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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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den den Gemeinden zugetheilt; in der östreichischen Provinz Croatien sollen die
Servitntsverhältnisse erst geordnet werden.

Sehen wir schon ans dieser kurzen Parallele, waS Croatien dnrch die Charte
vom 4. März gewonnen hat, so muß die BeibelMnng und Rcorganisirung der
Militärgrenze als der härteste Schlag erscheinen, der die südlichen Völker Ungarns
und besonders die Südslaven als die mcistbetheiligtcu treffe" konnte.

Es ist hier nicht der Ort, zu erörtern, ob eine Militärcolonie je einen Staat
sür lange vor änjzcrn Einfallen schützen kann, oder ob der Staat berechtigt sei,
einen Theil der Bevölkerung zur erblichen Maschine zu machen; so viel ist gewiß,
daß Oestreich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts keinen Einfall der Türken
zu fürchten hat; daß ferner Oestreich, trotz der Militärgrenze, die ihm 150,000
Krieger zu Gebote stellte, in den Donauländern eine schlechte Rolle spielte;
daß noch heute die Türkei vor deu 10 -- 20,000 Russen am Pruth mehr Re-
spect hat, als vor der 180 Meile" langen Soldatenkette an der Donau. Die
Militärgrenze kann also nur als Waffe gegen die eigenen Volker, und als Scheide¬
wand und Bändignngsmittel unter den Stämmen der Südslaven selbst dienen;
und ein Staat, der 150,000 geborne Polizeimänner in einem Winkel seines
Gebiets halten muß, zeigt doch offenbar starke despotische Neigungen.

Die Militärgrenze besteht zum größten Theil aus den confiscirten Besitzungen
der geächteten Familien Torquati, Zrinyi, Frangipani, NadaSdi u. a. in. Die
Einwohner, ursprünglich Unterthanen dieser Familien, wurden der Kammer unter¬
geordnet und bekamen eine militärische Verfassung, der zufolge sie alle Soldaten
sind, die in der Grenze den Cordondienst und die militärischen Uebungen unbe¬
soldet ausführen müssen, die ohne Erlaubniß des Hofkriegsraths in keinen andern
Theil der Monarchie auswandern dürfen, und für ihren Grundbesitz, der unver¬
äußerlich und untheilbar ist, dem Aerar Frohndienste leisten müssen. Das unga¬
rische Municipalwesen fehlt hier ganz, und die Communen haben eine militärische
Organisation. Die Unteilbarkeit des Grundbesitzes und die gleiche Verpflichtung
aller männlichen Familienglieder zum Militär- nud Frohndienst machten eine Art
von patriarchalischen Hausregiment nöthig, das ebenfalls unter militärischer Con-
trole- steht. In diesem Zustande leben 1z Millionen Menschen ans einem Flächen-
raume von 750 Quadratmeilen. Die vom Ban mitgebrachte neue Verfassung
enthält zwar manche Erleichterung für die Grenze durch die Aufhebung der
Robotleistnngen, durch die Einführung des Solds beim Cordondienst, durch ein
Minimum von Gemeindeleben; aber das Institut bleibt in seinem Grundwesen
dasselbe; wie der Paria an sein götterloses Leben, wie der Kastensvhn Aegyp¬
tens an seinen Hirtenstab oder sein angebornes Handwerk, so ist der Grenzer
noch immer von seiner Geburt an bis ins hohe Alter an das Bajonnet gefesselt,


den den Gemeinden zugetheilt; in der östreichischen Provinz Croatien sollen die
Servitntsverhältnisse erst geordnet werden.

Sehen wir schon ans dieser kurzen Parallele, waS Croatien dnrch die Charte
vom 4. März gewonnen hat, so muß die BeibelMnng und Rcorganisirung der
Militärgrenze als der härteste Schlag erscheinen, der die südlichen Völker Ungarns
und besonders die Südslaven als die mcistbetheiligtcu treffe» konnte.

Es ist hier nicht der Ort, zu erörtern, ob eine Militärcolonie je einen Staat
sür lange vor änjzcrn Einfallen schützen kann, oder ob der Staat berechtigt sei,
einen Theil der Bevölkerung zur erblichen Maschine zu machen; so viel ist gewiß,
daß Oestreich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts keinen Einfall der Türken
zu fürchten hat; daß ferner Oestreich, trotz der Militärgrenze, die ihm 150,000
Krieger zu Gebote stellte, in den Donauländern eine schlechte Rolle spielte;
daß noch heute die Türkei vor deu 10 — 20,000 Russen am Pruth mehr Re-
spect hat, als vor der 180 Meile» langen Soldatenkette an der Donau. Die
Militärgrenze kann also nur als Waffe gegen die eigenen Volker, und als Scheide¬
wand und Bändignngsmittel unter den Stämmen der Südslaven selbst dienen;
und ein Staat, der 150,000 geborne Polizeimänner in einem Winkel seines
Gebiets halten muß, zeigt doch offenbar starke despotische Neigungen.

Die Militärgrenze besteht zum größten Theil aus den confiscirten Besitzungen
der geächteten Familien Torquati, Zrinyi, Frangipani, NadaSdi u. a. in. Die
Einwohner, ursprünglich Unterthanen dieser Familien, wurden der Kammer unter¬
geordnet und bekamen eine militärische Verfassung, der zufolge sie alle Soldaten
sind, die in der Grenze den Cordondienst und die militärischen Uebungen unbe¬
soldet ausführen müssen, die ohne Erlaubniß des Hofkriegsraths in keinen andern
Theil der Monarchie auswandern dürfen, und für ihren Grundbesitz, der unver¬
äußerlich und untheilbar ist, dem Aerar Frohndienste leisten müssen. Das unga¬
rische Municipalwesen fehlt hier ganz, und die Communen haben eine militärische
Organisation. Die Unteilbarkeit des Grundbesitzes und die gleiche Verpflichtung
aller männlichen Familienglieder zum Militär- nud Frohndienst machten eine Art
von patriarchalischen Hausregiment nöthig, das ebenfalls unter militärischer Con-
trole- steht. In diesem Zustande leben 1z Millionen Menschen ans einem Flächen-
raume von 750 Quadratmeilen. Die vom Ban mitgebrachte neue Verfassung
enthält zwar manche Erleichterung für die Grenze durch die Aufhebung der
Robotleistnngen, durch die Einführung des Solds beim Cordondienst, durch ein
Minimum von Gemeindeleben; aber das Institut bleibt in seinem Grundwesen
dasselbe; wie der Paria an sein götterloses Leben, wie der Kastensvhn Aegyp¬
tens an seinen Hirtenstab oder sein angebornes Handwerk, so ist der Grenzer
noch immer von seiner Geburt an bis ins hohe Alter an das Bajonnet gefesselt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/118>, abgerufen am 27.07.2024.