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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Lumpestadt, komme die Grindköpp' in Frankfurt an den Main, und wolle, man
soll auf die Polizei den Hut vor sie abnehme!"

Niles Tages überraschte ich den Großvater beim Versuch, sogar an Johann
einen Projekten zu machen. "Komme Sie her, mein lieber Johann," sagte er
mit schmeichelnder Stimme, "wirklich, Johann is ein recht hübscher Jung', komme
Sie!" Nachdem er ihn durch dieses Kompliment genügend bestochen glaub.te, be¬
gann er, Johann's Meinungen und Ansichten über das schöne Geschlecht in Alt-
cngland zu erforschen. Für die englische Verfassung und die englische Kirche konnte
er von dem Kammerdiener keine Bewunderung verlangen, er schlug also schlauer
Weise die rein menschliche Saite an und erwartete, allermindestens, eine Liebes-
erklärung zu Gunsten der rosigen Schönen seines Vaterlandes. Leider harmonirte
Johann's Geschmack nicht vollständig mit dem des Großvaters. -- "Ja, ö' gibt
schon hübsche Gesichter! hier," meinte er leichthin. -- "Hübsch?" rief der Alte
beleidigt, "wie heißt hübsch? Sie müssen sagen wunderschön; Sie müssen sagen
gottvoll!" und der Alte hub ein Loblied auf die Schönheit der Engländerinnen
zu singen an, das dem Feuer eines jugendlichem Ritters Ehre gemacht hätte; er
schloß mit der Behauptung, die häßlichste Britin sei reizender als die feinste Dame
jenseits des Canals. Hitzig erwiederte Johann, der offenbar durch häufige Ge¬
spräche ähnlicher Art auf ziemlich vertrauten Fuß mit seinem Gegner gelangt war:
"Na, na, Großvater, was wahr is, is wahr. Dös Bier hier is prächtig, die
Fisch' sein excellent, dös Rindfleisch is famos, -- aber die Mädels, na, die sein
mein Gusto uit!" -- "Was, nit sein Gusto? Ist er denn blind? Wo in der
ganzen Welt hat ihm Gott beschert, ein Frauenzimmer zu sehn, was einer Lon¬
doner Kuhmagd das Wasser reichen thut?" -- "Gehn's, Großvater, gehn's. Die
nobelste Dam' hier kann bei 'ner Pariser Rächerin in die Schul gehn. Ich bin
zweimal und'n gnädigen Herrn in Paris gewesen, ich weiß, was ich sag; so'n
französisches Dings hat Ihnen eine Grazie, eine Tournüre, eine Art-----"
"Hängt die Grazien," schrie der Großvater, auf den Tisch schlagend, daß die
Gläser daraus klangen. "Grazie", Tonrnür', das ist slrawtz-la, (Kriegslist), das
ist Lug und Betrug, das ist keine Kunst, keine Naturschönheit! Die Französinnen
sind wie die Franzosen, Alles eine Bande, Nix wie Komödianterei und Falschheit.
I sa^," vomierte er, flammenroth im Gesicht, indem er zum zweitenmal ans den
Tisch schlug; "i ldez? uro s imUon <>t murüveors, tlo^ Iiavv murüorvÄ
llnür lving '. (Sie sind eine Nation von Mördern, sag ich, sie habe" ihren König
ermordet)." -- war es hohe Zeit, zu intcrveniren. Ich hütete mich natür¬
lich, an Karl 1. z". erinnern, sondern gab Johann einen Wink, sich leise davon¬
zumachen, und brachte ein anderes Gespräch auf das Tapet. Lange noch aber
murmelte der Großvater: nutum ol murüvrer", -.l iuU.>on ol' murne-rors!"
zwischen den. Zähiwil, und Johann blieb den ganzen Nuchmittag in Ungnade
bei ihm.


Lumpestadt, komme die Grindköpp' in Frankfurt an den Main, und wolle, man
soll auf die Polizei den Hut vor sie abnehme!"

Niles Tages überraschte ich den Großvater beim Versuch, sogar an Johann
einen Projekten zu machen. „Komme Sie her, mein lieber Johann," sagte er
mit schmeichelnder Stimme, „wirklich, Johann is ein recht hübscher Jung', komme
Sie!" Nachdem er ihn durch dieses Kompliment genügend bestochen glaub.te, be¬
gann er, Johann's Meinungen und Ansichten über das schöne Geschlecht in Alt-
cngland zu erforschen. Für die englische Verfassung und die englische Kirche konnte
er von dem Kammerdiener keine Bewunderung verlangen, er schlug also schlauer
Weise die rein menschliche Saite an und erwartete, allermindestens, eine Liebes-
erklärung zu Gunsten der rosigen Schönen seines Vaterlandes. Leider harmonirte
Johann's Geschmack nicht vollständig mit dem des Großvaters. — „Ja, ö' gibt
schon hübsche Gesichter! hier," meinte er leichthin. — „Hübsch?" rief der Alte
beleidigt, „wie heißt hübsch? Sie müssen sagen wunderschön; Sie müssen sagen
gottvoll!" und der Alte hub ein Loblied auf die Schönheit der Engländerinnen
zu singen an, das dem Feuer eines jugendlichem Ritters Ehre gemacht hätte; er
schloß mit der Behauptung, die häßlichste Britin sei reizender als die feinste Dame
jenseits des Canals. Hitzig erwiederte Johann, der offenbar durch häufige Ge¬
spräche ähnlicher Art auf ziemlich vertrauten Fuß mit seinem Gegner gelangt war:
„Na, na, Großvater, was wahr is, is wahr. Dös Bier hier is prächtig, die
Fisch' sein excellent, dös Rindfleisch is famos, — aber die Mädels, na, die sein
mein Gusto uit!" — „Was, nit sein Gusto? Ist er denn blind? Wo in der
ganzen Welt hat ihm Gott beschert, ein Frauenzimmer zu sehn, was einer Lon¬
doner Kuhmagd das Wasser reichen thut?" — „Gehn's, Großvater, gehn's. Die
nobelste Dam' hier kann bei 'ner Pariser Rächerin in die Schul gehn. Ich bin
zweimal und'n gnädigen Herrn in Paris gewesen, ich weiß, was ich sag; so'n
französisches Dings hat Ihnen eine Grazie, eine Tournüre, eine Art---—"
„Hängt die Grazien," schrie der Großvater, auf den Tisch schlagend, daß die
Gläser daraus klangen. „Grazie», Tonrnür', das ist slrawtz-la, (Kriegslist), das
ist Lug und Betrug, das ist keine Kunst, keine Naturschönheit! Die Französinnen
sind wie die Franzosen, Alles eine Bande, Nix wie Komödianterei und Falschheit.
I sa^," vomierte er, flammenroth im Gesicht, indem er zum zweitenmal ans den
Tisch schlug; „i ldez? uro s imUon <>t murüveors, tlo^ Iiavv murüorvÄ
llnür lving '. (Sie sind eine Nation von Mördern, sag ich, sie habe» ihren König
ermordet)." — war es hohe Zeit, zu intcrveniren. Ich hütete mich natür¬
lich, an Karl 1. z». erinnern, sondern gab Johann einen Wink, sich leise davon¬
zumachen, und brachte ein anderes Gespräch auf das Tapet. Lange noch aber
murmelte der Großvater: nutum ol murüvrer«, -.l iuU.>on ol' murne-rors!"
zwischen den. Zähiwil, und Johann blieb den ganzen Nuchmittag in Ungnade
bei ihm.


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[0077] Lumpestadt, komme die Grindköpp' in Frankfurt an den Main, und wolle, man soll auf die Polizei den Hut vor sie abnehme!" Niles Tages überraschte ich den Großvater beim Versuch, sogar an Johann einen Projekten zu machen. „Komme Sie her, mein lieber Johann," sagte er mit schmeichelnder Stimme, „wirklich, Johann is ein recht hübscher Jung', komme Sie!" Nachdem er ihn durch dieses Kompliment genügend bestochen glaub.te, be¬ gann er, Johann's Meinungen und Ansichten über das schöne Geschlecht in Alt- cngland zu erforschen. Für die englische Verfassung und die englische Kirche konnte er von dem Kammerdiener keine Bewunderung verlangen, er schlug also schlauer Weise die rein menschliche Saite an und erwartete, allermindestens, eine Liebes- erklärung zu Gunsten der rosigen Schönen seines Vaterlandes. Leider harmonirte Johann's Geschmack nicht vollständig mit dem des Großvaters. — „Ja, ö' gibt schon hübsche Gesichter! hier," meinte er leichthin. — „Hübsch?" rief der Alte beleidigt, „wie heißt hübsch? Sie müssen sagen wunderschön; Sie müssen sagen gottvoll!" und der Alte hub ein Loblied auf die Schönheit der Engländerinnen zu singen an, das dem Feuer eines jugendlichem Ritters Ehre gemacht hätte; er schloß mit der Behauptung, die häßlichste Britin sei reizender als die feinste Dame jenseits des Canals. Hitzig erwiederte Johann, der offenbar durch häufige Ge¬ spräche ähnlicher Art auf ziemlich vertrauten Fuß mit seinem Gegner gelangt war: „Na, na, Großvater, was wahr is, is wahr. Dös Bier hier is prächtig, die Fisch' sein excellent, dös Rindfleisch is famos, — aber die Mädels, na, die sein mein Gusto uit!" — „Was, nit sein Gusto? Ist er denn blind? Wo in der ganzen Welt hat ihm Gott beschert, ein Frauenzimmer zu sehn, was einer Lon¬ doner Kuhmagd das Wasser reichen thut?" — „Gehn's, Großvater, gehn's. Die nobelste Dam' hier kann bei 'ner Pariser Rächerin in die Schul gehn. Ich bin zweimal und'n gnädigen Herrn in Paris gewesen, ich weiß, was ich sag; so'n französisches Dings hat Ihnen eine Grazie, eine Tournüre, eine Art---—" „Hängt die Grazien," schrie der Großvater, auf den Tisch schlagend, daß die Gläser daraus klangen. „Grazie», Tonrnür', das ist slrawtz-la, (Kriegslist), das ist Lug und Betrug, das ist keine Kunst, keine Naturschönheit! Die Französinnen sind wie die Franzosen, Alles eine Bande, Nix wie Komödianterei und Falschheit. I sa^," vomierte er, flammenroth im Gesicht, indem er zum zweitenmal ans den Tisch schlug; „i ldez? uro s imUon <>t murüveors, tlo^ Iiavv murüorvÄ llnür lving '. (Sie sind eine Nation von Mördern, sag ich, sie habe» ihren König ermordet)." — war es hohe Zeit, zu intcrveniren. Ich hütete mich natür¬ lich, an Karl 1. z». erinnern, sondern gab Johann einen Wink, sich leise davon¬ zumachen, und brachte ein anderes Gespräch auf das Tapet. Lange noch aber murmelte der Großvater: nutum ol murüvrer«, -.l iuU.>on ol' murne-rors!" zwischen den. Zähiwil, und Johann blieb den ganzen Nuchmittag in Ungnade bei ihm.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/77>, abgerufen am 22.07.2024.