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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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man Psendotriumphe feiern, der Verfassung echt katholischer Satzungen, Christus
erhabener Lehre zum Hohn.

Man that in officiellen Wege das Möglichste, den Triumphzug zu verherr¬
lichen; die Garnison mußte ausrücken zum Empfang ihres Verbündeten, die so¬
genannte Nationalgarde wurde von ihrem Obersten, einem Ritter päpstlichen Or¬
dens, aufgeboten, um die Schmach des vollendeten NcactivnösiegeS celebriren zu
helfen, so wie auch römischen Trinmphatorcn die- gefangenen oder besiegten Bar-
bareuvvlker Parade machen mußten. Am Noßthore der Neustadt mußte -- ? --
der angeblich radicale Stadtrat!) uuter Vortritt seines Bürgermeisters den in al-
terthümlicher Chaise einfahrenden Cardinal-Erzbischof in snbmissestcr Frende em¬
pfangen und oratorisch begrüßen; von da ab rumpelte die alte Carosse, von alt¬
modisch beschirrteu Mähren gezogen, durch die Neustadt und Altstadt bis zur
Hauptpfarrkirche der Kleinseitc.

Das Volk gaffte den Kirchenfürsten in rother Cardinalpclerine mit eigen-
thümlich stoischer Neugierde an, da fand sich keine Spur vou Anerkennung, von
Freudigkeit oder Enthusiasmus; eine Kunstreiterbaude in bunten Flitter, mit Mustk
voran, hätte jedenfalls mehr Effect hervorgerufen. Ans der Haltung dieses Vol¬
kes konnte sich der Kirchenfürst so ziemlich abstrahiren, Prag sei kein fruchtbarer
Boden mehr für ultramontane Mauövrirkunst. Der Kirchenfürst spendete seinen
apostolischen Segen überreichlich zum Wagenfenster hinaus, doch Niemand fand
sich, der sich gläubig neigte, der sich verzückt niedergeworfen hätte in den Staub
der Straße, den Segen entgegenzunehmen, ja man unterließ es sogar größten-
theils, deu Hut zu rücken, den Gruß des segeuspendenden Hierarchen höflichkeits¬
halber zu erwiedern. Ein Volk, das man einmal aufgestachelt hat, Bar-
ricadcn in Massen aufzurichten, läßt sich nicht mehr einfangen an der abgenützten
Leimspindel des Krummstabes; die Zeiten sind vorüber, in welchen solche Recepte
probat gewesen. Gedenkt unser politisches Medicinalcvllegium dem fressenden
Krebs der Zeit nur mit diesen veralteten Salben zu Leibe zu gehen, so wäre es
in der That angezeigt, ihm das Quacksalberhandwcrk zu legen. Pulver und Blei,
Galgen und Strick, Corporalstock und Ruthe, und endlich Chryscnn nud das er¬
stickende Rauchfaß, das sind die officinellen Artikel der Staatsapotheke österrei-
scher Protomediker, mit diesem Jammerkram stellt sich das Ministerium vom 26.
November an die Spitze der Bewegung! Gerade so bewegten sich ?<zräi-
äinancws II. und seiue Näthe anno 1620.

Vou der Hauptpfarrkirche der Kleinscite setzte sich der eigentliche Triumph¬
marsch deö siegenden Kirchenfürsten in Bewegung, alle Truppenkörper und Waffen-
gattungen der geistlichen Armada strömten in wohlgeordneten Zuge aus dem
dunklen Kirchenschiffe hinaus auf die lebendige, sonnige Straße. Die Francisca-
ner und Kapuziner, die Prämonstratenser und Benedictiner, die Dominicaner und
Minoriten, die Saoenla, olnvi der Stadt und des Landes und wie sie alle heißen


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man Psendotriumphe feiern, der Verfassung echt katholischer Satzungen, Christus
erhabener Lehre zum Hohn.

Man that in officiellen Wege das Möglichste, den Triumphzug zu verherr¬
lichen; die Garnison mußte ausrücken zum Empfang ihres Verbündeten, die so¬
genannte Nationalgarde wurde von ihrem Obersten, einem Ritter päpstlichen Or¬
dens, aufgeboten, um die Schmach des vollendeten NcactivnösiegeS celebriren zu
helfen, so wie auch römischen Trinmphatorcn die- gefangenen oder besiegten Bar-
bareuvvlker Parade machen mußten. Am Noßthore der Neustadt mußte — ? —
der angeblich radicale Stadtrat!) uuter Vortritt seines Bürgermeisters den in al-
terthümlicher Chaise einfahrenden Cardinal-Erzbischof in snbmissestcr Frende em¬
pfangen und oratorisch begrüßen; von da ab rumpelte die alte Carosse, von alt¬
modisch beschirrteu Mähren gezogen, durch die Neustadt und Altstadt bis zur
Hauptpfarrkirche der Kleinseitc.

Das Volk gaffte den Kirchenfürsten in rother Cardinalpclerine mit eigen-
thümlich stoischer Neugierde an, da fand sich keine Spur vou Anerkennung, von
Freudigkeit oder Enthusiasmus; eine Kunstreiterbaude in bunten Flitter, mit Mustk
voran, hätte jedenfalls mehr Effect hervorgerufen. Ans der Haltung dieses Vol¬
kes konnte sich der Kirchenfürst so ziemlich abstrahiren, Prag sei kein fruchtbarer
Boden mehr für ultramontane Mauövrirkunst. Der Kirchenfürst spendete seinen
apostolischen Segen überreichlich zum Wagenfenster hinaus, doch Niemand fand
sich, der sich gläubig neigte, der sich verzückt niedergeworfen hätte in den Staub
der Straße, den Segen entgegenzunehmen, ja man unterließ es sogar größten-
theils, deu Hut zu rücken, den Gruß des segeuspendenden Hierarchen höflichkeits¬
halber zu erwiedern. Ein Volk, das man einmal aufgestachelt hat, Bar-
ricadcn in Massen aufzurichten, läßt sich nicht mehr einfangen an der abgenützten
Leimspindel des Krummstabes; die Zeiten sind vorüber, in welchen solche Recepte
probat gewesen. Gedenkt unser politisches Medicinalcvllegium dem fressenden
Krebs der Zeit nur mit diesen veralteten Salben zu Leibe zu gehen, so wäre es
in der That angezeigt, ihm das Quacksalberhandwcrk zu legen. Pulver und Blei,
Galgen und Strick, Corporalstock und Ruthe, und endlich Chryscnn nud das er¬
stickende Rauchfaß, das sind die officinellen Artikel der Staatsapotheke österrei-
scher Protomediker, mit diesem Jammerkram stellt sich das Ministerium vom 26.
November an die Spitze der Bewegung! Gerade so bewegten sich ?<zräi-
äinancws II. und seiue Näthe anno 1620.

Vou der Hauptpfarrkirche der Kleinscite setzte sich der eigentliche Triumph¬
marsch deö siegenden Kirchenfürsten in Bewegung, alle Truppenkörper und Waffen-
gattungen der geistlichen Armada strömten in wohlgeordneten Zuge aus dem
dunklen Kirchenschiffe hinaus auf die lebendige, sonnige Straße. Die Francisca-
ner und Kapuziner, die Prämonstratenser und Benedictiner, die Dominicaner und
Minoriten, die Saoenla, olnvi der Stadt und des Landes und wie sie alle heißen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/395>, abgerufen am 01.09.2024.