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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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der Sichtbarkeit; eine Riesenschlange glaubt man in weiten Ringen blitzschnell
über das Meer stürzen zu sehen, -- ihre Fahrt ist lang beendet, ehe der Widerhall
des Geschützdonners erstorben ist. Groß war die Freude über das treffliche Zielen
der holsteinischen Artillerie, denn jeder Schuß fuhr, wenn nicht durch das kleine Segel
selbst, doch so scharf an seinen Rändern vorbei, daß er im wirklichen Kampf selbst
ein niederbordiges Kanonenboot nicht gefehlt hätte. Keine Stunde verging, so
schien aus dem heitern Spiel blutiger Ernst werden zu wollen. Alarmsignale
schrillten durch das Städtchen, und die Kanoniere liefen spornstreichs durch die
dunkeln Gassen nach der Schanze. Der Dän', der Dan' ist da! schrie das
Volk und rannte mitten im Gewitterregen nach dem Teufelsberg. Der Leucht-
thurmlootse kam schou mit Weib und Kind herein, nachdem er das Licht gelöscht.
Vom Teufelsberg ans gewahrte man, trotz der dicken trüben Sturmluft, die Mast¬
spitzen von zwei großen Kriegsschiffen und zwei Kriegsdampsern, denn es glimmten
Laternen dran und nach der Aussage des Lootsen waren viele Boote ausgesetzt.
Tage lang spukte das Gerücht von einem Einfall der Dänen, der gleichsam mit
dem erwarteten preußischen Friedensabschluß erfolgen sollte, um war heute die schwache
Garnison, ohne Aussicht auf baldigen Ersatz, abmarschirr. Wie leicht konnte der
Feind davon Wind erhalten haben, bei dem Hochwasser, das eben war, einige
hundert Mann außer dem Hafen landen, die Schanze vom Rücken angreifen und
zerstören! Neckereien mit den Kanonen von Heiligenhasen und Kiel waren schon
vorgekommen, im schleswigschen find ziemlich alle deutschen Hasenbefestigungen,
gegen Geist und Buchstaben der Waffenstillstandsbedingungcn, von den Dänen
dcmolirt worden, die Befürchtung einer improvisirten Razzia war daher nicht ganz
grundlos, und ein Theil der Bürger bewaffnete sich mit Büchsen. Jndeß ent¬
fernten sich die Dauebrogsegler nach einiger Zeit, ohne nur eine Demonstration
zu machen, dafür tönte das Horn der Abendpost, und die Hamburger Börsenhalle
brachte die telegraphische Depesche über den wirklich erfolgten Abschluß des deutsch¬
dänischen Friedens. --

Ueber den ersten Eindruck, den diese Kunde in Dänemark hervorbrachte, lassen
Sie mich deu Schooner-Schiffer Umdrehen citiren, der am 5. Juni Nyborg passirte.
Großer Jubel war im großen Belt, sagt er, die Küsten von Fünen sowohl wie
von Seeland, so weit ich sie sehen konnte, hatten Sonntag gemacht, die Schiffe
in den Häfen, die Kirchthürme der Dörfer und Städtchen am Strande flaggten,
in Nyborg taumelten Matrosen, Arbeiter, Bürger und Soldaten im siebenten
Branntweinhimmel, die Zollbeamten kamen mir mit dem gefüllten Weinglas ent¬
gegen, und der grauhaarige Zvllkammerverwalter siel mir um den Hals mit den
Worten: "Friede, es ist Friede! Jetzt können wir wieder gute Freunde sein.
Grüßen Sie mir Herrn -- So und -- So in -- Dingsda." Die Nyborger
glaubten nämlich, der Friede gelte auch deu Herzogtümer", oder hielten einen Wider¬
stand derselben für unwahrscheinlich. Der gute Umdrehen wurde aber bald ent-


der Sichtbarkeit; eine Riesenschlange glaubt man in weiten Ringen blitzschnell
über das Meer stürzen zu sehen, — ihre Fahrt ist lang beendet, ehe der Widerhall
des Geschützdonners erstorben ist. Groß war die Freude über das treffliche Zielen
der holsteinischen Artillerie, denn jeder Schuß fuhr, wenn nicht durch das kleine Segel
selbst, doch so scharf an seinen Rändern vorbei, daß er im wirklichen Kampf selbst
ein niederbordiges Kanonenboot nicht gefehlt hätte. Keine Stunde verging, so
schien aus dem heitern Spiel blutiger Ernst werden zu wollen. Alarmsignale
schrillten durch das Städtchen, und die Kanoniere liefen spornstreichs durch die
dunkeln Gassen nach der Schanze. Der Dän', der Dan' ist da! schrie das
Volk und rannte mitten im Gewitterregen nach dem Teufelsberg. Der Leucht-
thurmlootse kam schou mit Weib und Kind herein, nachdem er das Licht gelöscht.
Vom Teufelsberg ans gewahrte man, trotz der dicken trüben Sturmluft, die Mast¬
spitzen von zwei großen Kriegsschiffen und zwei Kriegsdampsern, denn es glimmten
Laternen dran und nach der Aussage des Lootsen waren viele Boote ausgesetzt.
Tage lang spukte das Gerücht von einem Einfall der Dänen, der gleichsam mit
dem erwarteten preußischen Friedensabschluß erfolgen sollte, um war heute die schwache
Garnison, ohne Aussicht auf baldigen Ersatz, abmarschirr. Wie leicht konnte der
Feind davon Wind erhalten haben, bei dem Hochwasser, das eben war, einige
hundert Mann außer dem Hafen landen, die Schanze vom Rücken angreifen und
zerstören! Neckereien mit den Kanonen von Heiligenhasen und Kiel waren schon
vorgekommen, im schleswigschen find ziemlich alle deutschen Hasenbefestigungen,
gegen Geist und Buchstaben der Waffenstillstandsbedingungcn, von den Dänen
dcmolirt worden, die Befürchtung einer improvisirten Razzia war daher nicht ganz
grundlos, und ein Theil der Bürger bewaffnete sich mit Büchsen. Jndeß ent¬
fernten sich die Dauebrogsegler nach einiger Zeit, ohne nur eine Demonstration
zu machen, dafür tönte das Horn der Abendpost, und die Hamburger Börsenhalle
brachte die telegraphische Depesche über den wirklich erfolgten Abschluß des deutsch¬
dänischen Friedens. —

Ueber den ersten Eindruck, den diese Kunde in Dänemark hervorbrachte, lassen
Sie mich deu Schooner-Schiffer Umdrehen citiren, der am 5. Juni Nyborg passirte.
Großer Jubel war im großen Belt, sagt er, die Küsten von Fünen sowohl wie
von Seeland, so weit ich sie sehen konnte, hatten Sonntag gemacht, die Schiffe
in den Häfen, die Kirchthürme der Dörfer und Städtchen am Strande flaggten,
in Nyborg taumelten Matrosen, Arbeiter, Bürger und Soldaten im siebenten
Branntweinhimmel, die Zollbeamten kamen mir mit dem gefüllten Weinglas ent¬
gegen, und der grauhaarige Zvllkammerverwalter siel mir um den Hals mit den
Worten: „Friede, es ist Friede! Jetzt können wir wieder gute Freunde sein.
Grüßen Sie mir Herrn — So und — So in — Dingsda." Die Nyborger
glaubten nämlich, der Friede gelte auch deu Herzogtümer», oder hielten einen Wider¬
stand derselben für unwahrscheinlich. Der gute Umdrehen wurde aber bald ent-


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[0149] der Sichtbarkeit; eine Riesenschlange glaubt man in weiten Ringen blitzschnell über das Meer stürzen zu sehen, — ihre Fahrt ist lang beendet, ehe der Widerhall des Geschützdonners erstorben ist. Groß war die Freude über das treffliche Zielen der holsteinischen Artillerie, denn jeder Schuß fuhr, wenn nicht durch das kleine Segel selbst, doch so scharf an seinen Rändern vorbei, daß er im wirklichen Kampf selbst ein niederbordiges Kanonenboot nicht gefehlt hätte. Keine Stunde verging, so schien aus dem heitern Spiel blutiger Ernst werden zu wollen. Alarmsignale schrillten durch das Städtchen, und die Kanoniere liefen spornstreichs durch die dunkeln Gassen nach der Schanze. Der Dän', der Dan' ist da! schrie das Volk und rannte mitten im Gewitterregen nach dem Teufelsberg. Der Leucht- thurmlootse kam schou mit Weib und Kind herein, nachdem er das Licht gelöscht. Vom Teufelsberg ans gewahrte man, trotz der dicken trüben Sturmluft, die Mast¬ spitzen von zwei großen Kriegsschiffen und zwei Kriegsdampsern, denn es glimmten Laternen dran und nach der Aussage des Lootsen waren viele Boote ausgesetzt. Tage lang spukte das Gerücht von einem Einfall der Dänen, der gleichsam mit dem erwarteten preußischen Friedensabschluß erfolgen sollte, um war heute die schwache Garnison, ohne Aussicht auf baldigen Ersatz, abmarschirr. Wie leicht konnte der Feind davon Wind erhalten haben, bei dem Hochwasser, das eben war, einige hundert Mann außer dem Hafen landen, die Schanze vom Rücken angreifen und zerstören! Neckereien mit den Kanonen von Heiligenhasen und Kiel waren schon vorgekommen, im schleswigschen find ziemlich alle deutschen Hasenbefestigungen, gegen Geist und Buchstaben der Waffenstillstandsbedingungcn, von den Dänen dcmolirt worden, die Befürchtung einer improvisirten Razzia war daher nicht ganz grundlos, und ein Theil der Bürger bewaffnete sich mit Büchsen. Jndeß ent¬ fernten sich die Dauebrogsegler nach einiger Zeit, ohne nur eine Demonstration zu machen, dafür tönte das Horn der Abendpost, und die Hamburger Börsenhalle brachte die telegraphische Depesche über den wirklich erfolgten Abschluß des deutsch¬ dänischen Friedens. — Ueber den ersten Eindruck, den diese Kunde in Dänemark hervorbrachte, lassen Sie mich deu Schooner-Schiffer Umdrehen citiren, der am 5. Juni Nyborg passirte. Großer Jubel war im großen Belt, sagt er, die Küsten von Fünen sowohl wie von Seeland, so weit ich sie sehen konnte, hatten Sonntag gemacht, die Schiffe in den Häfen, die Kirchthürme der Dörfer und Städtchen am Strande flaggten, in Nyborg taumelten Matrosen, Arbeiter, Bürger und Soldaten im siebenten Branntweinhimmel, die Zollbeamten kamen mir mit dem gefüllten Weinglas ent¬ gegen, und der grauhaarige Zvllkammerverwalter siel mir um den Hals mit den Worten: „Friede, es ist Friede! Jetzt können wir wieder gute Freunde sein. Grüßen Sie mir Herrn — So und — So in — Dingsda." Die Nyborger glaubten nämlich, der Friede gelte auch deu Herzogtümer», oder hielten einen Wider¬ stand derselben für unwahrscheinlich. Der gute Umdrehen wurde aber bald ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/149>, abgerufen am 27.07.2024.