung von Kopenhagen war still, — die Presse
desto lauter und heftiger.

Schon am 27. hatte Fädrelandet einen vortrefflich geschriebenen Artikel über
die „dänischen Schleswig-Holsteiner, die am Ruder sind"; man stellte die Sach¬
lage so vor, als sei König Friedrich VII. von den Ministern Christians VIII.
übertölpelt und müsse dnrch das Volk von diesen Hemmnissen befreit werden.
Gleich nach Erlaß des Patents proclamirte Kjöbeuhavnspvst: „durch Friedrich VII.
sei also die von Friedrich III. gegründete Alleinherrschaftsmacht aufgehoben; —
aber diese sei ein Vertrag gewesen mit den: ganzen Volk; dem ganzen Volke
müsse also zustehen, was davon zurückgegeben werde, anzunehmen. König Fried¬
rich VII. sei ein demokratischer König."

Den 15. Februar hielten gleich uach einer Tags vorher überreichten Ban-
erudcputation von 7240 Unterschriften, mehrere hundert Landleute in Kopenhagen
eine Versammlung, beschlossen eine Adresse an den König, luden daun auch mehre


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[0059] tern seiner nur dänischen, Schleswig umfassenden, Pläne wahrnehmen und blieb aus Vorliebe für letztere, so wie aus Ehrsucht, den gleichen Bestrebungen der aufgeregten, kundigen und gut geschulten Kopenhagener Opposition nicht fremd, an deren Spitze die spätem Minister Holde, Clausen, Tscherniug, Monrad stan¬ den, während sie Orla Lehmann und Andere die Rolle der Schreier und Schrei¬ ber übernehme» ließen. Das „Rescript wegen Einführung einer Verfassung" wurde am 28. Januar erlassen. Es enthielt folgende Hauptpunkte: 1) gemeinschaftliche Stände für das Königreich und die beideu Herzogtümer, denen die beschließende Mitwirkung bei Steuern und Finanzen, bei Gesetzen über gemeinschaftliche Angelegenheiten, so¬ wie das Recht zu Anträgen über gemeinschaftliche Interessen zustehen solle; — 2) diese ständische Verfassung soll in der bestehenden Verbindung der Herzog- rhümer Schleswig und Holstein, in der bestehenden Verbindung Holsteins und Lauenbnrgs mit dem deutschen Bunde, in der Verfassung Laueuburgs nichts andern; — 3) che deu in die Verfassung aufzunehmenden Bestimmungen Ge¬ setzeskraft verliehen wird, sollen dieselben erfahrenen Männern zur Prüfung vor¬ gelegt werden; — -4) Wahlmodus und Ernennung dieser erfahrenen Männer; — 5) diese erfahrenen Männer versammeln sich spätestens zwei Monate nach der Wahl in Kopenhagen. Wohl durste man in diesem Entwürfe die ganze Art des verstorbenen Königs wieder erkennen. Wie fein war es, daß aus dem Königreich und aus den Her¬ zogtümern eine gleiche Zahl erfahrener Männer, sowohl erwählte wie ernannte, kommen sollten; indem die Negierung ans Dänemark acht, ans jedem Herzog¬ tum vier ernannte, durfte sie gewiß sein, durch diese 16 mit den 18 Gewähl¬ ten der Herzogtümer eine conservative Majorität gegen die Dänen, mit den 18 Gewählten des Königreichs eine nationale Majorität gegen die Deut¬ schen zu haben. — Die Bevölkerung von Kopenhagen war still, — die Presse desto lauter und heftiger. Schon am 27. hatte Fädrelandet einen vortrefflich geschriebenen Artikel über die „dänischen Schleswig-Holsteiner, die am Ruder sind"; man stellte die Sach¬ lage so vor, als sei König Friedrich VII. von den Ministern Christians VIII. übertölpelt und müsse dnrch das Volk von diesen Hemmnissen befreit werden. Gleich nach Erlaß des Patents proclamirte Kjöbeuhavnspvst: „durch Friedrich VII. sei also die von Friedrich III. gegründete Alleinherrschaftsmacht aufgehoben; — aber diese sei ein Vertrag gewesen mit den: ganzen Volk; dem ganzen Volke müsse also zustehen, was davon zurückgegeben werde, anzunehmen. König Fried¬ rich VII. sei ein demokratischer König." Den 15. Februar hielten gleich uach einer Tags vorher überreichten Ban- erudcputation von 7240 Unterschriften, mehrere hundert Landleute in Kopenhagen eine Versammlung, beschlossen eine Adresse an den König, luden daun auch mehre ^ 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/59>, abgerufen am 01.09.2024.