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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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schimpflich die Einwohner dieser Gegend sich gegen die treuen Truppen ihres
Monarchen benehmen; wie sie den Rebellen überall Vorschub leisten, und den
Kaiserlichen selbst sür gute Bezahlung (?) ihre Dienste versagen; und er war eben
im Begriff, zu erörtern, wie es in solchen Fällen nöthig sei, die Einwohner eines
Ortes solidarisch zu machen u. s. w., als der eifrige Patriot in seiner Rede zu
stocken anfing, und in Wort und Miene die ausgesprochenste Verlegenheit merken
ließ. Er kürzte seinen Vortrag ab, und ging auf einen Mann in der Versamm¬
lung zu, der wie die übrigen seit einer halben Stunde unter freiem Himmel bar¬
haupt dastand, und ihm die Hand zum Gruße darreichend, zog er die zögernd
bewilligte unter seinen Arm und entfernte sich mit ihm in eifrigem Gespräch.
Der Mann war ein Graf aus Siebenbürgen, der sich hier bei seinen Anver¬
wandten aushielt und einst ein Jugendfreund des Obersten war. Die beiden
Männer mögen, als sie noch Jünglinge waren, viel von der Zukunft des Vater¬
landes, von großen patriotischen Thaten gesprochen haben; daß sie sich so treffen
werden, haben beide vermuthlich nicht gedacht. Doch muß der Eindruck ihres
Zusammentreffens kein geringer gewesen fein, denn einige Minuten später besprachen
sich die Offiziere unter einander, und es wurde dem Volke kund gethan, daß sie
uach Hause gehen können, da die Sache von einer Commisstou untersucht werden
würde.

Die Gegend, in welcher M. . . .. liegt, ist ein schönes und fruchtbares
Hochland. Die Karpathen baden sich hier mit den äußersten Enden ihrer starken
Glieder in dem Fett der Theißgegeud, und ziehen dies, wie der ölgetränkte Docht
in der vollen Lampe, bis zu ährer Spitze hinauf; bieten aber dafür auch ihre
Reichthümer zum Genuß des gesegneten Einwohners. Hier gibt es reiche Korn¬
felder ohne die ermüdende Kahlheit der weiter südlich liegenden großen Haiden;
hier gedeiht die Tabakspflanze ohne die erdrückende Hitze deS Banats; hier bietet
der Schatten des dichten Eichwaldeö dein Schnitter Schutz gegen die heiße Mittags¬
sonne, und der Wanderer sieht mit doppelter Alse die zahlreichen Dörfer in den
kleinen Thälern, nachdem er über einen Hügel oder durch einen Wald gegangen
war, und diese im Dunkelroch der Abendsonne wie auf einen Zauberschlag vor
seinen Augen erscheinen. -- Diese Schönheit der Lage, welche einige Stunden
weiter nach Süden und Osten gänzlich aufhört, ferner die Nähe der Hauptstadt,
hat diese Gegend zum Wohnsitz vieler reichen Familien gemacht, und man kann
annehmen, daß es in Ungarn wenig adelige Familien höhern Ranges gibt, die
in dieser Gegend nicht ein kleines Besitzthum hätten. Auch M..... ist der Sitz
mehrerer reichen Familien. Wir wollen uns einer ihrer Wohnungen nähern und
sie etwas näher betrachten. Das Haus bildet in seiner Front ein einfaches ein.
stockhohes Gebäude, dem sich seitlich mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude
anschließen. Nach hinten öffnet sich der Hof nach einem Garten, der sich bis zu
einem kleinen, aber dichten Wald hinzieht, welcher auch zum Besitzthum des Hauses


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schimpflich die Einwohner dieser Gegend sich gegen die treuen Truppen ihres
Monarchen benehmen; wie sie den Rebellen überall Vorschub leisten, und den
Kaiserlichen selbst sür gute Bezahlung (?) ihre Dienste versagen; und er war eben
im Begriff, zu erörtern, wie es in solchen Fällen nöthig sei, die Einwohner eines
Ortes solidarisch zu machen u. s. w., als der eifrige Patriot in seiner Rede zu
stocken anfing, und in Wort und Miene die ausgesprochenste Verlegenheit merken
ließ. Er kürzte seinen Vortrag ab, und ging auf einen Mann in der Versamm¬
lung zu, der wie die übrigen seit einer halben Stunde unter freiem Himmel bar¬
haupt dastand, und ihm die Hand zum Gruße darreichend, zog er die zögernd
bewilligte unter seinen Arm und entfernte sich mit ihm in eifrigem Gespräch.
Der Mann war ein Graf aus Siebenbürgen, der sich hier bei seinen Anver¬
wandten aushielt und einst ein Jugendfreund des Obersten war. Die beiden
Männer mögen, als sie noch Jünglinge waren, viel von der Zukunft des Vater¬
landes, von großen patriotischen Thaten gesprochen haben; daß sie sich so treffen
werden, haben beide vermuthlich nicht gedacht. Doch muß der Eindruck ihres
Zusammentreffens kein geringer gewesen fein, denn einige Minuten später besprachen
sich die Offiziere unter einander, und es wurde dem Volke kund gethan, daß sie
uach Hause gehen können, da die Sache von einer Commisstou untersucht werden
würde.

Die Gegend, in welcher M. . . .. liegt, ist ein schönes und fruchtbares
Hochland. Die Karpathen baden sich hier mit den äußersten Enden ihrer starken
Glieder in dem Fett der Theißgegeud, und ziehen dies, wie der ölgetränkte Docht
in der vollen Lampe, bis zu ährer Spitze hinauf; bieten aber dafür auch ihre
Reichthümer zum Genuß des gesegneten Einwohners. Hier gibt es reiche Korn¬
felder ohne die ermüdende Kahlheit der weiter südlich liegenden großen Haiden;
hier gedeiht die Tabakspflanze ohne die erdrückende Hitze deS Banats; hier bietet
der Schatten des dichten Eichwaldeö dein Schnitter Schutz gegen die heiße Mittags¬
sonne, und der Wanderer sieht mit doppelter Alse die zahlreichen Dörfer in den
kleinen Thälern, nachdem er über einen Hügel oder durch einen Wald gegangen
war, und diese im Dunkelroch der Abendsonne wie auf einen Zauberschlag vor
seinen Augen erscheinen. — Diese Schönheit der Lage, welche einige Stunden
weiter nach Süden und Osten gänzlich aufhört, ferner die Nähe der Hauptstadt,
hat diese Gegend zum Wohnsitz vieler reichen Familien gemacht, und man kann
annehmen, daß es in Ungarn wenig adelige Familien höhern Ranges gibt, die
in dieser Gegend nicht ein kleines Besitzthum hätten. Auch M..... ist der Sitz
mehrerer reichen Familien. Wir wollen uns einer ihrer Wohnungen nähern und
sie etwas näher betrachten. Das Haus bildet in seiner Front ein einfaches ein.
stockhohes Gebäude, dem sich seitlich mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude
anschließen. Nach hinten öffnet sich der Hof nach einem Garten, der sich bis zu
einem kleinen, aber dichten Wald hinzieht, welcher auch zum Besitzthum des Hauses


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[0467] schimpflich die Einwohner dieser Gegend sich gegen die treuen Truppen ihres Monarchen benehmen; wie sie den Rebellen überall Vorschub leisten, und den Kaiserlichen selbst sür gute Bezahlung (?) ihre Dienste versagen; und er war eben im Begriff, zu erörtern, wie es in solchen Fällen nöthig sei, die Einwohner eines Ortes solidarisch zu machen u. s. w., als der eifrige Patriot in seiner Rede zu stocken anfing, und in Wort und Miene die ausgesprochenste Verlegenheit merken ließ. Er kürzte seinen Vortrag ab, und ging auf einen Mann in der Versamm¬ lung zu, der wie die übrigen seit einer halben Stunde unter freiem Himmel bar¬ haupt dastand, und ihm die Hand zum Gruße darreichend, zog er die zögernd bewilligte unter seinen Arm und entfernte sich mit ihm in eifrigem Gespräch. Der Mann war ein Graf aus Siebenbürgen, der sich hier bei seinen Anver¬ wandten aushielt und einst ein Jugendfreund des Obersten war. Die beiden Männer mögen, als sie noch Jünglinge waren, viel von der Zukunft des Vater¬ landes, von großen patriotischen Thaten gesprochen haben; daß sie sich so treffen werden, haben beide vermuthlich nicht gedacht. Doch muß der Eindruck ihres Zusammentreffens kein geringer gewesen fein, denn einige Minuten später besprachen sich die Offiziere unter einander, und es wurde dem Volke kund gethan, daß sie uach Hause gehen können, da die Sache von einer Commisstou untersucht werden würde. Die Gegend, in welcher M. . . .. liegt, ist ein schönes und fruchtbares Hochland. Die Karpathen baden sich hier mit den äußersten Enden ihrer starken Glieder in dem Fett der Theißgegeud, und ziehen dies, wie der ölgetränkte Docht in der vollen Lampe, bis zu ährer Spitze hinauf; bieten aber dafür auch ihre Reichthümer zum Genuß des gesegneten Einwohners. Hier gibt es reiche Korn¬ felder ohne die ermüdende Kahlheit der weiter südlich liegenden großen Haiden; hier gedeiht die Tabakspflanze ohne die erdrückende Hitze deS Banats; hier bietet der Schatten des dichten Eichwaldeö dein Schnitter Schutz gegen die heiße Mittags¬ sonne, und der Wanderer sieht mit doppelter Alse die zahlreichen Dörfer in den kleinen Thälern, nachdem er über einen Hügel oder durch einen Wald gegangen war, und diese im Dunkelroch der Abendsonne wie auf einen Zauberschlag vor seinen Augen erscheinen. — Diese Schönheit der Lage, welche einige Stunden weiter nach Süden und Osten gänzlich aufhört, ferner die Nähe der Hauptstadt, hat diese Gegend zum Wohnsitz vieler reichen Familien gemacht, und man kann annehmen, daß es in Ungarn wenig adelige Familien höhern Ranges gibt, die in dieser Gegend nicht ein kleines Besitzthum hätten. Auch M..... ist der Sitz mehrerer reichen Familien. Wir wollen uns einer ihrer Wohnungen nähern und sie etwas näher betrachten. Das Haus bildet in seiner Front ein einfaches ein. stockhohes Gebäude, dem sich seitlich mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude anschließen. Nach hinten öffnet sich der Hof nach einem Garten, der sich bis zu einem kleinen, aber dichten Wald hinzieht, welcher auch zum Besitzthum des Hauses 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/467>, abgerufen am 01.09.2024.