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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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ihm den Befehl, nach Miskolcz zu marschiren. Dem General Dembinöki theilte ich
offen die Absicht meiner Sendung mit, und wir waren einig, nur zusammen in Galizien
einzurücken. Nachdem ich dies dem Kossuth mitgetheilt und hinsichtlich der Bildung der
polnischen Divistou beim Ministerium die nöthigen Schritte gethan hatte, ging ich
nach Miskolcz. Den 2t). Mai kam zuerst meine Legion von Ofen hier an, nach¬
dem sie von meiner ungarischen Division, von welcher die Polen sehr geachtet wurden,
mit großer Rührung sich getrennt hatte. Zugleich kam auch die erste Abtheilung
des 3. Nlahncnregimentö nnter Tchörznicki, meist lauter junge polnische Emi¬
granten. Auf diese konnte man sich verlassen, und wenn wir deren 10,000 ge¬
habt hätten, wer weiß, wie sich die Sache, trotz der Nüsse", gewendet hätte. --
Leider waren ihrer aber nur etwa 20V0 überhaupt i" Ungarn und kaum tausend
in der polnischen Legion. Nach Siebenbürgen gingen mehrere, die ich wegen
Feigheit oder aus andern Gründen entfernt hatte, und wurden dort Offiziere,
indem sie vorgaben, nur aus Anhänglichkeit zum General Bein gekommen zu sein.
Der Major Euglert kam mit 800 Mann, meist östreichischer Deserteure, daun
der Rittmeister Tvczyöki mit der 2. Escadrou des 1. Ulahuenregiments, die gut
eingeübt war. Jdzitowöki mit seinem Bataillon und 4 Kanonen blieb bei Dcm-
binsti. Ein Capitän Kowalski, der 2 Compagnien und 1 Schwadron Kavallerie
in Siebenbürgen commandirte, wollte sich auch mit uns, selbst gegen den Befehl
der Regierung, vereinigen, wurde aber aufgehalten. Um die östreichischen Deser¬
teure unserer Legion, die ununterbrochen Meutereien machten, in Ordnung zu
erhalten, ließ ich einen erschießen und mischte sie mit den polnischen Emigranten.
Ans Krakau, uuter Anführung KnczynSki'ö, kam eine zahlreiche Abtheilung junger
Leute, meist Studenten; -- sie wurden aber vom Major Gvrgey aufgehalten,
erst der deutschen Legion beigegeben, dann bildeten sie unter ungarischen Com-
mando ein eigenes Corps, welches überfallen, wohl 30 Mann verlor; der Nest
kam zu uns. Das Avancement bei der nun entstehenden polnischen Division
machte mir unendlich viel Unannehmlichkeit. Alle verdiente Offiziere rangirte ich
ihrem Range nach ein, und dies erregte bei den jungen Offizieren Murren.
Mehrere, namentlich vom Corps des Nembowöki, wollten von militärischer Sub¬
ordination und Militärstrafen nichts wissen.

Die Körperstrafen waren alle abgeschafft, doch mußte ich nothwendig Arrest,
Todesstrafe und Kettenstrafe einführen, und ließ eine Deputation, die dagegen
demonstriren wollte, gar uicht vor. Die Organisation war schwierig, Gewehre
fehlten; nach der Eroberung Ofens schickte ich den Capitain Stvbiccki, der mir
einige 100 Gewehre und 3 Kanonen brachte. Jeder Offizier commandirte nach
seiner Art, es gab keine Vorschriften, keine Uebereinstimmung Während ich in
MiSkvlez ans diese Weise sehr thätig war, erhalte ich den 5. Juni plötzlich den
Befehl von Kossuth und dem Kriegsminister Görgey, das Kommando des Dem¬
binöki in Oberungarn sofort zu übernehmen, da derselbe entlassen sei, und daß


ihm den Befehl, nach Miskolcz zu marschiren. Dem General Dembinöki theilte ich
offen die Absicht meiner Sendung mit, und wir waren einig, nur zusammen in Galizien
einzurücken. Nachdem ich dies dem Kossuth mitgetheilt und hinsichtlich der Bildung der
polnischen Divistou beim Ministerium die nöthigen Schritte gethan hatte, ging ich
nach Miskolcz. Den 2t). Mai kam zuerst meine Legion von Ofen hier an, nach¬
dem sie von meiner ungarischen Division, von welcher die Polen sehr geachtet wurden,
mit großer Rührung sich getrennt hatte. Zugleich kam auch die erste Abtheilung
des 3. Nlahncnregimentö nnter Tchörznicki, meist lauter junge polnische Emi¬
granten. Auf diese konnte man sich verlassen, und wenn wir deren 10,000 ge¬
habt hätten, wer weiß, wie sich die Sache, trotz der Nüsse», gewendet hätte. —
Leider waren ihrer aber nur etwa 20V0 überhaupt i» Ungarn und kaum tausend
in der polnischen Legion. Nach Siebenbürgen gingen mehrere, die ich wegen
Feigheit oder aus andern Gründen entfernt hatte, und wurden dort Offiziere,
indem sie vorgaben, nur aus Anhänglichkeit zum General Bein gekommen zu sein.
Der Major Euglert kam mit 800 Mann, meist östreichischer Deserteure, daun
der Rittmeister Tvczyöki mit der 2. Escadrou des 1. Ulahuenregiments, die gut
eingeübt war. Jdzitowöki mit seinem Bataillon und 4 Kanonen blieb bei Dcm-
binsti. Ein Capitän Kowalski, der 2 Compagnien und 1 Schwadron Kavallerie
in Siebenbürgen commandirte, wollte sich auch mit uns, selbst gegen den Befehl
der Regierung, vereinigen, wurde aber aufgehalten. Um die östreichischen Deser¬
teure unserer Legion, die ununterbrochen Meutereien machten, in Ordnung zu
erhalten, ließ ich einen erschießen und mischte sie mit den polnischen Emigranten.
Ans Krakau, uuter Anführung KnczynSki'ö, kam eine zahlreiche Abtheilung junger
Leute, meist Studenten; — sie wurden aber vom Major Gvrgey aufgehalten,
erst der deutschen Legion beigegeben, dann bildeten sie unter ungarischen Com-
mando ein eigenes Corps, welches überfallen, wohl 30 Mann verlor; der Nest
kam zu uns. Das Avancement bei der nun entstehenden polnischen Division
machte mir unendlich viel Unannehmlichkeit. Alle verdiente Offiziere rangirte ich
ihrem Range nach ein, und dies erregte bei den jungen Offizieren Murren.
Mehrere, namentlich vom Corps des Nembowöki, wollten von militärischer Sub¬
ordination und Militärstrafen nichts wissen.

Die Körperstrafen waren alle abgeschafft, doch mußte ich nothwendig Arrest,
Todesstrafe und Kettenstrafe einführen, und ließ eine Deputation, die dagegen
demonstriren wollte, gar uicht vor. Die Organisation war schwierig, Gewehre
fehlten; nach der Eroberung Ofens schickte ich den Capitain Stvbiccki, der mir
einige 100 Gewehre und 3 Kanonen brachte. Jeder Offizier commandirte nach
seiner Art, es gab keine Vorschriften, keine Uebereinstimmung Während ich in
MiSkvlez ans diese Weise sehr thätig war, erhalte ich den 5. Juni plötzlich den
Befehl von Kossuth und dem Kriegsminister Görgey, das Kommando des Dem¬
binöki in Oberungarn sofort zu übernehmen, da derselbe entlassen sei, und daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/39>, abgerufen am 27.07.2024.