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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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mit äußerster Schärfe und Energie die Politik Dänemarks, wie sie nach der Mei¬
nung dieser kühnen Partei aufgefaßt werden sollte, darlegte: Die Verfassung,
die 1839 wünschenswerth gewesen, sei jetzt eine Notwendigkeit; und diese Ver¬
fassung müsse Schleswig mit Dänemark vereinigen; Holstein seine eigene Ver¬
fassung mit eigenem Finanz- und Kriegswesen erhalten. "Sie empfehlen, wie
Fädrelandet am 27. Januar zusammenfaßt, eine möglichst enge Verbindung Schles¬
wigs mit Dänemark, eine möglichst scharfe Trennung Schleswigs von Holstein,
als die wirklich dänische Politik", eine Politik, "welche sich nicht daran
genügen lasse, die historisch begründete, staatsrechtliche Trennung zwischen beiden
Herzogtümern als einen theoretischen Satz hinzustellen, sondern diese Trennung
zur geschichtlichen Wahrheit und Wirklichkeit zu machen suche, indem sie eine scharfe
und bestimmte Grenze zwischen beiden Herzogtümern ziehe." -- Es war das alte
Project des "jungen Dänemark", das scharf und sicher in dies chaotische Gewirr
der neuen Verhältnisse eintrat. In demselben Geiste plädirte Holde; der Jubel
der Tausende, die ihn den 34. Januar von der Börse heimgeleiteten, das Geleit,
das Tausende der städtischen Glückwunsch-Deputation nach dem Schlosse gaben, be¬
zeichnete hinlänglich die herrschende Stimmung.

Es ist begreiflich, daß auf den neuen König Friedrich VIl. die Scenen der
Sterbetage, die Schmerzen des Kranken, das letzte Abendmahl, das Todesröcheln
erschütternden Eindruck gemacht hatten. Und wie ein Vermächtnis) hatte er das
System des Vaters und die Staatsmänner, die es vertraten, übernommen. Gedachte
er in dem Geleise des Vaters zu bleiben? Man rühmt den Sinn König Friedrich VII.
für trauliche Genossenschaft. Am 24. Januar ward der aus Odensec berufene
StiftSamtmann von Bardenfleth zum Staatsminister ernannt.

Sofort die wichtigste Frage war die Emanirnng des von Christian VIII.
hinterlassenen Entwurfs der Gcsammtstaats-Verfassung. "Differenzen darüber im
Kabinet waren Folge der neuen Umgebung nud der Neuheit des Thrones, der noch dicht
umringt war von den alten Rathgebern des verstorbenen Herr", unter denen Oersted,
Criminil und Moltke dem Emporkömmling Bardenfleth das Terrain streitig mach¬
ten, und ihn durch größere Geschäftsknude und Erfahrung zu erdrücken den An¬
lauf nahmen. Es ist notorisch, daß Criminil und Moltke, obschon Anhänger der
Gesammtmvnarchie, auf das lebhafteste in den Vorberathungcn über das Rescript
vom 28. Januar für die Uuzcrtrenubarkcit der Herzogtümer gekämpft haben,
daß die heftigsten Scenen, namentlich zwischen dem stets die Zähne zeigenden
scharfen C. Moltke und dein nicht minder klopflustigeu nud in seiner Unerfahren-
heit kühnerem v. Bardenfleth stattgefunden haben, die bis zum 28. Januar stets
zu Niederlagen des letzteren führten und führen mußten, weil Moltke und Cri¬
minil in ihren alten und vieljährigen Kollegen eine sichere Majorität für das zu
Recht Bestehende mit Leichtigkeit erwarben. Bardenfleth fühlte das Uugenügeude,
Unhaltbare seiner Stellung solchen College,: gegenüber, mußte deutlich das Schei-


mit äußerster Schärfe und Energie die Politik Dänemarks, wie sie nach der Mei¬
nung dieser kühnen Partei aufgefaßt werden sollte, darlegte: Die Verfassung,
die 1839 wünschenswerth gewesen, sei jetzt eine Notwendigkeit; und diese Ver¬
fassung müsse Schleswig mit Dänemark vereinigen; Holstein seine eigene Ver¬
fassung mit eigenem Finanz- und Kriegswesen erhalten. „Sie empfehlen, wie
Fädrelandet am 27. Januar zusammenfaßt, eine möglichst enge Verbindung Schles¬
wigs mit Dänemark, eine möglichst scharfe Trennung Schleswigs von Holstein,
als die wirklich dänische Politik", eine Politik, „welche sich nicht daran
genügen lasse, die historisch begründete, staatsrechtliche Trennung zwischen beiden
Herzogtümern als einen theoretischen Satz hinzustellen, sondern diese Trennung
zur geschichtlichen Wahrheit und Wirklichkeit zu machen suche, indem sie eine scharfe
und bestimmte Grenze zwischen beiden Herzogtümern ziehe." — Es war das alte
Project des „jungen Dänemark", das scharf und sicher in dies chaotische Gewirr
der neuen Verhältnisse eintrat. In demselben Geiste plädirte Holde; der Jubel
der Tausende, die ihn den 34. Januar von der Börse heimgeleiteten, das Geleit,
das Tausende der städtischen Glückwunsch-Deputation nach dem Schlosse gaben, be¬
zeichnete hinlänglich die herrschende Stimmung.

Es ist begreiflich, daß auf den neuen König Friedrich VIl. die Scenen der
Sterbetage, die Schmerzen des Kranken, das letzte Abendmahl, das Todesröcheln
erschütternden Eindruck gemacht hatten. Und wie ein Vermächtnis) hatte er das
System des Vaters und die Staatsmänner, die es vertraten, übernommen. Gedachte
er in dem Geleise des Vaters zu bleiben? Man rühmt den Sinn König Friedrich VII.
für trauliche Genossenschaft. Am 24. Januar ward der aus Odensec berufene
StiftSamtmann von Bardenfleth zum Staatsminister ernannt.

Sofort die wichtigste Frage war die Emanirnng des von Christian VIII.
hinterlassenen Entwurfs der Gcsammtstaats-Verfassung. „Differenzen darüber im
Kabinet waren Folge der neuen Umgebung nud der Neuheit des Thrones, der noch dicht
umringt war von den alten Rathgebern des verstorbenen Herr», unter denen Oersted,
Criminil und Moltke dem Emporkömmling Bardenfleth das Terrain streitig mach¬
ten, und ihn durch größere Geschäftsknude und Erfahrung zu erdrücken den An¬
lauf nahmen. Es ist notorisch, daß Criminil und Moltke, obschon Anhänger der
Gesammtmvnarchie, auf das lebhafteste in den Vorberathungcn über das Rescript
vom 28. Januar für die Uuzcrtrenubarkcit der Herzogtümer gekämpft haben,
daß die heftigsten Scenen, namentlich zwischen dem stets die Zähne zeigenden
scharfen C. Moltke und dein nicht minder klopflustigeu nud in seiner Unerfahren-
heit kühnerem v. Bardenfleth stattgefunden haben, die bis zum 28. Januar stets
zu Niederlagen des letzteren führten und führen mußten, weil Moltke und Cri¬
minil in ihren alten und vieljährigen Kollegen eine sichere Majorität für das zu
Recht Bestehende mit Leichtigkeit erwarben. Bardenfleth fühlte das Uugenügeude,
Unhaltbare seiner Stellung solchen College,: gegenüber, mußte deutlich das Schei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/58>, abgerufen am 27.07.2024.