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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Streit zwischen Negotiner Wein und Opium, zwischen Serben und Türken, eine
Erregung in das Volk bringen, welche der türkischen Besatzung in den Festungen
und dadurch dem VerlMniß zur Pforte den Hals bricht, und in solchem Fall
kann wieder nur Rußland helfen, wenigstens würde es das entscheidende Wort
sprechen. Und so sind die Minister allerdings gute Russen, was sie aber nicht
hindert, Frenndschastsbeweise auch von anderer Seite mit Dank anzunehmen,
wenn sie ihnen angeboten werden; was sie ferner nicht hindert, gelegentlich auch
gegen die russischen Agenten zu intriguiren, und dabei die südslawischen Freiheits-
gefühle und die Differenzen zwischen dem Serail und Petersburg zu Hilfe zu neh¬
men. Wenn auch der eine dieser Staatskuustler für einen großern Nüssen gilt,
als der andere, im Grunde haben sie alle dieselben Interessen, folglich dieselbe
Politik. Es ist eine Politik der Schwäche, allerdings; aber sie ist, im Ganzen
betrachtet, ebenso verständig als nothwendig, und ist weniger dagegen zu sagen,
als gegen die Politik Ihrer deutscheu Staaten, mit welcher verglichen, die kleine,
gemeine serbische Staatskunst fein, entschieden, großartig, tugendhaft erscheint.




Kleine Neis e bilde r.
2. Am Ostseestrande Holsteins.

Wollen Sie wissen, wie in einem abgelegenen holsteinschen Hafenstädtchen die
neuesten Ereignisse angesehen werden? Eines schönen Abends war Alt und Jung
am Strand gelagert und sah mit Behagen den Schießübungen ans den Achtzehn-
pfündern der Hafenschanze zu, die auf der andern Seite der Rhede liegt. Die
Kanonen sind in Eckernförde erbeutet und der ruhmreiche Name Gesivn, der ihnen
eingegraben ist, scheint ihrem Metall doppelt freudigen Klang zu geben. In einer
Entfernung von 1500 Fuß war im Wasser ein kleines Floß geankert, darauf stand
ein als Scheibe angemaltes 'lateinisches Fischcrsegel; zahllose Lorgnons und Fern¬
rohre hefteten sich bald auf das Ziel, bald auf die Schanze. Das Schauspiel ist
schön an und für sich. Unter der schwarz-roth-goldenen Flagge, die so lustig
flattert, als wüßte sie nicht, von wie viel deutschen Thürmen deutsche Hände sie
herabgerissen haben, quillt plötzlich eine Rauchwolke auf, dann ein Blitzstrahl,
ein Donnerschlag, dessen küstenerschreckcndes Echo sich mit einem Stnrmsansen
in der Luft vermischt, -- jetzt blitzt die Ricochctkugel ein paar Klaftern vor der
Scheibe in der dunkelgrünen Welle ans, springt mit Gewalt durch das Segel
-- tausendfaches Beisallsrufcu -- und eilt in weitern Ricochetsprüngeu, bei jedem
Satz eine hohe Springflnth emporstäubend, in die offene See hinaus oder um
die Ecke der Landzunge weg. Die Wasserspuren geben ihrem Lauf den Schein


Streit zwischen Negotiner Wein und Opium, zwischen Serben und Türken, eine
Erregung in das Volk bringen, welche der türkischen Besatzung in den Festungen
und dadurch dem VerlMniß zur Pforte den Hals bricht, und in solchem Fall
kann wieder nur Rußland helfen, wenigstens würde es das entscheidende Wort
sprechen. Und so sind die Minister allerdings gute Russen, was sie aber nicht
hindert, Frenndschastsbeweise auch von anderer Seite mit Dank anzunehmen,
wenn sie ihnen angeboten werden; was sie ferner nicht hindert, gelegentlich auch
gegen die russischen Agenten zu intriguiren, und dabei die südslawischen Freiheits-
gefühle und die Differenzen zwischen dem Serail und Petersburg zu Hilfe zu neh¬
men. Wenn auch der eine dieser Staatskuustler für einen großern Nüssen gilt,
als der andere, im Grunde haben sie alle dieselben Interessen, folglich dieselbe
Politik. Es ist eine Politik der Schwäche, allerdings; aber sie ist, im Ganzen
betrachtet, ebenso verständig als nothwendig, und ist weniger dagegen zu sagen,
als gegen die Politik Ihrer deutscheu Staaten, mit welcher verglichen, die kleine,
gemeine serbische Staatskunst fein, entschieden, großartig, tugendhaft erscheint.




Kleine Neis e bilde r.
2. Am Ostseestrande Holsteins.

Wollen Sie wissen, wie in einem abgelegenen holsteinschen Hafenstädtchen die
neuesten Ereignisse angesehen werden? Eines schönen Abends war Alt und Jung
am Strand gelagert und sah mit Behagen den Schießübungen ans den Achtzehn-
pfündern der Hafenschanze zu, die auf der andern Seite der Rhede liegt. Die
Kanonen sind in Eckernförde erbeutet und der ruhmreiche Name Gesivn, der ihnen
eingegraben ist, scheint ihrem Metall doppelt freudigen Klang zu geben. In einer
Entfernung von 1500 Fuß war im Wasser ein kleines Floß geankert, darauf stand
ein als Scheibe angemaltes 'lateinisches Fischcrsegel; zahllose Lorgnons und Fern¬
rohre hefteten sich bald auf das Ziel, bald auf die Schanze. Das Schauspiel ist
schön an und für sich. Unter der schwarz-roth-goldenen Flagge, die so lustig
flattert, als wüßte sie nicht, von wie viel deutschen Thürmen deutsche Hände sie
herabgerissen haben, quillt plötzlich eine Rauchwolke auf, dann ein Blitzstrahl,
ein Donnerschlag, dessen küstenerschreckcndes Echo sich mit einem Stnrmsansen
in der Luft vermischt, — jetzt blitzt die Ricochctkugel ein paar Klaftern vor der
Scheibe in der dunkelgrünen Welle ans, springt mit Gewalt durch das Segel
— tausendfaches Beisallsrufcu — und eilt in weitern Ricochetsprüngeu, bei jedem
Satz eine hohe Springflnth emporstäubend, in die offene See hinaus oder um
die Ecke der Landzunge weg. Die Wasserspuren geben ihrem Lauf den Schein


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[0148] Streit zwischen Negotiner Wein und Opium, zwischen Serben und Türken, eine Erregung in das Volk bringen, welche der türkischen Besatzung in den Festungen und dadurch dem VerlMniß zur Pforte den Hals bricht, und in solchem Fall kann wieder nur Rußland helfen, wenigstens würde es das entscheidende Wort sprechen. Und so sind die Minister allerdings gute Russen, was sie aber nicht hindert, Frenndschastsbeweise auch von anderer Seite mit Dank anzunehmen, wenn sie ihnen angeboten werden; was sie ferner nicht hindert, gelegentlich auch gegen die russischen Agenten zu intriguiren, und dabei die südslawischen Freiheits- gefühle und die Differenzen zwischen dem Serail und Petersburg zu Hilfe zu neh¬ men. Wenn auch der eine dieser Staatskuustler für einen großern Nüssen gilt, als der andere, im Grunde haben sie alle dieselben Interessen, folglich dieselbe Politik. Es ist eine Politik der Schwäche, allerdings; aber sie ist, im Ganzen betrachtet, ebenso verständig als nothwendig, und ist weniger dagegen zu sagen, als gegen die Politik Ihrer deutscheu Staaten, mit welcher verglichen, die kleine, gemeine serbische Staatskunst fein, entschieden, großartig, tugendhaft erscheint. Kleine Neis e bilde r. 2. Am Ostseestrande Holsteins. Wollen Sie wissen, wie in einem abgelegenen holsteinschen Hafenstädtchen die neuesten Ereignisse angesehen werden? Eines schönen Abends war Alt und Jung am Strand gelagert und sah mit Behagen den Schießübungen ans den Achtzehn- pfündern der Hafenschanze zu, die auf der andern Seite der Rhede liegt. Die Kanonen sind in Eckernförde erbeutet und der ruhmreiche Name Gesivn, der ihnen eingegraben ist, scheint ihrem Metall doppelt freudigen Klang zu geben. In einer Entfernung von 1500 Fuß war im Wasser ein kleines Floß geankert, darauf stand ein als Scheibe angemaltes 'lateinisches Fischcrsegel; zahllose Lorgnons und Fern¬ rohre hefteten sich bald auf das Ziel, bald auf die Schanze. Das Schauspiel ist schön an und für sich. Unter der schwarz-roth-goldenen Flagge, die so lustig flattert, als wüßte sie nicht, von wie viel deutschen Thürmen deutsche Hände sie herabgerissen haben, quillt plötzlich eine Rauchwolke auf, dann ein Blitzstrahl, ein Donnerschlag, dessen küstenerschreckcndes Echo sich mit einem Stnrmsansen in der Luft vermischt, — jetzt blitzt die Ricochctkugel ein paar Klaftern vor der Scheibe in der dunkelgrünen Welle ans, springt mit Gewalt durch das Segel — tausendfaches Beisallsrufcu — und eilt in weitern Ricochetsprüngeu, bei jedem Satz eine hohe Springflnth emporstäubend, in die offene See hinaus oder um die Ecke der Landzunge weg. Die Wasserspuren geben ihrem Lauf den Schein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/148>, abgerufen am 27.07.2024.