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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Wallgraben aber nicht angebracht werden konnten. Es ist daher der Citadelle
gegenüber auf dem rechten Weichseluser eine kleine Festung, welche Brückenkops
genannt wird, ohne eigentlich ein Brückenkopf zu sein, errichtet worden, so daß
die winterliche Eisdecke des Flusses doch nicht ohne Gefahr zu einem Angriff der
Citadelle benutzt werden kann.

Ans jenen drei Seiten ist die Citadelle durch doppelte Gräben (was man
sonst nie findet) von 14 Fuß Tiefe und 56 Fuß Breite und einen Wall von
28 Fuß Höhe mit zweifacher Palisadenlinie geschützt. Der Graben ist mit senk¬
rechten Ziegelsteinmauern versehen und enthält eine Reihe von Casematten. Die
innere Mauer bildet an den Ecken Borsprünge mit einem zurückfallenden stumpfen
Winkel und sie wollen glauben machen, die Feste habe nach dem tenaillirteu Sy¬
stem erbaut werden sollen. Ein unterirdischer Gang, für Fuhrwerk hinreichend
groß, führt aus diesen mit Geschützen gefüllten Vorsprüngen nach dem Centrum
der Feste. Von diesen Winkclbastionen ans, welche weder durch Ravelius noch
durch Coutregardeu gedeckt werden, werden die Gräben aus drei Seiten mit Ku¬
geln durchstrichen und die Unmöglichkeit, sie unter Wasser zu setzen, bedeutungslos
gemacht. In dem zweiten Wallgraben befinden sich die Pnlvervorräthe in bom¬
benfesten Gewölben, die nicht tief in die Erde gehen und über der Grabensohle
die Höhe von 8 Schuh erreichen. Diese Gebäude in den Wallgraben sind Fehler
in der Anlage, welche sich nur dadurch entschuldigen, daß mau in Polen vor
Explosion der Pulvermagazine Furcht zu haben Ursache hat. Die häufigen Ex¬
plosionen der Pulvermagazine in den russischen Festungen sind eine räthselhafte
Erscheinung und werden nicht sowohl dadurch sehr verdächtig und crforschenswerth,
daß sie über alle Maßen häufig sind, sondern weil die Behörde jedes Mal aufs
strengste deu Zeituugsredactiouen gebietet, davon nichts zu berichten. 1840 fanden
in vier Tagen nicht weniger als drei Explosionen in verschiedenen Festungen statt
und in der Warschauer Citadelle entzündeten sich einige ganz unbegreiflicher Weise
gefüllte Bomben im Geschützhause, zerschmetterten das Dach des Gebäudes und
verursachten eine Feuersbrunst, die mehre Gebäude, darunter eins von sieben und
dreißig Fenstern Breite, in Asche legte.

Bei einem unerwarteten und brüskirten Angriff können jene Gewölbe der
Citadelle sehr gefährlich werden, indem sie, gerade im Mittelpunkt der Courtineu
stehend, die Thätigkeit der Bastionen hemmen und selbst das Material zu einem
bedeckten Gauge liefern können.

Innerhalb des Walles befinden sich die Festnngsgebäude, viel zu hoch in
einem dreifachen Quadrat aufgestellt. Stallungen, Magazine, Arsenale, Kasernen,
Canzleien, Offizicrhaus, Commandantenpalais, Kirche ze. ze. sind säiwntlich ans
das großartigste aufgeführt und Zweckmäßig geordnet. Die Dächer sind uicht bom¬
benfest wie in den meisten preußischen Festungen, sondern sehr leicht mit Zink
gedeckt. Man kann daraus sehe", daß die Citadelle nur gegen die Polen be-


Wallgraben aber nicht angebracht werden konnten. Es ist daher der Citadelle
gegenüber auf dem rechten Weichseluser eine kleine Festung, welche Brückenkops
genannt wird, ohne eigentlich ein Brückenkopf zu sein, errichtet worden, so daß
die winterliche Eisdecke des Flusses doch nicht ohne Gefahr zu einem Angriff der
Citadelle benutzt werden kann.

Ans jenen drei Seiten ist die Citadelle durch doppelte Gräben (was man
sonst nie findet) von 14 Fuß Tiefe und 56 Fuß Breite und einen Wall von
28 Fuß Höhe mit zweifacher Palisadenlinie geschützt. Der Graben ist mit senk¬
rechten Ziegelsteinmauern versehen und enthält eine Reihe von Casematten. Die
innere Mauer bildet an den Ecken Borsprünge mit einem zurückfallenden stumpfen
Winkel und sie wollen glauben machen, die Feste habe nach dem tenaillirteu Sy¬
stem erbaut werden sollen. Ein unterirdischer Gang, für Fuhrwerk hinreichend
groß, führt aus diesen mit Geschützen gefüllten Vorsprüngen nach dem Centrum
der Feste. Von diesen Winkclbastionen ans, welche weder durch Ravelius noch
durch Coutregardeu gedeckt werden, werden die Gräben aus drei Seiten mit Ku¬
geln durchstrichen und die Unmöglichkeit, sie unter Wasser zu setzen, bedeutungslos
gemacht. In dem zweiten Wallgraben befinden sich die Pnlvervorräthe in bom¬
benfesten Gewölben, die nicht tief in die Erde gehen und über der Grabensohle
die Höhe von 8 Schuh erreichen. Diese Gebäude in den Wallgraben sind Fehler
in der Anlage, welche sich nur dadurch entschuldigen, daß mau in Polen vor
Explosion der Pulvermagazine Furcht zu haben Ursache hat. Die häufigen Ex¬
plosionen der Pulvermagazine in den russischen Festungen sind eine räthselhafte
Erscheinung und werden nicht sowohl dadurch sehr verdächtig und crforschenswerth,
daß sie über alle Maßen häufig sind, sondern weil die Behörde jedes Mal aufs
strengste deu Zeituugsredactiouen gebietet, davon nichts zu berichten. 1840 fanden
in vier Tagen nicht weniger als drei Explosionen in verschiedenen Festungen statt
und in der Warschauer Citadelle entzündeten sich einige ganz unbegreiflicher Weise
gefüllte Bomben im Geschützhause, zerschmetterten das Dach des Gebäudes und
verursachten eine Feuersbrunst, die mehre Gebäude, darunter eins von sieben und
dreißig Fenstern Breite, in Asche legte.

Bei einem unerwarteten und brüskirten Angriff können jene Gewölbe der
Citadelle sehr gefährlich werden, indem sie, gerade im Mittelpunkt der Courtineu
stehend, die Thätigkeit der Bastionen hemmen und selbst das Material zu einem
bedeckten Gauge liefern können.

Innerhalb des Walles befinden sich die Festnngsgebäude, viel zu hoch in
einem dreifachen Quadrat aufgestellt. Stallungen, Magazine, Arsenale, Kasernen,
Canzleien, Offizicrhaus, Commandantenpalais, Kirche ze. ze. sind säiwntlich ans
das großartigste aufgeführt und Zweckmäßig geordnet. Die Dächer sind uicht bom¬
benfest wie in den meisten preußischen Festungen, sondern sehr leicht mit Zink
gedeckt. Man kann daraus sehe», daß die Citadelle nur gegen die Polen be-


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[0452] Wallgraben aber nicht angebracht werden konnten. Es ist daher der Citadelle gegenüber auf dem rechten Weichseluser eine kleine Festung, welche Brückenkops genannt wird, ohne eigentlich ein Brückenkopf zu sein, errichtet worden, so daß die winterliche Eisdecke des Flusses doch nicht ohne Gefahr zu einem Angriff der Citadelle benutzt werden kann. Ans jenen drei Seiten ist die Citadelle durch doppelte Gräben (was man sonst nie findet) von 14 Fuß Tiefe und 56 Fuß Breite und einen Wall von 28 Fuß Höhe mit zweifacher Palisadenlinie geschützt. Der Graben ist mit senk¬ rechten Ziegelsteinmauern versehen und enthält eine Reihe von Casematten. Die innere Mauer bildet an den Ecken Borsprünge mit einem zurückfallenden stumpfen Winkel und sie wollen glauben machen, die Feste habe nach dem tenaillirteu Sy¬ stem erbaut werden sollen. Ein unterirdischer Gang, für Fuhrwerk hinreichend groß, führt aus diesen mit Geschützen gefüllten Vorsprüngen nach dem Centrum der Feste. Von diesen Winkclbastionen ans, welche weder durch Ravelius noch durch Coutregardeu gedeckt werden, werden die Gräben aus drei Seiten mit Ku¬ geln durchstrichen und die Unmöglichkeit, sie unter Wasser zu setzen, bedeutungslos gemacht. In dem zweiten Wallgraben befinden sich die Pnlvervorräthe in bom¬ benfesten Gewölben, die nicht tief in die Erde gehen und über der Grabensohle die Höhe von 8 Schuh erreichen. Diese Gebäude in den Wallgraben sind Fehler in der Anlage, welche sich nur dadurch entschuldigen, daß mau in Polen vor Explosion der Pulvermagazine Furcht zu haben Ursache hat. Die häufigen Ex¬ plosionen der Pulvermagazine in den russischen Festungen sind eine räthselhafte Erscheinung und werden nicht sowohl dadurch sehr verdächtig und crforschenswerth, daß sie über alle Maßen häufig sind, sondern weil die Behörde jedes Mal aufs strengste deu Zeituugsredactiouen gebietet, davon nichts zu berichten. 1840 fanden in vier Tagen nicht weniger als drei Explosionen in verschiedenen Festungen statt und in der Warschauer Citadelle entzündeten sich einige ganz unbegreiflicher Weise gefüllte Bomben im Geschützhause, zerschmetterten das Dach des Gebäudes und verursachten eine Feuersbrunst, die mehre Gebäude, darunter eins von sieben und dreißig Fenstern Breite, in Asche legte. Bei einem unerwarteten und brüskirten Angriff können jene Gewölbe der Citadelle sehr gefährlich werden, indem sie, gerade im Mittelpunkt der Courtineu stehend, die Thätigkeit der Bastionen hemmen und selbst das Material zu einem bedeckten Gauge liefern können. Innerhalb des Walles befinden sich die Festnngsgebäude, viel zu hoch in einem dreifachen Quadrat aufgestellt. Stallungen, Magazine, Arsenale, Kasernen, Canzleien, Offizicrhaus, Commandantenpalais, Kirche ze. ze. sind säiwntlich ans das großartigste aufgeführt und Zweckmäßig geordnet. Die Dächer sind uicht bom¬ benfest wie in den meisten preußischen Festungen, sondern sehr leicht mit Zink gedeckt. Man kann daraus sehe», daß die Citadelle nur gegen die Polen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/452>, abgerufen am 06.10.2024.