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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sondern Rechtstitcln" gehört aber die Verfassung nicht, und so wird es wohl
dabei bewenden, daß der Unterthan in Sachsen zwar zur Entrichtung verfassungs¬
widrig erhobener Steuern nicht verpflichtet, aber auch, wenn er sie verweigern
will, zur Betretung des Rechtswegs nicht berechtigt ist, mindestens auf einen
Erfolg davon nicht zu rechnen hat.

Kann mau nach dieser Vergleichung der knrhcssischen und der sächsischen Ge¬
setzgebung sich noch wundern, wenn in Kurhessen Verfassungstreue und Achtung
vor dein Gesetz, Standhaftigkeit in Vertheidigung verbriefter Rechte und Be¬
sonnenheit in deren Gebrauch in so staunenswerther Weise, in allen Classen der
Gesellschaft, bei den Behörden wie bei den einfachen Staatsangehörigen, beim
Militär wie beim Civil, sich finden, dagegen in Sachsen bei den Behörden Unter¬
würfigkeit unter die von oben befohlenen Anordnungen, beim Volke theils Gleich¬
gültigkeit, theils Verzagtheit in Wahrung seiner verletzten Rechte?

Eines darf man freilich nicht außer Acht lassen -- und dies mag das Urtheil
über das Verhalten der Bevölkerung Sachsens einigermaßen mildern -- die in
Sachsen vorausgegangenen Wühlereien der demokratischen Partei, welche dem
Staatsstreiche der Regierung wenigstens den Schein einer Berechtigung aus
Polnischer Notwendigkeit verliehen. Freilich nur den Schein, denn jeder Un¬
befangene muß erkennen, daß dies nicht der rechte Weg sei, um das Volk zur
Gesetzlichkeit zu erziehen und den Einfluß anarchischer Parteien zu brechen, wenn
man von oben her das Beispiel des Gesetzesbruchs gibt. Aber der Unbefangenen
und selbstständig Urtheilenden gibt es, eben wenig, desto mehr aber Solche, denen
jeder Schein der Staatsraison als Vorwand unbedingter Ergebung in den Willen
der Höhern dient.

Noch ein andrer Grund,. der den Widerstand in Kurhessen so einmüthig und
so entschlossen machte, lag in der Persönlichkeit des Mannes, gegen den er sich
richtete. Zu der Opposition vom Nechtsstandpunkte trat hier eine vom Stand¬
punkte des empörten sittlichen Gefühls hinzu und verlieh ihr größere Kraft und
entschiedenere Berechtigung. In Sachsen sind die Mitglieder des gegenwärtigen
Ministeriums, so viel man von ihnen weiß, wenigstens im bürgerlichen Leben
"ehrenwerthe Leute", und für die Unsittlichkeit der politischen Zwecke und Mittel
hat die Masse des Volks (und wir meinen hier nicht blos die minder gebildeten,
sondern auch die höchstgebildeten Classen) nicht genug Feingefühl.




Robert Schumann.
i.

Robert Schumann hat trotz der großen Anzahl Werke, womit er seit einer
Reihe von fünfzehn Jahren die musikalische Welt beschenkte, nnr noch einen be-


Grenzbotc". III. 1820. 62

sondern Rechtstitcln" gehört aber die Verfassung nicht, und so wird es wohl
dabei bewenden, daß der Unterthan in Sachsen zwar zur Entrichtung verfassungs¬
widrig erhobener Steuern nicht verpflichtet, aber auch, wenn er sie verweigern
will, zur Betretung des Rechtswegs nicht berechtigt ist, mindestens auf einen
Erfolg davon nicht zu rechnen hat.

Kann mau nach dieser Vergleichung der knrhcssischen und der sächsischen Ge¬
setzgebung sich noch wundern, wenn in Kurhessen Verfassungstreue und Achtung
vor dein Gesetz, Standhaftigkeit in Vertheidigung verbriefter Rechte und Be¬
sonnenheit in deren Gebrauch in so staunenswerther Weise, in allen Classen der
Gesellschaft, bei den Behörden wie bei den einfachen Staatsangehörigen, beim
Militär wie beim Civil, sich finden, dagegen in Sachsen bei den Behörden Unter¬
würfigkeit unter die von oben befohlenen Anordnungen, beim Volke theils Gleich¬
gültigkeit, theils Verzagtheit in Wahrung seiner verletzten Rechte?

Eines darf man freilich nicht außer Acht lassen — und dies mag das Urtheil
über das Verhalten der Bevölkerung Sachsens einigermaßen mildern — die in
Sachsen vorausgegangenen Wühlereien der demokratischen Partei, welche dem
Staatsstreiche der Regierung wenigstens den Schein einer Berechtigung aus
Polnischer Notwendigkeit verliehen. Freilich nur den Schein, denn jeder Un¬
befangene muß erkennen, daß dies nicht der rechte Weg sei, um das Volk zur
Gesetzlichkeit zu erziehen und den Einfluß anarchischer Parteien zu brechen, wenn
man von oben her das Beispiel des Gesetzesbruchs gibt. Aber der Unbefangenen
und selbstständig Urtheilenden gibt es, eben wenig, desto mehr aber Solche, denen
jeder Schein der Staatsraison als Vorwand unbedingter Ergebung in den Willen
der Höhern dient.

Noch ein andrer Grund,. der den Widerstand in Kurhessen so einmüthig und
so entschlossen machte, lag in der Persönlichkeit des Mannes, gegen den er sich
richtete. Zu der Opposition vom Nechtsstandpunkte trat hier eine vom Stand¬
punkte des empörten sittlichen Gefühls hinzu und verlieh ihr größere Kraft und
entschiedenere Berechtigung. In Sachsen sind die Mitglieder des gegenwärtigen
Ministeriums, so viel man von ihnen weiß, wenigstens im bürgerlichen Leben
„ehrenwerthe Leute", und für die Unsittlichkeit der politischen Zwecke und Mittel
hat die Masse des Volks (und wir meinen hier nicht blos die minder gebildeten,
sondern auch die höchstgebildeten Classen) nicht genug Feingefühl.




Robert Schumann.
i.

Robert Schumann hat trotz der großen Anzahl Werke, womit er seit einer
Reihe von fünfzehn Jahren die musikalische Welt beschenkte, nnr noch einen be-


Grenzbotc». III. 1820. 62
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[0497] sondern Rechtstitcln" gehört aber die Verfassung nicht, und so wird es wohl dabei bewenden, daß der Unterthan in Sachsen zwar zur Entrichtung verfassungs¬ widrig erhobener Steuern nicht verpflichtet, aber auch, wenn er sie verweigern will, zur Betretung des Rechtswegs nicht berechtigt ist, mindestens auf einen Erfolg davon nicht zu rechnen hat. Kann mau nach dieser Vergleichung der knrhcssischen und der sächsischen Ge¬ setzgebung sich noch wundern, wenn in Kurhessen Verfassungstreue und Achtung vor dein Gesetz, Standhaftigkeit in Vertheidigung verbriefter Rechte und Be¬ sonnenheit in deren Gebrauch in so staunenswerther Weise, in allen Classen der Gesellschaft, bei den Behörden wie bei den einfachen Staatsangehörigen, beim Militär wie beim Civil, sich finden, dagegen in Sachsen bei den Behörden Unter¬ würfigkeit unter die von oben befohlenen Anordnungen, beim Volke theils Gleich¬ gültigkeit, theils Verzagtheit in Wahrung seiner verletzten Rechte? Eines darf man freilich nicht außer Acht lassen — und dies mag das Urtheil über das Verhalten der Bevölkerung Sachsens einigermaßen mildern — die in Sachsen vorausgegangenen Wühlereien der demokratischen Partei, welche dem Staatsstreiche der Regierung wenigstens den Schein einer Berechtigung aus Polnischer Notwendigkeit verliehen. Freilich nur den Schein, denn jeder Un¬ befangene muß erkennen, daß dies nicht der rechte Weg sei, um das Volk zur Gesetzlichkeit zu erziehen und den Einfluß anarchischer Parteien zu brechen, wenn man von oben her das Beispiel des Gesetzesbruchs gibt. Aber der Unbefangenen und selbstständig Urtheilenden gibt es, eben wenig, desto mehr aber Solche, denen jeder Schein der Staatsraison als Vorwand unbedingter Ergebung in den Willen der Höhern dient. Noch ein andrer Grund,. der den Widerstand in Kurhessen so einmüthig und so entschlossen machte, lag in der Persönlichkeit des Mannes, gegen den er sich richtete. Zu der Opposition vom Nechtsstandpunkte trat hier eine vom Stand¬ punkte des empörten sittlichen Gefühls hinzu und verlieh ihr größere Kraft und entschiedenere Berechtigung. In Sachsen sind die Mitglieder des gegenwärtigen Ministeriums, so viel man von ihnen weiß, wenigstens im bürgerlichen Leben „ehrenwerthe Leute", und für die Unsittlichkeit der politischen Zwecke und Mittel hat die Masse des Volks (und wir meinen hier nicht blos die minder gebildeten, sondern auch die höchstgebildeten Classen) nicht genug Feingefühl. Robert Schumann. i. Robert Schumann hat trotz der großen Anzahl Werke, womit er seit einer Reihe von fünfzehn Jahren die musikalische Welt beschenkte, nnr noch einen be- Grenzbotc». III. 1820. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/497>, abgerufen am 27.07.2024.