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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sich Nözsa an den Szegediuer Magistrat um Amnestie, indem er sich antrug sein
dem Gesetz verfallenes Leben dem Vaterlande widmen zu wollen, der Magistrat
schickte das Gesuch an die Regierung, diese billigte das Verlangen und Nozsa
zog mit seinen 120 wohlberittenen und starkbewaffneten lögvn^et gegen
die Ranzen als gegen seinesgleichen, wo er anch wirklich treffliche Dienste that und
sich besonders bei dem Gefecht von Lagerndorf im Banat, wo er persönlich 12
Feinde erlegt haben soll, auszeichnete.

Die Katastrophe von Vilagos hat den in Feiudcsblut reingewaschenen Sün¬
der zu seinem alten Handwerk zurückgeführt, und die immerwährenden Assentirun-
gen füllten bald seine durch den Krieg gelichteten Reihen. Noch täglich Hort man
es von den Eltern entwichener Honveds, die vom Militärcommandv aufgefordert
werden ihre Söhne zu stellen, mit thränenden Angen erzählen, wie diese Haus
und Hof verließen und zu Rözsa sartor gingen, indem sie lieber Räuber als
kaiserliche Soldaten sein wollen. Dieser Umstand und die großartigen Viehraub¬
fälle, welche in letzterer Zeit wieder vorfielen, veranlaßten das Militärcommaudo
mit den in der Gegend von Szegedin gelegenen Ortschaften eine Expedition zur
Aushebung dieser gefährlichen Rotte, "die", wie ein k. k. Offizier dieser Tage
ganz naiv äußerte, "schon deßwegen den Tod verdienen, weil sie es wagen,
während des Belagerungszustandes Waffen zu tragen," auszusenden. Eine Com-
pagnie bis zum Kinn bewaffneter Infanterie, eine halbe Escadron Chevauxlegers
und gegen 1(10 reitender Panduren ans Szegedin, Vüs^rhely, Csongräd, SzenteS
und a. O. begaben sich auf die Tanya**), wo man nach sichern Nachrichten den
Vogel einzusaugen hoffte, und es wurden alle möglichen Anstalten gemacht, um
das Haus von allen Seiten zu cerniren, doch so, daß man in dem Hause selbst
nichts davon wahrnehmen soll; dann wurde ein Pandur zu dem Hause geschickt,
um sich von der Anwesenheit oder Nichtanwesenhcit des Gesuchten zu überzeugen.
Dieß konnte der Pandur ohne alle Gefahr thun, denn Nözsa ist ein sehr zugäng¬
licher Mann, der sich so oft mit den Panduren unterhält, ja viele in seinem Solde
hat. Der Pandur trat also zum Fenster, klopfte an und fragte ein Mädchen,
welches an demselben erschien, nach dem Räuber. "Ich will ihn aus der Hin-
terstube holen," sagte das Mädchen, und entfernte sich, allein sie blieb länger,
als- es dein Panduren nöthig schien, außen, er klopfte also bald wieder und frug,
ob er den Rözsa bald sprechen konnte. "Ja, lieber Käe8i (Vetter)," sagte das
Mädchen, "aber gestern hat er sich ein Räuschchen getrunken und ich kann ihn
noch heute nicht ans die Beine bringen." Dem Panduren hüpfte das Herz vor
Freude, er ritt sogleich zum Kommandanten der Expedition, und meldete ihm,
daß man den berauschten Räuber sehr leicht würde einfangen können; sogleich wurde




*) Wirtschaftsgebäuden auf der Pußta, gewöhnlich der Lieblingssitz von Wegelagerern.
**) "Arme Gesellen", der gewöhnliche Name für Viehdiebe.
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sich Nözsa an den Szegediuer Magistrat um Amnestie, indem er sich antrug sein
dem Gesetz verfallenes Leben dem Vaterlande widmen zu wollen, der Magistrat
schickte das Gesuch an die Regierung, diese billigte das Verlangen und Nozsa
zog mit seinen 120 wohlberittenen und starkbewaffneten lögvn^et gegen
die Ranzen als gegen seinesgleichen, wo er anch wirklich treffliche Dienste that und
sich besonders bei dem Gefecht von Lagerndorf im Banat, wo er persönlich 12
Feinde erlegt haben soll, auszeichnete.

Die Katastrophe von Vilagos hat den in Feiudcsblut reingewaschenen Sün¬
der zu seinem alten Handwerk zurückgeführt, und die immerwährenden Assentirun-
gen füllten bald seine durch den Krieg gelichteten Reihen. Noch täglich Hort man
es von den Eltern entwichener Honveds, die vom Militärcommandv aufgefordert
werden ihre Söhne zu stellen, mit thränenden Angen erzählen, wie diese Haus
und Hof verließen und zu Rözsa sartor gingen, indem sie lieber Räuber als
kaiserliche Soldaten sein wollen. Dieser Umstand und die großartigen Viehraub¬
fälle, welche in letzterer Zeit wieder vorfielen, veranlaßten das Militärcommaudo
mit den in der Gegend von Szegedin gelegenen Ortschaften eine Expedition zur
Aushebung dieser gefährlichen Rotte, „die", wie ein k. k. Offizier dieser Tage
ganz naiv äußerte, „schon deßwegen den Tod verdienen, weil sie es wagen,
während des Belagerungszustandes Waffen zu tragen," auszusenden. Eine Com-
pagnie bis zum Kinn bewaffneter Infanterie, eine halbe Escadron Chevauxlegers
und gegen 1(10 reitender Panduren ans Szegedin, Vüs^rhely, Csongräd, SzenteS
und a. O. begaben sich auf die Tanya**), wo man nach sichern Nachrichten den
Vogel einzusaugen hoffte, und es wurden alle möglichen Anstalten gemacht, um
das Haus von allen Seiten zu cerniren, doch so, daß man in dem Hause selbst
nichts davon wahrnehmen soll; dann wurde ein Pandur zu dem Hause geschickt,
um sich von der Anwesenheit oder Nichtanwesenhcit des Gesuchten zu überzeugen.
Dieß konnte der Pandur ohne alle Gefahr thun, denn Nözsa ist ein sehr zugäng¬
licher Mann, der sich so oft mit den Panduren unterhält, ja viele in seinem Solde
hat. Der Pandur trat also zum Fenster, klopfte an und fragte ein Mädchen,
welches an demselben erschien, nach dem Räuber. „Ich will ihn aus der Hin-
terstube holen," sagte das Mädchen, und entfernte sich, allein sie blieb länger,
als- es dein Panduren nöthig schien, außen, er klopfte also bald wieder und frug,
ob er den Rözsa bald sprechen konnte. „Ja, lieber Käe8i (Vetter)," sagte das
Mädchen, „aber gestern hat er sich ein Räuschchen getrunken und ich kann ihn
noch heute nicht ans die Beine bringen." Dem Panduren hüpfte das Herz vor
Freude, er ritt sogleich zum Kommandanten der Expedition, und meldete ihm,
daß man den berauschten Räuber sehr leicht würde einfangen können; sogleich wurde




*) Wirtschaftsgebäuden auf der Pußta, gewöhnlich der Lieblingssitz von Wegelagerern.
**) „Arme Gesellen", der gewöhnliche Name für Viehdiebe.
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[0203] sich Nözsa an den Szegediuer Magistrat um Amnestie, indem er sich antrug sein dem Gesetz verfallenes Leben dem Vaterlande widmen zu wollen, der Magistrat schickte das Gesuch an die Regierung, diese billigte das Verlangen und Nozsa zog mit seinen 120 wohlberittenen und starkbewaffneten lögvn^et gegen die Ranzen als gegen seinesgleichen, wo er anch wirklich treffliche Dienste that und sich besonders bei dem Gefecht von Lagerndorf im Banat, wo er persönlich 12 Feinde erlegt haben soll, auszeichnete. Die Katastrophe von Vilagos hat den in Feiudcsblut reingewaschenen Sün¬ der zu seinem alten Handwerk zurückgeführt, und die immerwährenden Assentirun- gen füllten bald seine durch den Krieg gelichteten Reihen. Noch täglich Hort man es von den Eltern entwichener Honveds, die vom Militärcommandv aufgefordert werden ihre Söhne zu stellen, mit thränenden Angen erzählen, wie diese Haus und Hof verließen und zu Rözsa sartor gingen, indem sie lieber Räuber als kaiserliche Soldaten sein wollen. Dieser Umstand und die großartigen Viehraub¬ fälle, welche in letzterer Zeit wieder vorfielen, veranlaßten das Militärcommaudo mit den in der Gegend von Szegedin gelegenen Ortschaften eine Expedition zur Aushebung dieser gefährlichen Rotte, „die", wie ein k. k. Offizier dieser Tage ganz naiv äußerte, „schon deßwegen den Tod verdienen, weil sie es wagen, während des Belagerungszustandes Waffen zu tragen," auszusenden. Eine Com- pagnie bis zum Kinn bewaffneter Infanterie, eine halbe Escadron Chevauxlegers und gegen 1(10 reitender Panduren ans Szegedin, Vüs^rhely, Csongräd, SzenteS und a. O. begaben sich auf die Tanya**), wo man nach sichern Nachrichten den Vogel einzusaugen hoffte, und es wurden alle möglichen Anstalten gemacht, um das Haus von allen Seiten zu cerniren, doch so, daß man in dem Hause selbst nichts davon wahrnehmen soll; dann wurde ein Pandur zu dem Hause geschickt, um sich von der Anwesenheit oder Nichtanwesenhcit des Gesuchten zu überzeugen. Dieß konnte der Pandur ohne alle Gefahr thun, denn Nözsa ist ein sehr zugäng¬ licher Mann, der sich so oft mit den Panduren unterhält, ja viele in seinem Solde hat. Der Pandur trat also zum Fenster, klopfte an und fragte ein Mädchen, welches an demselben erschien, nach dem Räuber. „Ich will ihn aus der Hin- terstube holen," sagte das Mädchen, und entfernte sich, allein sie blieb länger, als- es dein Panduren nöthig schien, außen, er klopfte also bald wieder und frug, ob er den Rözsa bald sprechen konnte. „Ja, lieber Käe8i (Vetter)," sagte das Mädchen, „aber gestern hat er sich ein Räuschchen getrunken und ich kann ihn noch heute nicht ans die Beine bringen." Dem Panduren hüpfte das Herz vor Freude, er ritt sogleich zum Kommandanten der Expedition, und meldete ihm, daß man den berauschten Räuber sehr leicht würde einfangen können; sogleich wurde *) Wirtschaftsgebäuden auf der Pußta, gewöhnlich der Lieblingssitz von Wegelagerern. **) „Arme Gesellen", der gewöhnliche Name für Viehdiebe. 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/203>, abgerufen am 27.07.2024.