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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Deutsche Dramatiker:
Karl Malst.

(Volkstheater in Frankfurter Mundart. Frankfurt a. M. Sauerländers V. 1850.)

Ain 3. Juni 1848 starb Karl Malß im Alter von 56 Jahren, eine originelle
Celebrität Frankfurts, der berühmte Verfasser des alten Bürgercapitäns. Ein
Frankfurter Kind, zuerst selbst Kaufmann, dann Offizier im Freiheitskriege, In¬
genieur beim Festungsbau in Koblenz, zuletzt Theaterdirektor, hat er seit dem
Jahr 1821 einen bescheidenen, aber sehr behaglichen Platz in dem Saale deutscher
dramatischer Schriftsteller eingenommen. Die Localstncke, welche er für seiue Frank¬
furter schrieb, sind zwar für andere deutsche Bühnen schwer zu geben, denn die Neize
und Geheimnisse des Dialekts der Mainstadt werden nicht so ohne Weiteres von jedem
Profanen verstanden, aber der Ruf wenigstens von Einzelnen seiner Dramen hatte
sich bis in alle entlegensten Stämme verbreitet, welche in unserm guten deutschen
Fragezeichenlied aufgezählt werden. Wer durfte sich in Frankfurt aufhalten, ohne
über Herrn Hampelmann oder den würdigen Kimmelmcier zu lachen? Und wer
hätte nicht gern gelacht? Und beim Ende der Komödie sich gesagt, daß er Etwas
in seiner Art Vortreffliches gesehen habe?

Jetzt liegen seine Theaterstücke in einem hübschen Bändchen zusammengelegt
vor uus. Sie sind freilich in dieser Form nur getrocknete Blüthen, mehr und
uoch in anderem Sinne, als jedes gute Theaterstück, welches wir durch Lektüre
in uns ausnehmen.

Der Dialekt, dessen eigenthümliche Laute sich durch Buchstaben nur sehr un¬
vollkommen darstellen lassen, erregt dem Leser immer ein gewisses Unbehagen; die
unzähligen kleinen Redensarten und Curiositäten, welche der Zunge des Einhei¬
mischen so geläufig sind, und von ihm selbst mit Heiterkeit als charakteristisches
Eigenthum seiner Landsleute genossen werden, sind an andern Orten unbekannt
und bleiben ohne Wirkung; dazu kommt, daß die dramatische Voraussetzung solcher


Grenzboten. III. ISSO. 6
Deutsche Dramatiker:
Karl Malst.

(Volkstheater in Frankfurter Mundart. Frankfurt a. M. Sauerländers V. 1850.)

Ain 3. Juni 1848 starb Karl Malß im Alter von 56 Jahren, eine originelle
Celebrität Frankfurts, der berühmte Verfasser des alten Bürgercapitäns. Ein
Frankfurter Kind, zuerst selbst Kaufmann, dann Offizier im Freiheitskriege, In¬
genieur beim Festungsbau in Koblenz, zuletzt Theaterdirektor, hat er seit dem
Jahr 1821 einen bescheidenen, aber sehr behaglichen Platz in dem Saale deutscher
dramatischer Schriftsteller eingenommen. Die Localstncke, welche er für seiue Frank¬
furter schrieb, sind zwar für andere deutsche Bühnen schwer zu geben, denn die Neize
und Geheimnisse des Dialekts der Mainstadt werden nicht so ohne Weiteres von jedem
Profanen verstanden, aber der Ruf wenigstens von Einzelnen seiner Dramen hatte
sich bis in alle entlegensten Stämme verbreitet, welche in unserm guten deutschen
Fragezeichenlied aufgezählt werden. Wer durfte sich in Frankfurt aufhalten, ohne
über Herrn Hampelmann oder den würdigen Kimmelmcier zu lachen? Und wer
hätte nicht gern gelacht? Und beim Ende der Komödie sich gesagt, daß er Etwas
in seiner Art Vortreffliches gesehen habe?

Jetzt liegen seine Theaterstücke in einem hübschen Bändchen zusammengelegt
vor uus. Sie sind freilich in dieser Form nur getrocknete Blüthen, mehr und
uoch in anderem Sinne, als jedes gute Theaterstück, welches wir durch Lektüre
in uns ausnehmen.

Der Dialekt, dessen eigenthümliche Laute sich durch Buchstaben nur sehr un¬
vollkommen darstellen lassen, erregt dem Leser immer ein gewisses Unbehagen; die
unzähligen kleinen Redensarten und Curiositäten, welche der Zunge des Einhei¬
mischen so geläufig sind, und von ihm selbst mit Heiterkeit als charakteristisches
Eigenthum seiner Landsleute genossen werden, sind an andern Orten unbekannt
und bleiben ohne Wirkung; dazu kommt, daß die dramatische Voraussetzung solcher


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[0049] Deutsche Dramatiker: Karl Malst. (Volkstheater in Frankfurter Mundart. Frankfurt a. M. Sauerländers V. 1850.) Ain 3. Juni 1848 starb Karl Malß im Alter von 56 Jahren, eine originelle Celebrität Frankfurts, der berühmte Verfasser des alten Bürgercapitäns. Ein Frankfurter Kind, zuerst selbst Kaufmann, dann Offizier im Freiheitskriege, In¬ genieur beim Festungsbau in Koblenz, zuletzt Theaterdirektor, hat er seit dem Jahr 1821 einen bescheidenen, aber sehr behaglichen Platz in dem Saale deutscher dramatischer Schriftsteller eingenommen. Die Localstncke, welche er für seiue Frank¬ furter schrieb, sind zwar für andere deutsche Bühnen schwer zu geben, denn die Neize und Geheimnisse des Dialekts der Mainstadt werden nicht so ohne Weiteres von jedem Profanen verstanden, aber der Ruf wenigstens von Einzelnen seiner Dramen hatte sich bis in alle entlegensten Stämme verbreitet, welche in unserm guten deutschen Fragezeichenlied aufgezählt werden. Wer durfte sich in Frankfurt aufhalten, ohne über Herrn Hampelmann oder den würdigen Kimmelmcier zu lachen? Und wer hätte nicht gern gelacht? Und beim Ende der Komödie sich gesagt, daß er Etwas in seiner Art Vortreffliches gesehen habe? Jetzt liegen seine Theaterstücke in einem hübschen Bändchen zusammengelegt vor uus. Sie sind freilich in dieser Form nur getrocknete Blüthen, mehr und uoch in anderem Sinne, als jedes gute Theaterstück, welches wir durch Lektüre in uns ausnehmen. Der Dialekt, dessen eigenthümliche Laute sich durch Buchstaben nur sehr un¬ vollkommen darstellen lassen, erregt dem Leser immer ein gewisses Unbehagen; die unzähligen kleinen Redensarten und Curiositäten, welche der Zunge des Einhei¬ mischen so geläufig sind, und von ihm selbst mit Heiterkeit als charakteristisches Eigenthum seiner Landsleute genossen werden, sind an andern Orten unbekannt und bleiben ohne Wirkung; dazu kommt, daß die dramatische Voraussetzung solcher Grenzboten. III. ISSO. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/49>, abgerufen am 27.07.2024.