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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Verbannung von Witim unter Glockengeläute, Kanonendonner und Jubelgeschrei
der begeisterten Menge zu Belgrad wieder anlangten. Abraham's Verdienste um
Serbiens Organisation, seine bedeutende Thätigkeit sind auch außer Serbien be¬
kannt. Wenige dürften wissen, daß der Staatsmann neben der Feder auch das
Schwert geführt hat. Schon unter Milos Obrenovicz Mitglied des großen
Senats war er einer der ersten Unzufriedenen, er insurgirte mit dem Knez Mileta
die Gegend von Jagodina und führte 1835 einen hellen Häuser Aufständischer
gegen den Konak des MilvS.

Neben Petroniewicz kniet mit vorgebeugtem Haupt und gefalteten Händen
andächtig betend ein silberhaarigcr Greis. Die Gestalt hat etwas aristokratisch
Ehrwürdiges, unbezahlbar für einen deutschen Maler, eine seltsame Mischung
zwischen Geistlich und Weltlied. Das fahle, milde Antlitz begrenzt schlicht nach
dem Nacken zurück gekämmtes langes Silberhaar und ein lang herabwallender,
weißer Bart. Das Kleid, ein bis fast an die Knöchel reichender, gelbseidcner
Talar, mit eiuer rothen Binde umgürtet, darüber ein dunkelblauer Ueberwurf,
mit Pelz verbrämt, vorn offen und mit weiten Aermeln. Die Kopfbedeckung
und die Stütze des hochbejahrten Greises, ein rothes Käppchen und ein
silberbeschlagener Krückstock mit goldenen Troddeln liegen neben dem Pult des
Beters. Der Greis ist Prota Nenadvwicz, der priesterliche Held. Im Befreiungs¬
kriege warf er das Meßgewand und die Kutte des Protopopen fort und griff zum
Schwert; sein Name ist berühmt und wird gefeiert in zahlreichen Heldengesängen.
Sein Vater Alexa war von den Türken erschlagen; der Sterbende hatte, wie das
Lied erzählt, den Bruder Jakob beschworen, ihn zu rächen. An seiner Seite focht
Prota, ihm folgte er in die Verbannung. Jetzt ist Nenadvwicz serbischer Staats¬
rath und der angesehene Sippe des Fürsten Alexander Karageorgewicz, dem seine
Tochter vermählt ist.

Der vierte in der Reihe ist Jlia Garasanin, der Kultusminister; der jüngste
von Allen, markirt durch eine scharfe Römernase und scharfen Blick,-der Mund
von einem starken, dunkeln Schnurrbart überschattet. Unter dem Rock blitzt aus
rothem Baude ein brillantenbcsctztes Ordenszeichen, den "Jphtihar". Garasanin
läßt es sich angelegen sein, dem Mrstenthnm Lehrer und wissenschaftlich gebildete
Beamte zu schaffe"; er sendet ans Negiernngskvsten junge Serben zur Ausbildung
nach Wien, Prag, Berlin, Paris und London, hat das verrottete Gymnasium von
Kragujevacz nach Belgrad übertragen und völlig reformirt, Bibliotheken, Museen,
und wie ich höre, aber jetzt nicht gesehen habe, sogar unscheinbare Ackerbanschulen
treten dnrch seinen Eifer ins Leben. Die Familie Garasanin ist alt und eine der
angesehensten im Lande. Der alte Garasanin Lukas, des Ministers Vater, hat
in dem Befreiungskriege jener epischen Zeit des Fürstenthums, auf welche jeder
erzählende Serbe nothwendig zurückgehen muß, seine Schuldigkeit gethan. Als
nach jenem unglücklichen Rückschlag die Türken wieder ins Land brachen, und alle


Verbannung von Witim unter Glockengeläute, Kanonendonner und Jubelgeschrei
der begeisterten Menge zu Belgrad wieder anlangten. Abraham's Verdienste um
Serbiens Organisation, seine bedeutende Thätigkeit sind auch außer Serbien be¬
kannt. Wenige dürften wissen, daß der Staatsmann neben der Feder auch das
Schwert geführt hat. Schon unter Milos Obrenovicz Mitglied des großen
Senats war er einer der ersten Unzufriedenen, er insurgirte mit dem Knez Mileta
die Gegend von Jagodina und führte 1835 einen hellen Häuser Aufständischer
gegen den Konak des MilvS.

Neben Petroniewicz kniet mit vorgebeugtem Haupt und gefalteten Händen
andächtig betend ein silberhaarigcr Greis. Die Gestalt hat etwas aristokratisch
Ehrwürdiges, unbezahlbar für einen deutschen Maler, eine seltsame Mischung
zwischen Geistlich und Weltlied. Das fahle, milde Antlitz begrenzt schlicht nach
dem Nacken zurück gekämmtes langes Silberhaar und ein lang herabwallender,
weißer Bart. Das Kleid, ein bis fast an die Knöchel reichender, gelbseidcner
Talar, mit eiuer rothen Binde umgürtet, darüber ein dunkelblauer Ueberwurf,
mit Pelz verbrämt, vorn offen und mit weiten Aermeln. Die Kopfbedeckung
und die Stütze des hochbejahrten Greises, ein rothes Käppchen und ein
silberbeschlagener Krückstock mit goldenen Troddeln liegen neben dem Pult des
Beters. Der Greis ist Prota Nenadvwicz, der priesterliche Held. Im Befreiungs¬
kriege warf er das Meßgewand und die Kutte des Protopopen fort und griff zum
Schwert; sein Name ist berühmt und wird gefeiert in zahlreichen Heldengesängen.
Sein Vater Alexa war von den Türken erschlagen; der Sterbende hatte, wie das
Lied erzählt, den Bruder Jakob beschworen, ihn zu rächen. An seiner Seite focht
Prota, ihm folgte er in die Verbannung. Jetzt ist Nenadvwicz serbischer Staats¬
rath und der angesehene Sippe des Fürsten Alexander Karageorgewicz, dem seine
Tochter vermählt ist.

Der vierte in der Reihe ist Jlia Garasanin, der Kultusminister; der jüngste
von Allen, markirt durch eine scharfe Römernase und scharfen Blick,-der Mund
von einem starken, dunkeln Schnurrbart überschattet. Unter dem Rock blitzt aus
rothem Baude ein brillantenbcsctztes Ordenszeichen, den „Jphtihar". Garasanin
läßt es sich angelegen sein, dem Mrstenthnm Lehrer und wissenschaftlich gebildete
Beamte zu schaffe»; er sendet ans Negiernngskvsten junge Serben zur Ausbildung
nach Wien, Prag, Berlin, Paris und London, hat das verrottete Gymnasium von
Kragujevacz nach Belgrad übertragen und völlig reformirt, Bibliotheken, Museen,
und wie ich höre, aber jetzt nicht gesehen habe, sogar unscheinbare Ackerbanschulen
treten dnrch seinen Eifer ins Leben. Die Familie Garasanin ist alt und eine der
angesehensten im Lande. Der alte Garasanin Lukas, des Ministers Vater, hat
in dem Befreiungskriege jener epischen Zeit des Fürstenthums, auf welche jeder
erzählende Serbe nothwendig zurückgehen muß, seine Schuldigkeit gethan. Als
nach jenem unglücklichen Rückschlag die Türken wieder ins Land brachen, und alle


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[0146] Verbannung von Witim unter Glockengeläute, Kanonendonner und Jubelgeschrei der begeisterten Menge zu Belgrad wieder anlangten. Abraham's Verdienste um Serbiens Organisation, seine bedeutende Thätigkeit sind auch außer Serbien be¬ kannt. Wenige dürften wissen, daß der Staatsmann neben der Feder auch das Schwert geführt hat. Schon unter Milos Obrenovicz Mitglied des großen Senats war er einer der ersten Unzufriedenen, er insurgirte mit dem Knez Mileta die Gegend von Jagodina und führte 1835 einen hellen Häuser Aufständischer gegen den Konak des MilvS. Neben Petroniewicz kniet mit vorgebeugtem Haupt und gefalteten Händen andächtig betend ein silberhaarigcr Greis. Die Gestalt hat etwas aristokratisch Ehrwürdiges, unbezahlbar für einen deutschen Maler, eine seltsame Mischung zwischen Geistlich und Weltlied. Das fahle, milde Antlitz begrenzt schlicht nach dem Nacken zurück gekämmtes langes Silberhaar und ein lang herabwallender, weißer Bart. Das Kleid, ein bis fast an die Knöchel reichender, gelbseidcner Talar, mit eiuer rothen Binde umgürtet, darüber ein dunkelblauer Ueberwurf, mit Pelz verbrämt, vorn offen und mit weiten Aermeln. Die Kopfbedeckung und die Stütze des hochbejahrten Greises, ein rothes Käppchen und ein silberbeschlagener Krückstock mit goldenen Troddeln liegen neben dem Pult des Beters. Der Greis ist Prota Nenadvwicz, der priesterliche Held. Im Befreiungs¬ kriege warf er das Meßgewand und die Kutte des Protopopen fort und griff zum Schwert; sein Name ist berühmt und wird gefeiert in zahlreichen Heldengesängen. Sein Vater Alexa war von den Türken erschlagen; der Sterbende hatte, wie das Lied erzählt, den Bruder Jakob beschworen, ihn zu rächen. An seiner Seite focht Prota, ihm folgte er in die Verbannung. Jetzt ist Nenadvwicz serbischer Staats¬ rath und der angesehene Sippe des Fürsten Alexander Karageorgewicz, dem seine Tochter vermählt ist. Der vierte in der Reihe ist Jlia Garasanin, der Kultusminister; der jüngste von Allen, markirt durch eine scharfe Römernase und scharfen Blick,-der Mund von einem starken, dunkeln Schnurrbart überschattet. Unter dem Rock blitzt aus rothem Baude ein brillantenbcsctztes Ordenszeichen, den „Jphtihar". Garasanin läßt es sich angelegen sein, dem Mrstenthnm Lehrer und wissenschaftlich gebildete Beamte zu schaffe»; er sendet ans Negiernngskvsten junge Serben zur Ausbildung nach Wien, Prag, Berlin, Paris und London, hat das verrottete Gymnasium von Kragujevacz nach Belgrad übertragen und völlig reformirt, Bibliotheken, Museen, und wie ich höre, aber jetzt nicht gesehen habe, sogar unscheinbare Ackerbanschulen treten dnrch seinen Eifer ins Leben. Die Familie Garasanin ist alt und eine der angesehensten im Lande. Der alte Garasanin Lukas, des Ministers Vater, hat in dem Befreiungskriege jener epischen Zeit des Fürstenthums, auf welche jeder erzählende Serbe nothwendig zurückgehen muß, seine Schuldigkeit gethan. Als nach jenem unglücklichen Rückschlag die Türken wieder ins Land brachen, und alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/146>, abgerufen am 01.09.2024.