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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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dcsfoetus sein letztes Wort gesprochen hat, aber seit es ihm gelang, durch Ueber-
rumpelung der ganz unbesetzten Insel Feuern seinen Arm um das östliche Holstein
zu strecken, kapert der Dauebrog holsteinische Schiffe, wo er sie findet; er ver¬
schmäht es sogar uicht, holsteinische Fischernachcu zu nehmen und arme Stcin-
schlepper, die an der Küste hinkriechend einen sauern Tagelohn verdienen, sammt
ihren kleinen Booten in die Gefangenschaft zu führen. Die Statthalterschaft be¬
schloß daher Repressalie" zu ergreifen. Vor einigen Tagen begrüßte der Neustädter
Hafen ein kleines holsteinisches Schraubcudampfboot, von zwei ö^pfüudcru und
vier Drehbassen, Dreipfüudern, commandirt von Lieutenant Lange, einem gebornen
Apeurader, der einige Jahre aus der englischen Kriegsflotte als Midshipman ge¬
dient hat. Dieser niedliche Kriegsdampfer kreuzte keck bis Travemünde hin und
hing gestern früh zwei dänische Kauffahrer an sein Hintertheil. Kaum ausgelaufen,
gewann ihm der große dänische Näder-Dampfer "Geyser", 16 schwere Kanonen
stark, den Vorsprung ab und legte sich auf die hiesige Rhede. Unsere Schanzen,
die leider in diesem Augenblick so schwach besetzt siud, daß vou ihren sechs Kanonen
kaum zwei gehörig bedient werden können, feuerten vier Warnungöschüsse ab, und
der ungebetene Gast entfernte sich. Alles Volk strömte nach dem Stadthause auf
der südlichen Spitze der Landzunge, aus der Neustadt liegt, gegenüber der westli¬
chen, nach Travemünde zu gestreckten Küste; mit pochendem Herzen sah man der
Heimkehr unseres kleinen Abenteurers entgegen. Ein alter Schiffer schüttelte den
Kopf. Lüge nur aus, rief er, es kommen gleich wieder Seevögel; ein Russe ist
heut früh eilends von Travemünde nach Feuern gedampft und hat dem Damen
Bescheid gebracht! Richtig, keine halbe Stunde verging, so sah man fünf hohe
Mastspitzen um die Ecke der Landzunge schreiten; zwei davon gehörten dem Geyser,*)
der einer stattlichen, angeblich von Diercking-Holmfeldt commandirten Corvette
von 2t) Kanonen vorgespannt war und sie gegen den Nordwestwind bis an deu
Eingang der Rhede, etwa eine deutsche Meile weit von den Schanzen, bugsirte.
Geyser drehte dann um, und die Corvette legte sich mit gerefften Segeln vor
Anker. Unser Kriegsboot, das schon ziemlich nahe gewesen, sandte immer dünnere
Rauchsäulen gen Himmel, bis sie endlich ganz verschwanden; es hatte sich nach
Travemünde zurückgezogen und wartete einen günstigern Moment zur Heimkehr
ub. -Der Nachmittag verging in banger Erwartung. Regungslos wie ein Neu-
foundländer lag die Corvette vor dem Eingang der Rhede, gute Fernröhre zeigten
den Wachtposten im Mastkorb , fortwährend gegen Feuern irgend, vou wo in
abgemessenen Pausen schwache Kanonendonner klangen, vermuthlich uuheilküudeude
Signale. Da kam ein Eilbote von Travemünde; Lieutenant Lange ließ melden,
daß der Lüd'sche Lootsencommandeur alldort, uuter Berufung auf die Pflichten
der Neutralität und Androhung fremder Execution ihn nicht nur zwinge, seine



") Einige meine", es sei der "Hekla".

dcsfoetus sein letztes Wort gesprochen hat, aber seit es ihm gelang, durch Ueber-
rumpelung der ganz unbesetzten Insel Feuern seinen Arm um das östliche Holstein
zu strecken, kapert der Dauebrog holsteinische Schiffe, wo er sie findet; er ver¬
schmäht es sogar uicht, holsteinische Fischernachcu zu nehmen und arme Stcin-
schlepper, die an der Küste hinkriechend einen sauern Tagelohn verdienen, sammt
ihren kleinen Booten in die Gefangenschaft zu führen. Die Statthalterschaft be¬
schloß daher Repressalie» zu ergreifen. Vor einigen Tagen begrüßte der Neustädter
Hafen ein kleines holsteinisches Schraubcudampfboot, von zwei ö^pfüudcru und
vier Drehbassen, Dreipfüudern, commandirt von Lieutenant Lange, einem gebornen
Apeurader, der einige Jahre aus der englischen Kriegsflotte als Midshipman ge¬
dient hat. Dieser niedliche Kriegsdampfer kreuzte keck bis Travemünde hin und
hing gestern früh zwei dänische Kauffahrer an sein Hintertheil. Kaum ausgelaufen,
gewann ihm der große dänische Näder-Dampfer „Geyser", 16 schwere Kanonen
stark, den Vorsprung ab und legte sich auf die hiesige Rhede. Unsere Schanzen,
die leider in diesem Augenblick so schwach besetzt siud, daß vou ihren sechs Kanonen
kaum zwei gehörig bedient werden können, feuerten vier Warnungöschüsse ab, und
der ungebetene Gast entfernte sich. Alles Volk strömte nach dem Stadthause auf
der südlichen Spitze der Landzunge, aus der Neustadt liegt, gegenüber der westli¬
chen, nach Travemünde zu gestreckten Küste; mit pochendem Herzen sah man der
Heimkehr unseres kleinen Abenteurers entgegen. Ein alter Schiffer schüttelte den
Kopf. Lüge nur aus, rief er, es kommen gleich wieder Seevögel; ein Russe ist
heut früh eilends von Travemünde nach Feuern gedampft und hat dem Damen
Bescheid gebracht! Richtig, keine halbe Stunde verging, so sah man fünf hohe
Mastspitzen um die Ecke der Landzunge schreiten; zwei davon gehörten dem Geyser,*)
der einer stattlichen, angeblich von Diercking-Holmfeldt commandirten Corvette
von 2t) Kanonen vorgespannt war und sie gegen den Nordwestwind bis an deu
Eingang der Rhede, etwa eine deutsche Meile weit von den Schanzen, bugsirte.
Geyser drehte dann um, und die Corvette legte sich mit gerefften Segeln vor
Anker. Unser Kriegsboot, das schon ziemlich nahe gewesen, sandte immer dünnere
Rauchsäulen gen Himmel, bis sie endlich ganz verschwanden; es hatte sich nach
Travemünde zurückgezogen und wartete einen günstigern Moment zur Heimkehr
ub. -Der Nachmittag verging in banger Erwartung. Regungslos wie ein Neu-
foundländer lag die Corvette vor dem Eingang der Rhede, gute Fernröhre zeigten
den Wachtposten im Mastkorb , fortwährend gegen Feuern irgend, vou wo in
abgemessenen Pausen schwache Kanonendonner klangen, vermuthlich uuheilküudeude
Signale. Da kam ein Eilbote von Travemünde; Lieutenant Lange ließ melden,
daß der Lüd'sche Lootsencommandeur alldort, uuter Berufung auf die Pflichten
der Neutralität und Androhung fremder Execution ihn nicht nur zwinge, seine



") Einige meine», es sei der „Hekla".
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[0184] dcsfoetus sein letztes Wort gesprochen hat, aber seit es ihm gelang, durch Ueber- rumpelung der ganz unbesetzten Insel Feuern seinen Arm um das östliche Holstein zu strecken, kapert der Dauebrog holsteinische Schiffe, wo er sie findet; er ver¬ schmäht es sogar uicht, holsteinische Fischernachcu zu nehmen und arme Stcin- schlepper, die an der Küste hinkriechend einen sauern Tagelohn verdienen, sammt ihren kleinen Booten in die Gefangenschaft zu führen. Die Statthalterschaft be¬ schloß daher Repressalie» zu ergreifen. Vor einigen Tagen begrüßte der Neustädter Hafen ein kleines holsteinisches Schraubcudampfboot, von zwei ö^pfüudcru und vier Drehbassen, Dreipfüudern, commandirt von Lieutenant Lange, einem gebornen Apeurader, der einige Jahre aus der englischen Kriegsflotte als Midshipman ge¬ dient hat. Dieser niedliche Kriegsdampfer kreuzte keck bis Travemünde hin und hing gestern früh zwei dänische Kauffahrer an sein Hintertheil. Kaum ausgelaufen, gewann ihm der große dänische Näder-Dampfer „Geyser", 16 schwere Kanonen stark, den Vorsprung ab und legte sich auf die hiesige Rhede. Unsere Schanzen, die leider in diesem Augenblick so schwach besetzt siud, daß vou ihren sechs Kanonen kaum zwei gehörig bedient werden können, feuerten vier Warnungöschüsse ab, und der ungebetene Gast entfernte sich. Alles Volk strömte nach dem Stadthause auf der südlichen Spitze der Landzunge, aus der Neustadt liegt, gegenüber der westli¬ chen, nach Travemünde zu gestreckten Küste; mit pochendem Herzen sah man der Heimkehr unseres kleinen Abenteurers entgegen. Ein alter Schiffer schüttelte den Kopf. Lüge nur aus, rief er, es kommen gleich wieder Seevögel; ein Russe ist heut früh eilends von Travemünde nach Feuern gedampft und hat dem Damen Bescheid gebracht! Richtig, keine halbe Stunde verging, so sah man fünf hohe Mastspitzen um die Ecke der Landzunge schreiten; zwei davon gehörten dem Geyser,*) der einer stattlichen, angeblich von Diercking-Holmfeldt commandirten Corvette von 2t) Kanonen vorgespannt war und sie gegen den Nordwestwind bis an deu Eingang der Rhede, etwa eine deutsche Meile weit von den Schanzen, bugsirte. Geyser drehte dann um, und die Corvette legte sich mit gerefften Segeln vor Anker. Unser Kriegsboot, das schon ziemlich nahe gewesen, sandte immer dünnere Rauchsäulen gen Himmel, bis sie endlich ganz verschwanden; es hatte sich nach Travemünde zurückgezogen und wartete einen günstigern Moment zur Heimkehr ub. -Der Nachmittag verging in banger Erwartung. Regungslos wie ein Neu- foundländer lag die Corvette vor dem Eingang der Rhede, gute Fernröhre zeigten den Wachtposten im Mastkorb , fortwährend gegen Feuern irgend, vou wo in abgemessenen Pausen schwache Kanonendonner klangen, vermuthlich uuheilküudeude Signale. Da kam ein Eilbote von Travemünde; Lieutenant Lange ließ melden, daß der Lüd'sche Lootsencommandeur alldort, uuter Berufung auf die Pflichten der Neutralität und Androhung fremder Execution ihn nicht nur zwinge, seine ") Einige meine», es sei der „Hekla".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/184>, abgerufen am 27.07.2024.