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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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keit nie schwach und deren Kraft nie roh ist -- da: "Ogere, mein Kleinod!" ob sie
ihr wohl eingingen wie Honigseim! Und: "Halt Mastcre Nory Ogere!" sagte sie mit
eins -- und nun hättet Ihr hören sollen, der Schah, wie sie die Weisen wiedergab
mit ihrer EngelSstimme klar und rund, ein Ton nach dem andern, wie die Silberglocke,
womit die Eisen in der Johannisnacht ihre Kirmes einläuten. Und dann gleich wieder:
"Eine andere, Mahlern Ogere!" Und sobald ich die nächste gespielt hatte, sie gleich wie¬
der mit ihrer Stimme dahinter. Und bei alle dem vergaß sie nicht, den kleinen Jun¬
gen hereinrufen zu lassen und ließ ihm aufwarten, wie eine Königin, die sie war. Und
dann sagte sie: hätte ich ihr eins gepfiffen, so wolle sie mir jetzt eins singen." Dar¬
auf schwieg Rom? einen Augenblick ganz nachdenklich. "Und weiter, Nor" Oge --
wie wurde es, Agra?" -- fragte endlich eine lustige Düne, die offenbar sehr in Gnade
bei ihm stand. "Ja, wie ging es weiter? -- hob Rory mit einiger Verlegenheit wie¬
der an. -- So ging es, daß ich nach einer Weile meine Würde und die Musik von Altire-
land vergaß ganz und gar, und vor der fremden Sängerin auf die Kniee fiel; und da
lag ich, ich wußte nicht wie, noch warum, bis sie fertig war mit Singen. Und, Ihr
Mädchen, Ihr werdet es kaum glauben; aber es ist wahr, die Fremde verleidete mir
mit ihrem Gesang meine Pfeife! Das that sie, beim Kuckuk! -- ES brauchte eine
Woche und länger, ehe ich anch nur wieder einen Ton aus meinem Sack herausquetschen
mochte. Und das beste war, daß ich ihr einen Geschmack von unseren Weisen gegeben
hatte, che sie sang, denn hinterdrein hätte ich ihr keinen Ton vorspielen können. Und
darnach könnt Ihr Euch denken, was sie war; und wenn Gott mir einen Augenblick
nur hätte die Augen geöffnet, damit ich hätte sehen können, ob ihr Gesicht war wie
ihr Gesang, ich glaube -- die heilige Mutter Gottes wolle es vergeben! -- ich glaube
aber, ich würde zufriedener sterben, wenn mein Stündlein kommt."

"Nory Oge -- sagte ein hübsches blauäugiges Mädchen, um. den Alten wieder
auf fröhlichere Gedanken zu bringen, indem sie uns zuwinkte -- wißt Ihr noch voriges
Jahr, als Ihr eben ans demselben Faß saßet, wo Ihr jetzt sitzt, und nichts hörtet,
noch merktet, weder die Rauferei der Factionen draußen, noch daß sie Euch fast das
Zelt über dem Kopf einrissen, noch irgend was -- und wie Ihr die alte Molche Bre-
nan küssen wolltet, weil Ihr meinet, ich sei es, und Eure Frau kam dazu, und---"
-- "Die Eifersucht spricht aus Dir, Peggy, weiter nichts!" lachte der Alte. -- "Nein,
nein -- aber damals hatte das Blech das Leder noch nicht ganz verdunkelt -- darum
wart Ihr so übermüthig, Nory, -- fuhr der Quälgeist fort. Das war aber dem Pfei¬
fer zu viel, ehe man es sich versah, hatte er seinen Hut nach der Richtung geschleu¬
dert, wo die neckende Stimme herkam. "Zum Henker mit allem Blech! -- rief er
dabei -- und ich hoffe, ich erlebe noch das Ende von all' den gröhlenden, kreischenden,
schnarrenden Vagabunden." "Nun einmal habt Ihr sie schon tüchtig untergekriegt --
bemerkte das Mädchen, um ihren Frieden mit dem Pfeifer zu machen -- und das war
in der Hauptstraße in Killalvc, sagen die Leute." -- "Du bist doch eine brave Dirne,
Peggy -- sagte der Alte schnell versöhnt -- und waS wahr ist, bleibt wahr. Ja, in
der Hauptstraße von Killalvc war es, und dort zogen die blechernen Tagediebe heran,
die ganze Bande, mit ihrem sächsischen: "Gott erhalte die Königin!" und der ganze
Schweif von Narren hinter ihnen her; und hier stand ich mit meiner armen alten Sack-
pfeife. Aber, als ich: "Se. Patriks Tag" aufzuspielen begann, recht mit allen Regi¬
stern, da hättet Ihr sehen sollen, wie bald alles Volk, Groß und Klein, mir zuströmte,
daß sie ganz beschämt und begossen abziehen mußten, die fremden Landstreicher!"

Die Erinnerung dieses vereinzelten Triumphes vermochte jedoch unfern Freund
Rory nicht lange über den drohenden Untergang der vaterländischen Musik zu täuschen oder zu
trösten, und er versetzte uns around in eine so sympathetische Stimmung, daß wir nicht
ohne eine gewisse Feierlichkeit von ihm als von dem letzten der Pfeifer Abschied nahmen.




Verlag von F. L. Herbig. -- Redacteme- Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elvert.

keit nie schwach und deren Kraft nie roh ist — da: „Ogere, mein Kleinod!" ob sie
ihr wohl eingingen wie Honigseim! Und: „Halt Mastcre Nory Ogere!" sagte sie mit
eins — und nun hättet Ihr hören sollen, der Schah, wie sie die Weisen wiedergab
mit ihrer EngelSstimme klar und rund, ein Ton nach dem andern, wie die Silberglocke,
womit die Eisen in der Johannisnacht ihre Kirmes einläuten. Und dann gleich wieder:
„Eine andere, Mahlern Ogere!" Und sobald ich die nächste gespielt hatte, sie gleich wie¬
der mit ihrer Stimme dahinter. Und bei alle dem vergaß sie nicht, den kleinen Jun¬
gen hereinrufen zu lassen und ließ ihm aufwarten, wie eine Königin, die sie war. Und
dann sagte sie: hätte ich ihr eins gepfiffen, so wolle sie mir jetzt eins singen." Dar¬
auf schwieg Rom? einen Augenblick ganz nachdenklich. „Und weiter, Nor» Oge —
wie wurde es, Agra?" — fragte endlich eine lustige Düne, die offenbar sehr in Gnade
bei ihm stand. „Ja, wie ging es weiter? — hob Rory mit einiger Verlegenheit wie¬
der an. — So ging es, daß ich nach einer Weile meine Würde und die Musik von Altire-
land vergaß ganz und gar, und vor der fremden Sängerin auf die Kniee fiel; und da
lag ich, ich wußte nicht wie, noch warum, bis sie fertig war mit Singen. Und, Ihr
Mädchen, Ihr werdet es kaum glauben; aber es ist wahr, die Fremde verleidete mir
mit ihrem Gesang meine Pfeife! Das that sie, beim Kuckuk! — ES brauchte eine
Woche und länger, ehe ich anch nur wieder einen Ton aus meinem Sack herausquetschen
mochte. Und das beste war, daß ich ihr einen Geschmack von unseren Weisen gegeben
hatte, che sie sang, denn hinterdrein hätte ich ihr keinen Ton vorspielen können. Und
darnach könnt Ihr Euch denken, was sie war; und wenn Gott mir einen Augenblick
nur hätte die Augen geöffnet, damit ich hätte sehen können, ob ihr Gesicht war wie
ihr Gesang, ich glaube — die heilige Mutter Gottes wolle es vergeben! — ich glaube
aber, ich würde zufriedener sterben, wenn mein Stündlein kommt."

„Nory Oge — sagte ein hübsches blauäugiges Mädchen, um. den Alten wieder
auf fröhlichere Gedanken zu bringen, indem sie uns zuwinkte — wißt Ihr noch voriges
Jahr, als Ihr eben ans demselben Faß saßet, wo Ihr jetzt sitzt, und nichts hörtet,
noch merktet, weder die Rauferei der Factionen draußen, noch daß sie Euch fast das
Zelt über dem Kopf einrissen, noch irgend was — und wie Ihr die alte Molche Bre-
nan küssen wolltet, weil Ihr meinet, ich sei es, und Eure Frau kam dazu, und---"
— „Die Eifersucht spricht aus Dir, Peggy, weiter nichts!" lachte der Alte. — „Nein,
nein — aber damals hatte das Blech das Leder noch nicht ganz verdunkelt — darum
wart Ihr so übermüthig, Nory, — fuhr der Quälgeist fort. Das war aber dem Pfei¬
fer zu viel, ehe man es sich versah, hatte er seinen Hut nach der Richtung geschleu¬
dert, wo die neckende Stimme herkam. „Zum Henker mit allem Blech! — rief er
dabei — und ich hoffe, ich erlebe noch das Ende von all' den gröhlenden, kreischenden,
schnarrenden Vagabunden." „Nun einmal habt Ihr sie schon tüchtig untergekriegt —
bemerkte das Mädchen, um ihren Frieden mit dem Pfeifer zu machen — und das war
in der Hauptstraße in Killalvc, sagen die Leute." — „Du bist doch eine brave Dirne,
Peggy — sagte der Alte schnell versöhnt — und waS wahr ist, bleibt wahr. Ja, in
der Hauptstraße von Killalvc war es, und dort zogen die blechernen Tagediebe heran,
die ganze Bande, mit ihrem sächsischen: „Gott erhalte die Königin!" und der ganze
Schweif von Narren hinter ihnen her; und hier stand ich mit meiner armen alten Sack-
pfeife. Aber, als ich: „Se. Patriks Tag" aufzuspielen begann, recht mit allen Regi¬
stern, da hättet Ihr sehen sollen, wie bald alles Volk, Groß und Klein, mir zuströmte,
daß sie ganz beschämt und begossen abziehen mußten, die fremden Landstreicher!"

Die Erinnerung dieses vereinzelten Triumphes vermochte jedoch unfern Freund
Rory nicht lange über den drohenden Untergang der vaterländischen Musik zu täuschen oder zu
trösten, und er versetzte uns around in eine so sympathetische Stimmung, daß wir nicht
ohne eine gewisse Feierlichkeit von ihm als von dem letzten der Pfeifer Abschied nahmen.




Verlag von F. L. Herbig. — Redacteme- Gustav Freytag und Julian Schmidt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/128>, abgerufen am 27.07.2024.