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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Aber der Eid auf die Verfassung allein würde nicht hinreichen, um bei vor¬
kommenden Conflicten den einzelnen Unterchan oder die Behörde auf das hinzu¬
weisen, was sie zu thun haben. Es muß ihnen anch klar und unzweideutig vor¬
geschrieben sein, wie sie bei solchen Conflicten sich zu benehmen, woran sie
namentlich zu erkennen haben, ob etwas der Verfassung gemäß oder mit ihr im
Widerspruche sei, es muß ihnen ferner bei treuer Beobachtung ihrer verfassungs¬
mäßigen Verpflichtungen völlige Sicherheit vor willkürlichen Verationen seitens
ihrer Obern, dagegen bei deren Uebertretung unentfliehbare Ahndung in Aus¬
sicht gestellt sein.

In allen diesen Beziehungen geht die knrhessischc Verfassung mit der äußer¬
sten Umsicht zu Werke. Ihr §. 61 ist ein wahres Arsenal von Schutzwaffen
für die Verfassung, indem er jedem Staatsdiener genau sagt, was er zur Auf-
rechthaltung der Verfassung zu thun habe, und ihn. wenn er dies nicht thut,
schutzlos der Anklage der gesetzlichen Vertheidiger der Verfassung, der Stände,
preisgibt. Er lautet so: "Ein jeder Staatsdiener bleibt hinsichtlich seiner
Amtsverrichtungen verantwortlich. Derjenige, welcher sich einer Verletzung der
Landesverfassung, namentlich auch durch Vollziehung einer nicht in der verfassungs¬
mäßigen Form ergangenen Verfügung einer höchsten Staatsbehörde (§. 108) --
schuldig macht, -- oder seine Amtsgewalt mißbraucht -- kauu auch vou Land-
ständen oder deren Ausschuß (K. 102) bei der zuständigen Gerichtsbehörde ange¬
klagt werden. Die Sache muß alsdann auf dem gesetzlichen Wege schleimig un¬
tersucht und den Landständen oder deren Ausschüsse von dem Ergebnis; der An¬
klage Nachricht ertheilt werden." Dahingegen schützt die knrhessischc Verfassung
(K. 56) jeden Staatsdiener gegen Amtsentsetzung, Entziehung oder Verminde¬
rung seines Diensteinkommenö ohne Urtel und Recht, ja sogar (K. 57) gegen
nachtheilige Versetzungen, verbietet auch ausdrücklich <H. 60), daß in die Dienst¬
anweisung eines Staatsdiencrs etwas ausgenommen werde, was den Gesetzen
(also auch der Verfassungsurkunde) zuwider sei.

Was hat diesen so stritten Bestimmungen die sächsische Verfassnngsurkmide
gegenüberzustellen?

§. 42 verordnet freilich auch: "Alle Staatsdiener sind für ihre Dienstlei¬
stungen verantwortlich" -- allein wem? in welchen Fällen? unter welchen For¬
men? davon sagt die sächsische Verfassung kein Wort. Dagegen sagt das Staats-
diencrgesetz vom 7. März 1835, in K. 7: "Jeder Staatsdiener hat bei seinem
Eintritt in den Staatsdienst eidlich auzugelobeu: daß er dem Könige tren und
gehorsam sein, die Gesetze des Landes und die Landesverfassung streng beob¬
achten, das ihm übertragene so wie jedes künftig zu übertragende Amt und jede
Verrichtung im öffentlichen Dienste, unter genauer Befolgung der gesetz¬
lichen Vorschriften, und den Anordnungen seiner Vorgesetzten gemäß,
nach bestem Wissen und Gewisse" verwalten wolle. Die dem Staatsdiener


Aber der Eid auf die Verfassung allein würde nicht hinreichen, um bei vor¬
kommenden Conflicten den einzelnen Unterchan oder die Behörde auf das hinzu¬
weisen, was sie zu thun haben. Es muß ihnen anch klar und unzweideutig vor¬
geschrieben sein, wie sie bei solchen Conflicten sich zu benehmen, woran sie
namentlich zu erkennen haben, ob etwas der Verfassung gemäß oder mit ihr im
Widerspruche sei, es muß ihnen ferner bei treuer Beobachtung ihrer verfassungs¬
mäßigen Verpflichtungen völlige Sicherheit vor willkürlichen Verationen seitens
ihrer Obern, dagegen bei deren Uebertretung unentfliehbare Ahndung in Aus¬
sicht gestellt sein.

In allen diesen Beziehungen geht die knrhessischc Verfassung mit der äußer¬
sten Umsicht zu Werke. Ihr §. 61 ist ein wahres Arsenal von Schutzwaffen
für die Verfassung, indem er jedem Staatsdiener genau sagt, was er zur Auf-
rechthaltung der Verfassung zu thun habe, und ihn. wenn er dies nicht thut,
schutzlos der Anklage der gesetzlichen Vertheidiger der Verfassung, der Stände,
preisgibt. Er lautet so: „Ein jeder Staatsdiener bleibt hinsichtlich seiner
Amtsverrichtungen verantwortlich. Derjenige, welcher sich einer Verletzung der
Landesverfassung, namentlich auch durch Vollziehung einer nicht in der verfassungs¬
mäßigen Form ergangenen Verfügung einer höchsten Staatsbehörde (§. 108) —
schuldig macht, — oder seine Amtsgewalt mißbraucht — kauu auch vou Land-
ständen oder deren Ausschuß (K. 102) bei der zuständigen Gerichtsbehörde ange¬
klagt werden. Die Sache muß alsdann auf dem gesetzlichen Wege schleimig un¬
tersucht und den Landständen oder deren Ausschüsse von dem Ergebnis; der An¬
klage Nachricht ertheilt werden." Dahingegen schützt die knrhessischc Verfassung
(K. 56) jeden Staatsdiener gegen Amtsentsetzung, Entziehung oder Verminde¬
rung seines Diensteinkommenö ohne Urtel und Recht, ja sogar (K. 57) gegen
nachtheilige Versetzungen, verbietet auch ausdrücklich <H. 60), daß in die Dienst¬
anweisung eines Staatsdiencrs etwas ausgenommen werde, was den Gesetzen
(also auch der Verfassungsurkunde) zuwider sei.

Was hat diesen so stritten Bestimmungen die sächsische Verfassnngsurkmide
gegenüberzustellen?

§. 42 verordnet freilich auch: „Alle Staatsdiener sind für ihre Dienstlei¬
stungen verantwortlich" — allein wem? in welchen Fällen? unter welchen For¬
men? davon sagt die sächsische Verfassung kein Wort. Dagegen sagt das Staats-
diencrgesetz vom 7. März 1835, in K. 7: „Jeder Staatsdiener hat bei seinem
Eintritt in den Staatsdienst eidlich auzugelobeu: daß er dem Könige tren und
gehorsam sein, die Gesetze des Landes und die Landesverfassung streng beob¬
achten, das ihm übertragene so wie jedes künftig zu übertragende Amt und jede
Verrichtung im öffentlichen Dienste, unter genauer Befolgung der gesetz¬
lichen Vorschriften, und den Anordnungen seiner Vorgesetzten gemäß,
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[0492] Aber der Eid auf die Verfassung allein würde nicht hinreichen, um bei vor¬ kommenden Conflicten den einzelnen Unterchan oder die Behörde auf das hinzu¬ weisen, was sie zu thun haben. Es muß ihnen anch klar und unzweideutig vor¬ geschrieben sein, wie sie bei solchen Conflicten sich zu benehmen, woran sie namentlich zu erkennen haben, ob etwas der Verfassung gemäß oder mit ihr im Widerspruche sei, es muß ihnen ferner bei treuer Beobachtung ihrer verfassungs¬ mäßigen Verpflichtungen völlige Sicherheit vor willkürlichen Verationen seitens ihrer Obern, dagegen bei deren Uebertretung unentfliehbare Ahndung in Aus¬ sicht gestellt sein. In allen diesen Beziehungen geht die knrhessischc Verfassung mit der äußer¬ sten Umsicht zu Werke. Ihr §. 61 ist ein wahres Arsenal von Schutzwaffen für die Verfassung, indem er jedem Staatsdiener genau sagt, was er zur Auf- rechthaltung der Verfassung zu thun habe, und ihn. wenn er dies nicht thut, schutzlos der Anklage der gesetzlichen Vertheidiger der Verfassung, der Stände, preisgibt. Er lautet so: „Ein jeder Staatsdiener bleibt hinsichtlich seiner Amtsverrichtungen verantwortlich. Derjenige, welcher sich einer Verletzung der Landesverfassung, namentlich auch durch Vollziehung einer nicht in der verfassungs¬ mäßigen Form ergangenen Verfügung einer höchsten Staatsbehörde (§. 108) — schuldig macht, — oder seine Amtsgewalt mißbraucht — kauu auch vou Land- ständen oder deren Ausschuß (K. 102) bei der zuständigen Gerichtsbehörde ange¬ klagt werden. Die Sache muß alsdann auf dem gesetzlichen Wege schleimig un¬ tersucht und den Landständen oder deren Ausschüsse von dem Ergebnis; der An¬ klage Nachricht ertheilt werden." Dahingegen schützt die knrhessischc Verfassung (K. 56) jeden Staatsdiener gegen Amtsentsetzung, Entziehung oder Verminde¬ rung seines Diensteinkommenö ohne Urtel und Recht, ja sogar (K. 57) gegen nachtheilige Versetzungen, verbietet auch ausdrücklich <H. 60), daß in die Dienst¬ anweisung eines Staatsdiencrs etwas ausgenommen werde, was den Gesetzen (also auch der Verfassungsurkunde) zuwider sei. Was hat diesen so stritten Bestimmungen die sächsische Verfassnngsurkmide gegenüberzustellen? §. 42 verordnet freilich auch: „Alle Staatsdiener sind für ihre Dienstlei¬ stungen verantwortlich" — allein wem? in welchen Fällen? unter welchen For¬ men? davon sagt die sächsische Verfassung kein Wort. Dagegen sagt das Staats- diencrgesetz vom 7. März 1835, in K. 7: „Jeder Staatsdiener hat bei seinem Eintritt in den Staatsdienst eidlich auzugelobeu: daß er dem Könige tren und gehorsam sein, die Gesetze des Landes und die Landesverfassung streng beob¬ achten, das ihm übertragene so wie jedes künftig zu übertragende Amt und jede Verrichtung im öffentlichen Dienste, unter genauer Befolgung der gesetz¬ lichen Vorschriften, und den Anordnungen seiner Vorgesetzten gemäß, nach bestem Wissen und Gewisse» verwalten wolle. Die dem Staatsdiener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/492>, abgerufen am 01.09.2024.