Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

richten könnten, als sie bis dahin dnrch Waffengewalt gegen eine wohldisciplinirte
Uebermacht zu thun im Stande gewesen waren.

Die Russen ihrerseits waren entzückt, sich auf eine Zeitlang vor feindlichen
Überfällen gesichert zu wissen und statt des Schwertes die Zunge zu rühren.

Aller Orten und Enden begannen die mit orientalischer Weitschweifigkeit
geführten Unterhandlungen.

Ju der Nahe der Festung Golowinskoje") hatten schon einige Tage vor
unserer Ankunft tschcrkessische Reiter ihr Lager aufgeschlagen, an die Landung
des Kriegödampferö, welcher deu commandirenden General an Bord führte, abzu¬
warten und dann ihren Landsleuten sogleich Kunde davon zu geben.

Morgens um 8 Uhr liefen wir in deu Hafen von Gvlvwinskvje ein, und
Nachmittags um 2 Uhr war auch schou eine stattliche Versammlung tscherkessifcher
Häuptlinge und Mullah's mit großem Gefolge angekommen.

Ehe die eigentlichen Verhandlungen begannen, wurde Botschaft entsendet,
um die Bedingungen festzustellen, nnter welchen die Zusammenkunft stattfinden sollte.

Man vereinbarte sich über folgende Punkte: Erstens: der Schauplatz der
Conferenz sollte sein außerhalb des Schußbereichs der russischen Festuugskauoueu.
Zweitens: die Zahl der anwesenden Tscherkessen sollte diejenige der anwesenden
Russen nicht übertreffen; für den Fall, daß sich außerhalb des zur Versammlung
bestimmten Kreises noch irgendwo in der Gegend Tscherkessen blicken ließen, sollte
von der Festuugsbesatzuug daraus geschossen werden. Drittens: Die Tscherkessen
sollten ihre Waffen während der Dauer der Unterhandlung ablegen und der Obhut
russischer Soldaten anvertrauen; uur deu wortsührenden Häuptlingen wurde ge¬
stattet, ihre Pistolen im Gürtel zu behalten.

Hierauf begab sich der General mit seinem glänzenden Gefolge nach dem be¬
zeichneten Platze, wo die Tscherkessen bereits versammelt waren.

Ein von schwellendem Nasen überkleideter Thalkessel, umragt von dicht be¬
waldeten Bergen, welche nach Osten eine entzückende Aussicht in das innere,
von der kräftigsten Vegetation strotzende Land offen ließen -- war der Schau¬
platz des kriegerischen Bildes, welches sich vor uns entrollte.

Etwa ein Dutzend Stühle wurden halbmondförmig aufgestellt, daraus die
vornehmsten Häuptlinge und Mullah's Platz nahmen, während die übrigen Tscher¬
kessen theils nachlässig ausgestreckt auf dem Rasen lagen, theils rechts in einiger
Entfernung bei den Pferden standen.

Zur Lücken standen russische Soldaten, welche bei den malerisch zusammen¬
gelegten und übereinandergelegten Waffen Wache hielten. Das war eine Samm-



So genannt nach dem General Golotvin, ehemaligem Overl'efchlLhal'er im Kau¬
kasus. Mehrere der oben angeführten Festungen Häven ihre Namen von kaukasischen Gene¬
rälen erhalte", wie z. B. Kasarew, WeljaminowSkoje u. s. in.

richten könnten, als sie bis dahin dnrch Waffengewalt gegen eine wohldisciplinirte
Uebermacht zu thun im Stande gewesen waren.

Die Russen ihrerseits waren entzückt, sich auf eine Zeitlang vor feindlichen
Überfällen gesichert zu wissen und statt des Schwertes die Zunge zu rühren.

Aller Orten und Enden begannen die mit orientalischer Weitschweifigkeit
geführten Unterhandlungen.

Ju der Nahe der Festung Golowinskoje") hatten schon einige Tage vor
unserer Ankunft tschcrkessische Reiter ihr Lager aufgeschlagen, an die Landung
des Kriegödampferö, welcher deu commandirenden General an Bord führte, abzu¬
warten und dann ihren Landsleuten sogleich Kunde davon zu geben.

Morgens um 8 Uhr liefen wir in deu Hafen von Gvlvwinskvje ein, und
Nachmittags um 2 Uhr war auch schou eine stattliche Versammlung tscherkessifcher
Häuptlinge und Mullah's mit großem Gefolge angekommen.

Ehe die eigentlichen Verhandlungen begannen, wurde Botschaft entsendet,
um die Bedingungen festzustellen, nnter welchen die Zusammenkunft stattfinden sollte.

Man vereinbarte sich über folgende Punkte: Erstens: der Schauplatz der
Conferenz sollte sein außerhalb des Schußbereichs der russischen Festuugskauoueu.
Zweitens: die Zahl der anwesenden Tscherkessen sollte diejenige der anwesenden
Russen nicht übertreffen; für den Fall, daß sich außerhalb des zur Versammlung
bestimmten Kreises noch irgendwo in der Gegend Tscherkessen blicken ließen, sollte
von der Festuugsbesatzuug daraus geschossen werden. Drittens: Die Tscherkessen
sollten ihre Waffen während der Dauer der Unterhandlung ablegen und der Obhut
russischer Soldaten anvertrauen; uur deu wortsührenden Häuptlingen wurde ge¬
stattet, ihre Pistolen im Gürtel zu behalten.

Hierauf begab sich der General mit seinem glänzenden Gefolge nach dem be¬
zeichneten Platze, wo die Tscherkessen bereits versammelt waren.

Ein von schwellendem Nasen überkleideter Thalkessel, umragt von dicht be¬
waldeten Bergen, welche nach Osten eine entzückende Aussicht in das innere,
von der kräftigsten Vegetation strotzende Land offen ließen — war der Schau¬
platz des kriegerischen Bildes, welches sich vor uns entrollte.

Etwa ein Dutzend Stühle wurden halbmondförmig aufgestellt, daraus die
vornehmsten Häuptlinge und Mullah's Platz nahmen, während die übrigen Tscher¬
kessen theils nachlässig ausgestreckt auf dem Rasen lagen, theils rechts in einiger
Entfernung bei den Pferden standen.

Zur Lücken standen russische Soldaten, welche bei den malerisch zusammen¬
gelegten und übereinandergelegten Waffen Wache hielten. Das war eine Samm-



So genannt nach dem General Golotvin, ehemaligem Overl'efchlLhal'er im Kau¬
kasus. Mehrere der oben angeführten Festungen Häven ihre Namen von kaukasischen Gene¬
rälen erhalte», wie z. B. Kasarew, WeljaminowSkoje u. s. in.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85964"/>
            <p xml:id="ID_1299" prev="#ID_1298"> richten könnten, als sie bis dahin dnrch Waffengewalt gegen eine wohldisciplinirte<lb/>
Uebermacht zu thun im Stande gewesen waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1300"> Die Russen ihrerseits waren entzückt, sich auf eine Zeitlang vor feindlichen<lb/>
Überfällen gesichert zu wissen und statt des Schwertes die Zunge zu rühren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1301"> Aller Orten und Enden begannen die mit orientalischer Weitschweifigkeit<lb/>
geführten Unterhandlungen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1302"> Ju der Nahe der Festung Golowinskoje") hatten schon einige Tage vor<lb/>
unserer Ankunft tschcrkessische Reiter ihr Lager aufgeschlagen, an die Landung<lb/>
des Kriegödampferö, welcher deu commandirenden General an Bord führte, abzu¬<lb/>
warten und dann ihren Landsleuten sogleich Kunde davon zu geben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1303"> Morgens um 8 Uhr liefen wir in deu Hafen von Gvlvwinskvje ein, und<lb/>
Nachmittags um 2 Uhr war auch schou eine stattliche Versammlung tscherkessifcher<lb/>
Häuptlinge und Mullah's mit großem Gefolge angekommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1304"> Ehe die eigentlichen Verhandlungen begannen, wurde Botschaft entsendet,<lb/>
um die Bedingungen festzustellen, nnter welchen die Zusammenkunft stattfinden sollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1305"> Man vereinbarte sich über folgende Punkte: Erstens: der Schauplatz der<lb/>
Conferenz sollte sein außerhalb des Schußbereichs der russischen Festuugskauoueu.<lb/>
Zweitens: die Zahl der anwesenden Tscherkessen sollte diejenige der anwesenden<lb/>
Russen nicht übertreffen; für den Fall, daß sich außerhalb des zur Versammlung<lb/>
bestimmten Kreises noch irgendwo in der Gegend Tscherkessen blicken ließen, sollte<lb/>
von der Festuugsbesatzuug daraus geschossen werden. Drittens: Die Tscherkessen<lb/>
sollten ihre Waffen während der Dauer der Unterhandlung ablegen und der Obhut<lb/>
russischer Soldaten anvertrauen; uur deu wortsührenden Häuptlingen wurde ge¬<lb/>
stattet, ihre Pistolen im Gürtel zu behalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1306"> Hierauf begab sich der General mit seinem glänzenden Gefolge nach dem be¬<lb/>
zeichneten Platze, wo die Tscherkessen bereits versammelt waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1307"> Ein von schwellendem Nasen überkleideter Thalkessel, umragt von dicht be¬<lb/>
waldeten Bergen, welche nach Osten eine entzückende Aussicht in das innere,<lb/>
von der kräftigsten Vegetation strotzende Land offen ließen &#x2014; war der Schau¬<lb/>
platz des kriegerischen Bildes, welches sich vor uns entrollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1308"> Etwa ein Dutzend Stühle wurden halbmondförmig aufgestellt, daraus die<lb/>
vornehmsten Häuptlinge und Mullah's Platz nahmen, während die übrigen Tscher¬<lb/>
kessen theils nachlässig ausgestreckt auf dem Rasen lagen, theils rechts in einiger<lb/>
Entfernung bei den Pferden standen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1309" next="#ID_1310"> Zur Lücken standen russische Soldaten, welche bei den malerisch zusammen¬<lb/>
gelegten und übereinandergelegten Waffen Wache hielten. Das war eine Samm-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_45" place="foot"> So genannt nach dem General Golotvin, ehemaligem Overl'efchlLhal'er im Kau¬<lb/>
kasus. Mehrere der oben angeführten Festungen Häven ihre Namen von kaukasischen Gene¬<lb/>
rälen erhalte», wie z. B. Kasarew, WeljaminowSkoje u. s. in.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0381] richten könnten, als sie bis dahin dnrch Waffengewalt gegen eine wohldisciplinirte Uebermacht zu thun im Stande gewesen waren. Die Russen ihrerseits waren entzückt, sich auf eine Zeitlang vor feindlichen Überfällen gesichert zu wissen und statt des Schwertes die Zunge zu rühren. Aller Orten und Enden begannen die mit orientalischer Weitschweifigkeit geführten Unterhandlungen. Ju der Nahe der Festung Golowinskoje") hatten schon einige Tage vor unserer Ankunft tschcrkessische Reiter ihr Lager aufgeschlagen, an die Landung des Kriegödampferö, welcher deu commandirenden General an Bord führte, abzu¬ warten und dann ihren Landsleuten sogleich Kunde davon zu geben. Morgens um 8 Uhr liefen wir in deu Hafen von Gvlvwinskvje ein, und Nachmittags um 2 Uhr war auch schou eine stattliche Versammlung tscherkessifcher Häuptlinge und Mullah's mit großem Gefolge angekommen. Ehe die eigentlichen Verhandlungen begannen, wurde Botschaft entsendet, um die Bedingungen festzustellen, nnter welchen die Zusammenkunft stattfinden sollte. Man vereinbarte sich über folgende Punkte: Erstens: der Schauplatz der Conferenz sollte sein außerhalb des Schußbereichs der russischen Festuugskauoueu. Zweitens: die Zahl der anwesenden Tscherkessen sollte diejenige der anwesenden Russen nicht übertreffen; für den Fall, daß sich außerhalb des zur Versammlung bestimmten Kreises noch irgendwo in der Gegend Tscherkessen blicken ließen, sollte von der Festuugsbesatzuug daraus geschossen werden. Drittens: Die Tscherkessen sollten ihre Waffen während der Dauer der Unterhandlung ablegen und der Obhut russischer Soldaten anvertrauen; uur deu wortsührenden Häuptlingen wurde ge¬ stattet, ihre Pistolen im Gürtel zu behalten. Hierauf begab sich der General mit seinem glänzenden Gefolge nach dem be¬ zeichneten Platze, wo die Tscherkessen bereits versammelt waren. Ein von schwellendem Nasen überkleideter Thalkessel, umragt von dicht be¬ waldeten Bergen, welche nach Osten eine entzückende Aussicht in das innere, von der kräftigsten Vegetation strotzende Land offen ließen — war der Schau¬ platz des kriegerischen Bildes, welches sich vor uns entrollte. Etwa ein Dutzend Stühle wurden halbmondförmig aufgestellt, daraus die vornehmsten Häuptlinge und Mullah's Platz nahmen, während die übrigen Tscher¬ kessen theils nachlässig ausgestreckt auf dem Rasen lagen, theils rechts in einiger Entfernung bei den Pferden standen. Zur Lücken standen russische Soldaten, welche bei den malerisch zusammen¬ gelegten und übereinandergelegten Waffen Wache hielten. Das war eine Samm- So genannt nach dem General Golotvin, ehemaligem Overl'efchlLhal'er im Kau¬ kasus. Mehrere der oben angeführten Festungen Häven ihre Namen von kaukasischen Gene¬ rälen erhalte», wie z. B. Kasarew, WeljaminowSkoje u. s. in.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/381
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/381>, abgerufen am 27.07.2024.