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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sein möge! mit viertausend Momken hinüberzog, um ihnen zu helfen, da ist auch
der Micha! Obrenovicz heimlich nach Srem gekommen. Er war in schwäbischer
Kleidung, schwarz angezogen, wie ein Kaufmann aus Becz, der Bart verstellt
und laug wie bei einem Popen, damit ihn keiner unserer Leute erkenne, die der
Fürst, Herr Alexander, geschickt hatte mit dem Knicanin. Mein Nachbar aber,
der Schneider Meho, welcher in,der Nvmerschanze als Arambassa war, hat ihn
doch erkannt und hörte ihn sprechen, da er beordert stand vor dem Zelt des
General Georgje. . Er hörte, wie Herr Michal den Herrn Georgje bat, er möge
ihm erlauben, uuter seiner rothen Fahne zu ziehen gegen den kriegerischen Ma¬
gyar, er möge ihm erlauben, das Schwert zu führe" für die Heimath, sei es auch
als gemeiner Mann, ja als der letzte der Krieger. Der General aber gab ihm zur
Antwort: Das geht nicht, mein Herr und Fürst, wir siud Freunde des Fürsten
Alexander Karageorgevicz, der Dich gestürzt hat, wie Dein Vater den seinen.
Dieser Fürst, Dein Feind, hat uns stattliche Hilfe geschickt, gerüstete Männer
zu Tausenden, Pulver und Kanonen und seinen Falken, den Helden Knicanin.
Wir dürfen Herrn Alexander nicht kränken, da er unser Bundesbrüder ist, und der
würde zornig werden ans seinem Stuhl, wenn er Dich in den Reihen der Unsern
wüßte, am Ufer der braunen Dona", und mit Recht, denn manche Radien und
vieles Volk in Belgrad würden sich erheben für Dich gegen den Sohn des
Kara. Dank und Buudesbruderschaft aber verbinden uns dem Alexander. Drum
vergib Deinem Diener, daß er Deinen heldenkräftigen Fürstenarm zurückweisen
muß, auf daß uicht Zwietracht aufgehe in unfern Reihen. -- So sprach General
Georgje. Da weinte Fürst Michal bitterlich und stand lange wie angedonnert,
Thränen unter den Wimpern, dann ermannte er sich und sprach: Weh mir, mein
Loos ist das eines Kuckucks, weh mir, daß ich nicht mehr thun kaun für mein
Volk in seinem Kampf, als gelbes Gold geben! -- Und er warf einen schweren
Beutel mit Gold auf deu Tisch und ging schluchzend ans des Generals Zelt. Am
andern Morgen zeitig frühe mußte er wieder fort nach Becz."

Hier unterbrach sich der Serbe in seiner Erzählung und stöhnte, gerührt
dnrch seiue eigene epische Darstellung, dann ließ er seinen Redestrom wieder fließen:
"Und der alte Milos war gefangen? In Agram gesangen vom Doktor Gay? El,
el, wie ist der alte Fuchs dem Gay in die Schlinge gelaufen? Und was hatte
der, Gay mit dem Milos?

"Ihr kennt den Doctor Gay?" frug ich, erstaunt über diese Expectoration,
denn wenn auch Gay unter den gebildeter" Serben Freunde hat, mehr als
unter den Kroaten, so hätte ich doch nie seinen Namen in dem Munde eines
schlichten Handwerkers von Kragujevacz vermuthet.

"El, sollt ich den Gay nicht kennen! seine Zeitung hörte ich sonst öfter lesen,
als mein Sohn noch daheim war, der Djak (Student), der jetzt in Belgrad lernt;
der kennt die kroatischen Teuselslettern, welche mir ein Greuel sind. Stehen


sein möge! mit viertausend Momken hinüberzog, um ihnen zu helfen, da ist auch
der Micha! Obrenovicz heimlich nach Srem gekommen. Er war in schwäbischer
Kleidung, schwarz angezogen, wie ein Kaufmann aus Becz, der Bart verstellt
und laug wie bei einem Popen, damit ihn keiner unserer Leute erkenne, die der
Fürst, Herr Alexander, geschickt hatte mit dem Knicanin. Mein Nachbar aber,
der Schneider Meho, welcher in,der Nvmerschanze als Arambassa war, hat ihn
doch erkannt und hörte ihn sprechen, da er beordert stand vor dem Zelt des
General Georgje. . Er hörte, wie Herr Michal den Herrn Georgje bat, er möge
ihm erlauben, uuter seiner rothen Fahne zu ziehen gegen den kriegerischen Ma¬
gyar, er möge ihm erlauben, das Schwert zu führe» für die Heimath, sei es auch
als gemeiner Mann, ja als der letzte der Krieger. Der General aber gab ihm zur
Antwort: Das geht nicht, mein Herr und Fürst, wir siud Freunde des Fürsten
Alexander Karageorgevicz, der Dich gestürzt hat, wie Dein Vater den seinen.
Dieser Fürst, Dein Feind, hat uns stattliche Hilfe geschickt, gerüstete Männer
zu Tausenden, Pulver und Kanonen und seinen Falken, den Helden Knicanin.
Wir dürfen Herrn Alexander nicht kränken, da er unser Bundesbrüder ist, und der
würde zornig werden ans seinem Stuhl, wenn er Dich in den Reihen der Unsern
wüßte, am Ufer der braunen Dona», und mit Recht, denn manche Radien und
vieles Volk in Belgrad würden sich erheben für Dich gegen den Sohn des
Kara. Dank und Buudesbruderschaft aber verbinden uns dem Alexander. Drum
vergib Deinem Diener, daß er Deinen heldenkräftigen Fürstenarm zurückweisen
muß, auf daß uicht Zwietracht aufgehe in unfern Reihen. — So sprach General
Georgje. Da weinte Fürst Michal bitterlich und stand lange wie angedonnert,
Thränen unter den Wimpern, dann ermannte er sich und sprach: Weh mir, mein
Loos ist das eines Kuckucks, weh mir, daß ich nicht mehr thun kaun für mein
Volk in seinem Kampf, als gelbes Gold geben! — Und er warf einen schweren
Beutel mit Gold auf deu Tisch und ging schluchzend ans des Generals Zelt. Am
andern Morgen zeitig frühe mußte er wieder fort nach Becz."

Hier unterbrach sich der Serbe in seiner Erzählung und stöhnte, gerührt
dnrch seiue eigene epische Darstellung, dann ließ er seinen Redestrom wieder fließen:
„Und der alte Milos war gefangen? In Agram gesangen vom Doktor Gay? El,
el, wie ist der alte Fuchs dem Gay in die Schlinge gelaufen? Und was hatte
der, Gay mit dem Milos?

„Ihr kennt den Doctor Gay?" frug ich, erstaunt über diese Expectoration,
denn wenn auch Gay unter den gebildeter» Serben Freunde hat, mehr als
unter den Kroaten, so hätte ich doch nie seinen Namen in dem Munde eines
schlichten Handwerkers von Kragujevacz vermuthet.

„El, sollt ich den Gay nicht kennen! seine Zeitung hörte ich sonst öfter lesen,
als mein Sohn noch daheim war, der Djak (Student), der jetzt in Belgrad lernt;
der kennt die kroatischen Teuselslettern, welche mir ein Greuel sind. Stehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/142>, abgerufen am 27.07.2024.