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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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welchem ich Giorgi beauftragt hatte, sich nach einem Käufer umzusehen, kam
der verschmitzte Armenier zu mir in's Zimmer, wo ich eben in Nachdenken ver¬
sunken auf meinem Teppich lag, und sagte:

"Aga, ich habe meinen Mann gefunden, und krönt Main so Gott will!
werden Sie mit dem Kaufpreise zufrieden sein."

"Wer ist der Käufer?" fragte ich.

-- "Unser Kunak (Gastfreund)" -- antwortete Giorgi.

"volu! (dummer Kerl!)" rief ich und fuhr ärgerlich mit der Hand über die
Stirne, denn einen unangenehmem Käufer als unfern Gastfreund hätte Giorgi
mir nicht bringen können. Nach astatischen Brauche mußte ich ihm das Pferd
entweder ganz schenken, oder es ihm wenigstens für ein Spottgeld überlassen.

Giorgi suchte mich zu besänftigen. Er habe ja an nichts weniger gedacht,
als gegen meinen Vortheil zu handeln. In diesem Lande, wo die Leute sell'se
so wenig zu verschenken hätten und Fremde eben so selten wären wie Geld, seien
sie auch nicht eben verwöhnt mit Geschenken und man brauche es hier mit dem
alten "vu KöNanersln" (dieses gefällt mir) und "bissen" (so nimm es!) so
genau nicht zu nehmen.

"Was will der Kunak denn geben für das Pferd?" unterbrach ich Giorgi.

Sein Gesicht verzog sich zu einem triumphirenden Lächeln, und mich mit
schlauen Blicken fixirend, antwortete er: "Nino!"

"Kerl! bist Du des Teufels?" entgegnete ich heftig.

Er ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen. Mit immer sieggcwisserm
Ausdruck im Gesichte fuhr er fort: "Glauben Sie denn, ich hätte gleich zugeschla¬
gen, Aga? Bin ich ein Kaöwiucr, der seinen Esel verliert und Gott dankt, daß
er nicht selbst mit verloren gegangen? Ilamcln Mink! Lob sei Gott! das bin
ich nicht! Ich habe gesagt zum Kunak: Freund! Hab' ich gesagt, für wen hältst
Dn. meinen Herrn, daß Du glaubst, er werde dieses Pferd weggeben für Nino?
Wenn mein Herr sein Pferd verkauft, so muß er mindestens beide Mädchen dafür
haben, Nino und Thamar! Wohlgemerkt, Aga, mindestens beide Mädchen!
Er hat noch nicht zugeschlagen, aber ich will kein Adam (Mensch) bleiben, ich
will ein Grauthier werden, wenn Sie nicht beide Mädchen bekommen für dieses
Roß. Was sagen Sie nnn, Aga?" setzte Giorgi schmunzelnd hinzu.

Ich unterlasse es, die Gefühle zu schildern, welche der Antrag des schnurri¬
gen Kauzes in nur hervorrief.

Ein Reisender, der seine Erstlingsstndien der Menschen- und Völkerkunde in
Rußland gemacht, wo das Schicksal vieler Millionen Menschen verschiedenster
Race, Sitte und Bildung von dem Willen eines Einzigen abhängt, und der
weiße Sklavenhandel nicht zu den schlimmsten Vorkommnissen des Tages gehört,
findet es natürlich weniger überraschend, als es der Mehrzahl der freundlichen


welchem ich Giorgi beauftragt hatte, sich nach einem Käufer umzusehen, kam
der verschmitzte Armenier zu mir in's Zimmer, wo ich eben in Nachdenken ver¬
sunken auf meinem Teppich lag, und sagte:

„Aga, ich habe meinen Mann gefunden, und krönt Main so Gott will!
werden Sie mit dem Kaufpreise zufrieden sein."

„Wer ist der Käufer?" fragte ich.

— „Unser Kunak (Gastfreund)" — antwortete Giorgi.

„volu! (dummer Kerl!)" rief ich und fuhr ärgerlich mit der Hand über die
Stirne, denn einen unangenehmem Käufer als unfern Gastfreund hätte Giorgi
mir nicht bringen können. Nach astatischen Brauche mußte ich ihm das Pferd
entweder ganz schenken, oder es ihm wenigstens für ein Spottgeld überlassen.

Giorgi suchte mich zu besänftigen. Er habe ja an nichts weniger gedacht,
als gegen meinen Vortheil zu handeln. In diesem Lande, wo die Leute sell'se
so wenig zu verschenken hätten und Fremde eben so selten wären wie Geld, seien
sie auch nicht eben verwöhnt mit Geschenken und man brauche es hier mit dem
alten „vu KöNanersln" (dieses gefällt mir) und „bissen" (so nimm es!) so
genau nicht zu nehmen.

„Was will der Kunak denn geben für das Pferd?" unterbrach ich Giorgi.

Sein Gesicht verzog sich zu einem triumphirenden Lächeln, und mich mit
schlauen Blicken fixirend, antwortete er: „Nino!"

„Kerl! bist Du des Teufels?" entgegnete ich heftig.

Er ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen. Mit immer sieggcwisserm
Ausdruck im Gesichte fuhr er fort: „Glauben Sie denn, ich hätte gleich zugeschla¬
gen, Aga? Bin ich ein Kaöwiucr, der seinen Esel verliert und Gott dankt, daß
er nicht selbst mit verloren gegangen? Ilamcln Mink! Lob sei Gott! das bin
ich nicht! Ich habe gesagt zum Kunak: Freund! Hab' ich gesagt, für wen hältst
Dn. meinen Herrn, daß Du glaubst, er werde dieses Pferd weggeben für Nino?
Wenn mein Herr sein Pferd verkauft, so muß er mindestens beide Mädchen dafür
haben, Nino und Thamar! Wohlgemerkt, Aga, mindestens beide Mädchen!
Er hat noch nicht zugeschlagen, aber ich will kein Adam (Mensch) bleiben, ich
will ein Grauthier werden, wenn Sie nicht beide Mädchen bekommen für dieses
Roß. Was sagen Sie nnn, Aga?" setzte Giorgi schmunzelnd hinzu.

Ich unterlasse es, die Gefühle zu schildern, welche der Antrag des schnurri¬
gen Kauzes in nur hervorrief.

Ein Reisender, der seine Erstlingsstndien der Menschen- und Völkerkunde in
Rußland gemacht, wo das Schicksal vieler Millionen Menschen verschiedenster
Race, Sitte und Bildung von dem Willen eines Einzigen abhängt, und der
weiße Sklavenhandel nicht zu den schlimmsten Vorkommnissen des Tages gehört,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/260>, abgerufen am 27.07.2024.