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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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einen Act, den die heutige Reaction mit ihrem Herzblut ans der preußischen Ge¬
schichte auswischen möchte.

Es war der schwarz-roth-goldne Ritt vom 2>. Marz. Die Idee gehört
Arnim an, mehrere seiner College" wurden davon unerwartet betroffen. Es ist
dieser Act von den verschiedensten Parteien auf das härteste angefochten, und
doch kann man eigentlich nur sagen, daß er in eine ungünstige Zeit fiel und im
Einzelnen ungeschickt augelegt war. Im Wesen der Sache enthielt er das Un¬
vermeidliche und Zweckmäßige: es war eine offene Erklärung sowohl der preußi¬
schen als der deutschen Revolution gegenüber nothwendig die Erklärung, daß man
mit dem constitutionellen Princip Hand in Hand gehen und der nationalen Be¬
wegung des deutschen Volks das geben wollte, was ihr noch fehlte: Einheit,
Ordnung, Concentration. Aber freilich gehörte die symbolisch-phantastische Form,
in der diese Erklärung abgegeben wurde, den Reminiscenzen der romantischen
Schule an, und war in keiner Weise auf den Charakter des deutschen Volks
berechnet, das zwar selber von Zeit zu Zeit gerne extravagirt, es aber nicht
duldet, wenn hochgestellte Personen vor ihm Komödie spielen. An ein unmittel¬
bares, praktisches Vorangehen in der Entwickelung der deutschen Verfassung, das
damals, über eine Woche vor dem Zusammentritt des Vorparlaments, noch
möglich war, wurde nicht gedacht; man begnügte sich mit dem Aufzug, und ließ
die eigentliche Leitung der Bewegung in die Hände der Demagogen fallen.

So wurde der Act der Versöhnung und Erhebung eine Demüthigung für
das Königthum, eine Demüthigung für Preußen. Er hatte keine andere Folge, als
ein fanatisches Wuthgeschrei des Pöbels, dem die constitutionelle Partei zu ihrem
Schaden mit wenig Ausnahmen nirgend energisch genug entgegentrat. -- Bei¬
läufig bemerkt, hat ganz aus ähnlichen Gründen die Kaiserwahl der National¬
versammlung für diese Partei eiuen ähnlichen Ausgang gehabt. Das Königthum
hat sich an ihr gerächt. -- Zunächst wurde die allgemeine Frage durch die be¬
stimmten praktischen Interessen in den Hintergrund gedrängt.

Das Cabinet sollte ein Ausdruck der liberalen Partei des vereinigten Land¬
tags sein. Von den Führern der damaligen Opposition waren aber nur Sitterswald
und Schwerin eingetreten; Camphausen und Hansemann weigertenstch, an einer Ver¬
waltung Theil zu nehmen, die von einem wegen absolutistischer Polizcimaßregeln
übel berufenen vormärzlichen Minister geleitet wurde. An sie schloß sich die linke
Seite des Cabinets an, die aus drei verschiedenen Elementen zusammengesetzt war:
der romantischen Schule (Arnim), dem ständischen Liberalismus (Auerswald), der
altpreußischen Bureaukratie (Bornemann). Die Notwendigkeit, ein ans gleichen
Bestandteilen zusammengesetztes Cabinet zu bilden, machte sich um so dringender
fühlbar, da in urgenten Fragen, wegen Schleswig-Holstein und Posen, die bis¬
herigen Minister sich uicht einigen konnten. So kam es dahin, daß Arnim offen
erklärte, mit dem Conseilpräsidenteu nicht länger dienen zu wollen. Gras Arnim-


einen Act, den die heutige Reaction mit ihrem Herzblut ans der preußischen Ge¬
schichte auswischen möchte.

Es war der schwarz-roth-goldne Ritt vom 2>. Marz. Die Idee gehört
Arnim an, mehrere seiner College» wurden davon unerwartet betroffen. Es ist
dieser Act von den verschiedensten Parteien auf das härteste angefochten, und
doch kann man eigentlich nur sagen, daß er in eine ungünstige Zeit fiel und im
Einzelnen ungeschickt augelegt war. Im Wesen der Sache enthielt er das Un¬
vermeidliche und Zweckmäßige: es war eine offene Erklärung sowohl der preußi¬
schen als der deutschen Revolution gegenüber nothwendig die Erklärung, daß man
mit dem constitutionellen Princip Hand in Hand gehen und der nationalen Be¬
wegung des deutschen Volks das geben wollte, was ihr noch fehlte: Einheit,
Ordnung, Concentration. Aber freilich gehörte die symbolisch-phantastische Form,
in der diese Erklärung abgegeben wurde, den Reminiscenzen der romantischen
Schule an, und war in keiner Weise auf den Charakter des deutschen Volks
berechnet, das zwar selber von Zeit zu Zeit gerne extravagirt, es aber nicht
duldet, wenn hochgestellte Personen vor ihm Komödie spielen. An ein unmittel¬
bares, praktisches Vorangehen in der Entwickelung der deutschen Verfassung, das
damals, über eine Woche vor dem Zusammentritt des Vorparlaments, noch
möglich war, wurde nicht gedacht; man begnügte sich mit dem Aufzug, und ließ
die eigentliche Leitung der Bewegung in die Hände der Demagogen fallen.

So wurde der Act der Versöhnung und Erhebung eine Demüthigung für
das Königthum, eine Demüthigung für Preußen. Er hatte keine andere Folge, als
ein fanatisches Wuthgeschrei des Pöbels, dem die constitutionelle Partei zu ihrem
Schaden mit wenig Ausnahmen nirgend energisch genug entgegentrat. — Bei¬
läufig bemerkt, hat ganz aus ähnlichen Gründen die Kaiserwahl der National¬
versammlung für diese Partei eiuen ähnlichen Ausgang gehabt. Das Königthum
hat sich an ihr gerächt. — Zunächst wurde die allgemeine Frage durch die be¬
stimmten praktischen Interessen in den Hintergrund gedrängt.

Das Cabinet sollte ein Ausdruck der liberalen Partei des vereinigten Land¬
tags sein. Von den Führern der damaligen Opposition waren aber nur Sitterswald
und Schwerin eingetreten; Camphausen und Hansemann weigertenstch, an einer Ver¬
waltung Theil zu nehmen, die von einem wegen absolutistischer Polizcimaßregeln
übel berufenen vormärzlichen Minister geleitet wurde. An sie schloß sich die linke
Seite des Cabinets an, die aus drei verschiedenen Elementen zusammengesetzt war:
der romantischen Schule (Arnim), dem ständischen Liberalismus (Auerswald), der
altpreußischen Bureaukratie (Bornemann). Die Notwendigkeit, ein ans gleichen
Bestandteilen zusammengesetztes Cabinet zu bilden, machte sich um so dringender
fühlbar, da in urgenten Fragen, wegen Schleswig-Holstein und Posen, die bis¬
herigen Minister sich uicht einigen konnten. So kam es dahin, daß Arnim offen
erklärte, mit dem Conseilpräsidenteu nicht länger dienen zu wollen. Gras Arnim-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/508>, abgerufen am 01.09.2024.