Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu verlangen; aber sie weiß auch, was es heißt, einem Husaren zur unrechten
Zeit kommen, oder ihn gar in seinem Dienste stören zu wollen. Auch unsere
Marketenderin, die noch in der Ferne ein Hußarenliedchen vor sich hertrillerte,
verstummte beim Anblick deö Wachpostens der Truppe, und bei dem Wachtfeuer
angelangt, stellte sie ihr Branntweinfäßchcn und ihren gefüllten Korb auf die
Erde, sagte leise: ",'jo na,poU" (guten Tag!), und setzte sich schweigend neben
den Stillen im Lande nieder. Aber sie muß es vielleicht doch nicht ganz recht
gemacht haben, denn unsere Hnßaren sahen sich einander fragend an, und nach¬
dem der Korporal sie wahrgenommen, fragte er leise, aber barsch: "Wer bist
Dn, Dirne!"

"Eine Marketenderin, wie Ihr seht, Herr Korporal."

"Bei welcher Truppe bist Du? denn ich kenne Dich nicht."

Hier wurde das Mädchen etwas verwirrt, faßte sich aber schnell und ant¬
wortete:

"Ich bin erst vorgestern im Lager angekommen, wo ich meinen Pista (Ste¬
phan) zu treffen hoffte; aber ich sand ihn nicht dort, also richtete ich mir ein
Geschäft ein."

"Weißt Dn aber, daß man bei uns ohne Erlaubniß des Commandanten keine
Geschäfte machen darf! Doch wer ist denn Dein Pista?"

"Er ist Hußar bei den Mikloö (Nikolaus-Hnßaren) wie Ihr, Herr."

"Wie ist sein Familienname?"

"?sito Vista, heißt er."

Hier konnten die Hußarcn ihren Ernst nicht mehr beibehalten; alle lachten
und bemüheten sich, nnr nicht lant zu werden.

"Hast Du Dir keinen bessern als den alten blatternarbigen Kntzer aufsuchen
können? Nun den kannst Du haben, denn er ist da unter uns. Wer hätte das
dem alten Brummbart zugetraut, daß er zu Hause so ein schönes junges Täubchen
im Neste habe! Ruft doch den Alten her! Indessen brauchst Du Dich Deines
Geliebten gar nicht zu schämen; er ist zwar häßlich, aber für jede riiesüli (Blatter¬
narbe) in seinem Gesichte hat er den Feinden wenigstens schon 10 Wunden ge¬
schlagen, und trotz seinem Alter ist er immer der Erste beim Attaque und der Letzte
beim Rückzug." Indessen kam der Hußar halb von den Kameraden gezogen her¬
bei, denn diese sagten ihm, daß sein Liebchen auf ihn warte, er aber behauptete,
er habe gar kein Liebchen, und er ging nur, weil er er im Auftrag des Korporals
gerufen wurde. Bei dem Feuer angelangt, machte er schon Miene, zu verneinen,
als sein Blick ans das lächelnde Mädchen fiel, und er anfangs seinen Angen nicht
trauend sie mit gehefteten Blicke betrachtete, endlich aber mit zusammengeschlage¬
nen Händen ausrief: "Istonem urgm! (Gott mein Herr!) das ist ja mein gnä¬
diges Fräulein! ^2 Isten älH-r iriex! (Gott segne Sie!) Welch' guter Engel
brachte Sie hierher? und in dieser Kleidung!" "Wundere Dich nicht, lieber Pista,"


zu verlangen; aber sie weiß auch, was es heißt, einem Husaren zur unrechten
Zeit kommen, oder ihn gar in seinem Dienste stören zu wollen. Auch unsere
Marketenderin, die noch in der Ferne ein Hußarenliedchen vor sich hertrillerte,
verstummte beim Anblick deö Wachpostens der Truppe, und bei dem Wachtfeuer
angelangt, stellte sie ihr Branntweinfäßchcn und ihren gefüllten Korb auf die
Erde, sagte leise: „,'jo na,poU" (guten Tag!), und setzte sich schweigend neben
den Stillen im Lande nieder. Aber sie muß es vielleicht doch nicht ganz recht
gemacht haben, denn unsere Hnßaren sahen sich einander fragend an, und nach¬
dem der Korporal sie wahrgenommen, fragte er leise, aber barsch: „Wer bist
Dn, Dirne!"

„Eine Marketenderin, wie Ihr seht, Herr Korporal."

„Bei welcher Truppe bist Du? denn ich kenne Dich nicht."

Hier wurde das Mädchen etwas verwirrt, faßte sich aber schnell und ant¬
wortete:

„Ich bin erst vorgestern im Lager angekommen, wo ich meinen Pista (Ste¬
phan) zu treffen hoffte; aber ich sand ihn nicht dort, also richtete ich mir ein
Geschäft ein."

„Weißt Dn aber, daß man bei uns ohne Erlaubniß des Commandanten keine
Geschäfte machen darf! Doch wer ist denn Dein Pista?"

„Er ist Hußar bei den Mikloö (Nikolaus-Hnßaren) wie Ihr, Herr."

„Wie ist sein Familienname?"

„?sito Vista, heißt er."

Hier konnten die Hußarcn ihren Ernst nicht mehr beibehalten; alle lachten
und bemüheten sich, nnr nicht lant zu werden.

„Hast Du Dir keinen bessern als den alten blatternarbigen Kntzer aufsuchen
können? Nun den kannst Du haben, denn er ist da unter uns. Wer hätte das
dem alten Brummbart zugetraut, daß er zu Hause so ein schönes junges Täubchen
im Neste habe! Ruft doch den Alten her! Indessen brauchst Du Dich Deines
Geliebten gar nicht zu schämen; er ist zwar häßlich, aber für jede riiesüli (Blatter¬
narbe) in seinem Gesichte hat er den Feinden wenigstens schon 10 Wunden ge¬
schlagen, und trotz seinem Alter ist er immer der Erste beim Attaque und der Letzte
beim Rückzug." Indessen kam der Hußar halb von den Kameraden gezogen her¬
bei, denn diese sagten ihm, daß sein Liebchen auf ihn warte, er aber behauptete,
er habe gar kein Liebchen, und er ging nur, weil er er im Auftrag des Korporals
gerufen wurde. Bei dem Feuer angelangt, machte er schon Miene, zu verneinen,
als sein Blick ans das lächelnde Mädchen fiel, und er anfangs seinen Angen nicht
trauend sie mit gehefteten Blicke betrachtete, endlich aber mit zusammengeschlage¬
nen Händen ausrief: „Istonem urgm! (Gott mein Herr!) das ist ja mein gnä¬
diges Fräulein! ^2 Isten älH-r iriex! (Gott segne Sie!) Welch' guter Engel
brachte Sie hierher? und in dieser Kleidung!" „Wundere Dich nicht, lieber Pista,"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86052"/>
          <p xml:id="ID_1604" prev="#ID_1603"> zu verlangen; aber sie weiß auch, was es heißt, einem Husaren zur unrechten<lb/>
Zeit kommen, oder ihn gar in seinem Dienste stören zu wollen. Auch unsere<lb/>
Marketenderin, die noch in der Ferne ein Hußarenliedchen vor sich hertrillerte,<lb/>
verstummte beim Anblick deö Wachpostens der Truppe, und bei dem Wachtfeuer<lb/>
angelangt, stellte sie ihr Branntweinfäßchcn und ihren gefüllten Korb auf die<lb/>
Erde, sagte leise: &#x201E;,'jo na,poU" (guten Tag!), und setzte sich schweigend neben<lb/>
den Stillen im Lande nieder. Aber sie muß es vielleicht doch nicht ganz recht<lb/>
gemacht haben, denn unsere Hnßaren sahen sich einander fragend an, und nach¬<lb/>
dem der Korporal sie wahrgenommen, fragte er leise, aber barsch: &#x201E;Wer bist<lb/>
Dn, Dirne!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1605"> &#x201E;Eine Marketenderin, wie Ihr seht, Herr Korporal."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1606"> &#x201E;Bei welcher Truppe bist Du? denn ich kenne Dich nicht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1607"> Hier wurde das Mädchen etwas verwirrt, faßte sich aber schnell und ant¬<lb/>
wortete:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1608"> &#x201E;Ich bin erst vorgestern im Lager angekommen, wo ich meinen Pista (Ste¬<lb/>
phan) zu treffen hoffte; aber ich sand ihn nicht dort, also richtete ich mir ein<lb/>
Geschäft ein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1609"> &#x201E;Weißt Dn aber, daß man bei uns ohne Erlaubniß des Commandanten keine<lb/>
Geschäfte machen darf! Doch wer ist denn Dein Pista?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1610"> &#x201E;Er ist Hußar bei den Mikloö (Nikolaus-Hnßaren) wie Ihr, Herr."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1611"> &#x201E;Wie ist sein Familienname?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1612"> &#x201E;?sito Vista, heißt er."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1613"> Hier konnten die Hußarcn ihren Ernst nicht mehr beibehalten; alle lachten<lb/>
und bemüheten sich, nnr nicht lant zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1614" next="#ID_1615"> &#x201E;Hast Du Dir keinen bessern als den alten blatternarbigen Kntzer aufsuchen<lb/>
können? Nun den kannst Du haben, denn er ist da unter uns. Wer hätte das<lb/>
dem alten Brummbart zugetraut, daß er zu Hause so ein schönes junges Täubchen<lb/>
im Neste habe! Ruft doch den Alten her! Indessen brauchst Du Dich Deines<lb/>
Geliebten gar nicht zu schämen; er ist zwar häßlich, aber für jede riiesüli (Blatter¬<lb/>
narbe) in seinem Gesichte hat er den Feinden wenigstens schon 10 Wunden ge¬<lb/>
schlagen, und trotz seinem Alter ist er immer der Erste beim Attaque und der Letzte<lb/>
beim Rückzug." Indessen kam der Hußar halb von den Kameraden gezogen her¬<lb/>
bei, denn diese sagten ihm, daß sein Liebchen auf ihn warte, er aber behauptete,<lb/>
er habe gar kein Liebchen, und er ging nur, weil er er im Auftrag des Korporals<lb/>
gerufen wurde. Bei dem Feuer angelangt, machte er schon Miene, zu verneinen,<lb/>
als sein Blick ans das lächelnde Mädchen fiel, und er anfangs seinen Angen nicht<lb/>
trauend sie mit gehefteten Blicke betrachtete, endlich aber mit zusammengeschlage¬<lb/>
nen Händen ausrief: &#x201E;Istonem urgm! (Gott mein Herr!) das ist ja mein gnä¬<lb/>
diges Fräulein! ^2 Isten älH-r iriex! (Gott segne Sie!) Welch' guter Engel<lb/>
brachte Sie hierher? und in dieser Kleidung!" &#x201E;Wundere Dich nicht, lieber Pista,"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] zu verlangen; aber sie weiß auch, was es heißt, einem Husaren zur unrechten Zeit kommen, oder ihn gar in seinem Dienste stören zu wollen. Auch unsere Marketenderin, die noch in der Ferne ein Hußarenliedchen vor sich hertrillerte, verstummte beim Anblick deö Wachpostens der Truppe, und bei dem Wachtfeuer angelangt, stellte sie ihr Branntweinfäßchcn und ihren gefüllten Korb auf die Erde, sagte leise: „,'jo na,poU" (guten Tag!), und setzte sich schweigend neben den Stillen im Lande nieder. Aber sie muß es vielleicht doch nicht ganz recht gemacht haben, denn unsere Hnßaren sahen sich einander fragend an, und nach¬ dem der Korporal sie wahrgenommen, fragte er leise, aber barsch: „Wer bist Dn, Dirne!" „Eine Marketenderin, wie Ihr seht, Herr Korporal." „Bei welcher Truppe bist Du? denn ich kenne Dich nicht." Hier wurde das Mädchen etwas verwirrt, faßte sich aber schnell und ant¬ wortete: „Ich bin erst vorgestern im Lager angekommen, wo ich meinen Pista (Ste¬ phan) zu treffen hoffte; aber ich sand ihn nicht dort, also richtete ich mir ein Geschäft ein." „Weißt Dn aber, daß man bei uns ohne Erlaubniß des Commandanten keine Geschäfte machen darf! Doch wer ist denn Dein Pista?" „Er ist Hußar bei den Mikloö (Nikolaus-Hnßaren) wie Ihr, Herr." „Wie ist sein Familienname?" „?sito Vista, heißt er." Hier konnten die Hußarcn ihren Ernst nicht mehr beibehalten; alle lachten und bemüheten sich, nnr nicht lant zu werden. „Hast Du Dir keinen bessern als den alten blatternarbigen Kntzer aufsuchen können? Nun den kannst Du haben, denn er ist da unter uns. Wer hätte das dem alten Brummbart zugetraut, daß er zu Hause so ein schönes junges Täubchen im Neste habe! Ruft doch den Alten her! Indessen brauchst Du Dich Deines Geliebten gar nicht zu schämen; er ist zwar häßlich, aber für jede riiesüli (Blatter¬ narbe) in seinem Gesichte hat er den Feinden wenigstens schon 10 Wunden ge¬ schlagen, und trotz seinem Alter ist er immer der Erste beim Attaque und der Letzte beim Rückzug." Indessen kam der Hußar halb von den Kameraden gezogen her¬ bei, denn diese sagten ihm, daß sein Liebchen auf ihn warte, er aber behauptete, er habe gar kein Liebchen, und er ging nur, weil er er im Auftrag des Korporals gerufen wurde. Bei dem Feuer angelangt, machte er schon Miene, zu verneinen, als sein Blick ans das lächelnde Mädchen fiel, und er anfangs seinen Angen nicht trauend sie mit gehefteten Blicke betrachtete, endlich aber mit zusammengeschlage¬ nen Händen ausrief: „Istonem urgm! (Gott mein Herr!) das ist ja mein gnä¬ diges Fräulein! ^2 Isten älH-r iriex! (Gott segne Sie!) Welch' guter Engel brachte Sie hierher? und in dieser Kleidung!" „Wundere Dich nicht, lieber Pista,"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/469>, abgerufen am 01.09.2024.