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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Drängen, ein förmlicher Wetteifer unter ihnen entstand, nach Trapezunt oder
Konstantinopel eingeschifft und einem Pascha oder Bester anverkauft zu werden.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ein solches Verhältniß nicht
den zarten Anforderungen entspricht, welche wir an eheliches Beisammenleben zu
stellen gewohnt sind; aber bemerkt muß hier werden, daß man im Orient auch
nicht jene ehelichen Rohheiten findet, welche bei uns so mancher armen Frau das
Haus zur Hölle macheu. Genießt im Orient die Frau nicht jene hohe Achtung
nud Verehrung, wie solche aus den deutschen Wäldern hervorgegangen und in
England ihren höchsten Ausdruck gefunden, so wird sie doch niemals jener rohen
Behandlung unterworfen, die bei uns nicht zu deu seltensten Vorkommnissen ge¬
hört. Der Moslem ist zu stolz, um ein Weib zu mißhandeln; er kennt nicht
jenen feigen Philistermnth, der sich uur innerhalb seiner vier Pfähle äußert und
ein wehrloses Weib das entgelten läßt, was die Welt in ihm Schlimmes erzeugt.
Mißfällt einem türkischen Großen a"f die Dauer seiue Auserwählte, so nimmt
er sich eine Andere, und entläßt die Erste mit Geschenken, oder sorgt anderweitig
für ihr Unterkommen. Es ist das ein Gebot des Koran und der Menschlichkeit,
welches fast nie übertreten wird.

Bei dieser Gewißheit, ihre Töchter (uach der landesthümlichen Anschauungs¬
weise) gut versorgt zu sehen, stellen die Eltern ihnen nicht uur keine Schwierig¬
keiten entgegen, sondern sorgen selbst nach Kräften für ihr Unterkommen in ein Harem.

Ich habe nie gehört, daß hier zu Lande ein Vater seine Tochter, ein Bruder
seine Schwester gezwungen habe, ihr Schicksal der Barke eines Sklavenhändlers
anzuvertrauen; wenn aber die Mädchen selbst Gelüste der Art hegen, so wird
der Kaufpreis für die schönen Aufwärterinnen den Angehörigen zur Verbesserung
ihrer eigenen dürftigen Häuslichkeit allezeit willkommen sein.

Bekanntlich suchen die Russen, sowohl in den ihnen unterworfenen, wie in
den feindlichen kaukasischen Ländern, der Menschenansfuhr alle möglichen Schran¬
ken zu'setzen; in wieweit dieses aber aus sittlichen oder christlichen Gründen ge¬
schieht, dürfte leicht festzustellen sein, wenn man weiß, daß ein gutes karabagh'sches
Pferd, uach dem üblichen Geldwert!)" berechnet, in Rußland nicht zwei, sondern
sechs Mädchen aufwiegt. --

Wir fahren jetzt in unserer Erzählung fort.

Ich bedeutete Giorgi, daß aus dem Handel nichts werden könne, und gab
ihm dasür die einzigen Gründe an, welche in seinen Augen Gewicht haben konnten,
nämlich: daß es mit meiner Baarschaft stark ans die Neige gehe, so daß meine
Reisemittel bis Odessa kaum für uns beide ausreichen würden, wenn wir spar¬
sam lebten, geschweige denn, wenn wir ein paar Mädchen, die doch vor Allem
reich ausgeputzt werden müßten, in unserm Gefolge führten.

Ferner stellte ich ihm die Gefahren vor, welche uns von den Russen drohten,
wenn wir es versuchten, die Mädchen auf türkisches Gebiet zu schaffen.


Drängen, ein förmlicher Wetteifer unter ihnen entstand, nach Trapezunt oder
Konstantinopel eingeschifft und einem Pascha oder Bester anverkauft zu werden.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ein solches Verhältniß nicht
den zarten Anforderungen entspricht, welche wir an eheliches Beisammenleben zu
stellen gewohnt sind; aber bemerkt muß hier werden, daß man im Orient auch
nicht jene ehelichen Rohheiten findet, welche bei uns so mancher armen Frau das
Haus zur Hölle macheu. Genießt im Orient die Frau nicht jene hohe Achtung
nud Verehrung, wie solche aus den deutschen Wäldern hervorgegangen und in
England ihren höchsten Ausdruck gefunden, so wird sie doch niemals jener rohen
Behandlung unterworfen, die bei uns nicht zu deu seltensten Vorkommnissen ge¬
hört. Der Moslem ist zu stolz, um ein Weib zu mißhandeln; er kennt nicht
jenen feigen Philistermnth, der sich uur innerhalb seiner vier Pfähle äußert und
ein wehrloses Weib das entgelten läßt, was die Welt in ihm Schlimmes erzeugt.
Mißfällt einem türkischen Großen a»f die Dauer seiue Auserwählte, so nimmt
er sich eine Andere, und entläßt die Erste mit Geschenken, oder sorgt anderweitig
für ihr Unterkommen. Es ist das ein Gebot des Koran und der Menschlichkeit,
welches fast nie übertreten wird.

Bei dieser Gewißheit, ihre Töchter (uach der landesthümlichen Anschauungs¬
weise) gut versorgt zu sehen, stellen die Eltern ihnen nicht uur keine Schwierig¬
keiten entgegen, sondern sorgen selbst nach Kräften für ihr Unterkommen in ein Harem.

Ich habe nie gehört, daß hier zu Lande ein Vater seine Tochter, ein Bruder
seine Schwester gezwungen habe, ihr Schicksal der Barke eines Sklavenhändlers
anzuvertrauen; wenn aber die Mädchen selbst Gelüste der Art hegen, so wird
der Kaufpreis für die schönen Aufwärterinnen den Angehörigen zur Verbesserung
ihrer eigenen dürftigen Häuslichkeit allezeit willkommen sein.

Bekanntlich suchen die Russen, sowohl in den ihnen unterworfenen, wie in
den feindlichen kaukasischen Ländern, der Menschenansfuhr alle möglichen Schran¬
ken zu'setzen; in wieweit dieses aber aus sittlichen oder christlichen Gründen ge¬
schieht, dürfte leicht festzustellen sein, wenn man weiß, daß ein gutes karabagh'sches
Pferd, uach dem üblichen Geldwert!)« berechnet, in Rußland nicht zwei, sondern
sechs Mädchen aufwiegt. —

Wir fahren jetzt in unserer Erzählung fort.

Ich bedeutete Giorgi, daß aus dem Handel nichts werden könne, und gab
ihm dasür die einzigen Gründe an, welche in seinen Augen Gewicht haben konnten,
nämlich: daß es mit meiner Baarschaft stark ans die Neige gehe, so daß meine
Reisemittel bis Odessa kaum für uns beide ausreichen würden, wenn wir spar¬
sam lebten, geschweige denn, wenn wir ein paar Mädchen, die doch vor Allem
reich ausgeputzt werden müßten, in unserm Gefolge führten.

Ferner stellte ich ihm die Gefahren vor, welche uns von den Russen drohten,
wenn wir es versuchten, die Mädchen auf türkisches Gebiet zu schaffen.


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[0262] Drängen, ein förmlicher Wetteifer unter ihnen entstand, nach Trapezunt oder Konstantinopel eingeschifft und einem Pascha oder Bester anverkauft zu werden. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ein solches Verhältniß nicht den zarten Anforderungen entspricht, welche wir an eheliches Beisammenleben zu stellen gewohnt sind; aber bemerkt muß hier werden, daß man im Orient auch nicht jene ehelichen Rohheiten findet, welche bei uns so mancher armen Frau das Haus zur Hölle macheu. Genießt im Orient die Frau nicht jene hohe Achtung nud Verehrung, wie solche aus den deutschen Wäldern hervorgegangen und in England ihren höchsten Ausdruck gefunden, so wird sie doch niemals jener rohen Behandlung unterworfen, die bei uns nicht zu deu seltensten Vorkommnissen ge¬ hört. Der Moslem ist zu stolz, um ein Weib zu mißhandeln; er kennt nicht jenen feigen Philistermnth, der sich uur innerhalb seiner vier Pfähle äußert und ein wehrloses Weib das entgelten läßt, was die Welt in ihm Schlimmes erzeugt. Mißfällt einem türkischen Großen a»f die Dauer seiue Auserwählte, so nimmt er sich eine Andere, und entläßt die Erste mit Geschenken, oder sorgt anderweitig für ihr Unterkommen. Es ist das ein Gebot des Koran und der Menschlichkeit, welches fast nie übertreten wird. Bei dieser Gewißheit, ihre Töchter (uach der landesthümlichen Anschauungs¬ weise) gut versorgt zu sehen, stellen die Eltern ihnen nicht uur keine Schwierig¬ keiten entgegen, sondern sorgen selbst nach Kräften für ihr Unterkommen in ein Harem. Ich habe nie gehört, daß hier zu Lande ein Vater seine Tochter, ein Bruder seine Schwester gezwungen habe, ihr Schicksal der Barke eines Sklavenhändlers anzuvertrauen; wenn aber die Mädchen selbst Gelüste der Art hegen, so wird der Kaufpreis für die schönen Aufwärterinnen den Angehörigen zur Verbesserung ihrer eigenen dürftigen Häuslichkeit allezeit willkommen sein. Bekanntlich suchen die Russen, sowohl in den ihnen unterworfenen, wie in den feindlichen kaukasischen Ländern, der Menschenansfuhr alle möglichen Schran¬ ken zu'setzen; in wieweit dieses aber aus sittlichen oder christlichen Gründen ge¬ schieht, dürfte leicht festzustellen sein, wenn man weiß, daß ein gutes karabagh'sches Pferd, uach dem üblichen Geldwert!)« berechnet, in Rußland nicht zwei, sondern sechs Mädchen aufwiegt. — Wir fahren jetzt in unserer Erzählung fort. Ich bedeutete Giorgi, daß aus dem Handel nichts werden könne, und gab ihm dasür die einzigen Gründe an, welche in seinen Augen Gewicht haben konnten, nämlich: daß es mit meiner Baarschaft stark ans die Neige gehe, so daß meine Reisemittel bis Odessa kaum für uns beide ausreichen würden, wenn wir spar¬ sam lebten, geschweige denn, wenn wir ein paar Mädchen, die doch vor Allem reich ausgeputzt werden müßten, in unserm Gefolge führten. Ferner stellte ich ihm die Gefahren vor, welche uns von den Russen drohten, wenn wir es versuchten, die Mädchen auf türkisches Gebiet zu schaffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/262>, abgerufen am 01.09.2024.