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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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von Offizieren so besetzt sind, daß man oft nur mit Mühe ein Bett in einer
schlechten Kammer und einen Platz am Tische erhält. Auch die Paßvorschrifleu
sind seit einem Jahre außerordentlich wieder geschärft, und man hat hierin bis¬
weilen eine Menge Schwierigkeiten zu bestehen, die in den schweizerischen und baie-
rischen Alpen kein Mensch mehr kennt.




.Hayna" und das Ministerium.

Bezeichnend für östreichische Zustände ist der Effekt; welchen Hayuau'S Ent¬
setzung in verschiedenen Richtungen hervorgebracht hat. Die genirte Lage der
Presse macht dieser ein vollkommen freies Urtheil über die Sache nicht wohl
möglich, und gefährlich wäre es, einen würdigen Nekrolog des bürgerlich todten
Feldherrn Hahnan zu schreiben, da man sich unter Säbelcensnr befindet.

Daß die Differenzen zwischen dem Diktator Ungarns, und dem Ministerium
der starken Regierung schon seit lange her datiren, darüber waren Einge¬
weihte einig; schon vor dem blutigen Anniversarium des 6. October begannen
sie, doch war damals das Ministerium der starken Regierung noch viel zu schwach,
das große ^uto to in Arad und Pesth zu verhindern. Obwohl von Wien
die befehlende Bitte an den Diktator ergangen, die Hinrichtungen nicht zu voll¬
ziehen, so wollte sich dieser das Nachefest nicht verderben lassen und hat sich nach¬
träglich gegen seine Umgebung triumphirend geäußert, die dreizehn Schufte
habe er doch glücklich noch für sich, d. h. für den Nachrichter, heraus¬
gerissen; daß diese dreizehn, Bathiany, Leiningen, Pöltenberg, Torsk n. s. w.
mit Görgeh den Russen und nicht Herrn v. Haynau die Waffen gestreckt, das
sollten sie eigentlich mit dem Leben büßen; daß sich Rußland für sie verwendet,
bestimmte das Ministerium, obwohl vergebens, für sie die Fürbitte einzubringen, welche
schon deshalb ohne Erfolg bleiben mochte, weil Ministerpräsident Schwarzenberg nur
als Feldmarschalllieutenant, Haynau aber als Feldzeugmeisterin der Armee rangirt, und
diese den Constitutionalismus nur nach der Rangliste auffaßt. Wie man dem Diktator
allmälig und mühsam die unbarmherzig afsentirten Honved'S und Nationalgarten
abgerungen, wie man mit ihm wegen der mittelalterlichen Judcncontribntion
hernmgcnergelt, ließ keinen Zweifel darüber übrig, daß Hahnan das Ministerium
nicht als die über ihm stehende Potenz anerkannte, und in dieser Haltung allen
übrigen militärischen Machthaber!! als ein willig nachzuahmendes Exempel voran¬
leuchtete, daß sich das Ministerium ermannt hat, daß es die Wälle durchbrach,


von Offizieren so besetzt sind, daß man oft nur mit Mühe ein Bett in einer
schlechten Kammer und einen Platz am Tische erhält. Auch die Paßvorschrifleu
sind seit einem Jahre außerordentlich wieder geschärft, und man hat hierin bis¬
weilen eine Menge Schwierigkeiten zu bestehen, die in den schweizerischen und baie-
rischen Alpen kein Mensch mehr kennt.




.Hayna« und das Ministerium.

Bezeichnend für östreichische Zustände ist der Effekt; welchen Hayuau'S Ent¬
setzung in verschiedenen Richtungen hervorgebracht hat. Die genirte Lage der
Presse macht dieser ein vollkommen freies Urtheil über die Sache nicht wohl
möglich, und gefährlich wäre es, einen würdigen Nekrolog des bürgerlich todten
Feldherrn Hahnan zu schreiben, da man sich unter Säbelcensnr befindet.

Daß die Differenzen zwischen dem Diktator Ungarns, und dem Ministerium
der starken Regierung schon seit lange her datiren, darüber waren Einge¬
weihte einig; schon vor dem blutigen Anniversarium des 6. October begannen
sie, doch war damals das Ministerium der starken Regierung noch viel zu schwach,
das große ^uto to in Arad und Pesth zu verhindern. Obwohl von Wien
die befehlende Bitte an den Diktator ergangen, die Hinrichtungen nicht zu voll¬
ziehen, so wollte sich dieser das Nachefest nicht verderben lassen und hat sich nach¬
träglich gegen seine Umgebung triumphirend geäußert, die dreizehn Schufte
habe er doch glücklich noch für sich, d. h. für den Nachrichter, heraus¬
gerissen; daß diese dreizehn, Bathiany, Leiningen, Pöltenberg, Torsk n. s. w.
mit Görgeh den Russen und nicht Herrn v. Haynau die Waffen gestreckt, das
sollten sie eigentlich mit dem Leben büßen; daß sich Rußland für sie verwendet,
bestimmte das Ministerium, obwohl vergebens, für sie die Fürbitte einzubringen, welche
schon deshalb ohne Erfolg bleiben mochte, weil Ministerpräsident Schwarzenberg nur
als Feldmarschalllieutenant, Haynau aber als Feldzeugmeisterin der Armee rangirt, und
diese den Constitutionalismus nur nach der Rangliste auffaßt. Wie man dem Diktator
allmälig und mühsam die unbarmherzig afsentirten Honved'S und Nationalgarten
abgerungen, wie man mit ihm wegen der mittelalterlichen Judcncontribntion
hernmgcnergelt, ließ keinen Zweifel darüber übrig, daß Hahnan das Ministerium
nicht als die über ihm stehende Potenz anerkannte, und in dieser Haltung allen
übrigen militärischen Machthaber!! als ein willig nachzuahmendes Exempel voran¬
leuchtete, daß sich das Ministerium ermannt hat, daß es die Wälle durchbrach,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/198>, abgerufen am 27.07.2024.