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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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sich, helfen Sie sich ^) und stärken Sie sich! -- Er leidet nämlich ander fixen Idee,
daß ich, ungewohnt der scharfen Seeluft, auf dem Spaziergang einmal Knall und
Fall verhungern oder doch ohnmächtig werden konnte; dergleichen ttnglückssalle
seien vorgekommen, behauptet er, aber so laug er lebe, dürfe dies einem Gast
seines Hauses uicht Passiren. Deshalb will er mir beim Ausgehen ein Speise-
kvrbchen an die Seite hängen und da ich diesen Vorschlag hartnäckig ablehne, so
benützt er jedem Moment, wo er meiner habhaft wird, um mich mit leckern Extra¬
bissen zu Tode zu füttern; die Großmutter, eine leidenschaftliche Kvchkünstlerin,
mit von: Widerschein der Hcrdflammcn ewig rothen Wangen, dient ihm darin als
getreue und beredte Helfershelferin, lind um meinen Appetit zu spornen, knüpft
er all jeden Schluck und Bissen, den mir seine ängstliche Vorsicht vktroyirt, irgend
eine patriotische Bemerkung. Wie ich das Glas an den Mund setze, spitzt er
wohlgefällig die Lippen und folgt im Geiste jedem Tropfell, der meine Kehle
hinnntergleitet. Gleich wird er England eine Pauke hohen Ruhmes schlagen, --
er merkt, daß der Trunk mir mundet und, dankbar meine Hand fassend, ruft er:
Was sage" Sie, he? ES ist ein ganz gemeines Ale, ich kann Sie versichern, kost't
a paar Heller, aber was sagen Sie? Ist das eine Kraft, eine Lieblichkeit, eine
Gottheit?! Und nachher, -- fährt er entrüstet fort, --nachher kommt mein Neveu Mr.
Joseph aus Wien und will mir in's Gesicht behaupten: in Engelland haben die
anne Leut' Nischt zu trinke!--

Großvater Double-Avr, das Oberhaupt einer weitverzweigten dreieinigen,
englisch-französisch-deutschen Judenfamilie, stammt ans dem südlichen Deutschland
und kam im vorige" Jahrhundert, fast ein Knabe, nach London, wo er sich mit
der Zeit ein bescheidenes, aber warmes Nest baute; ein Seitenzweig der Familie
D. gelaugte in Wien, ein anderer in Paris zu ähnlicher Blüthe. Nun gibt es
auch schou in Wien und in Paris betagte und ehrwürdige Double-Uouö, aber
sämmtliche Sprößlinge der Seitenlinien betrachten den englischen Großvater als
den eigentlichen und legitimen Erzvater ihres Stammes, und so geschieht es, daß
er seine Hand zum Segen über drei Nationalitäten ausstrecken muß, von denen
er eine in seinem Herzen verabscheut und eine verachtet. Tiefen Kummer verur¬
sacht ihm diese Spaltung des Geschlechtes Double-Uvu, lind unter schweren
Seufzern betet er täglich zum Himmel, daß er die Wiener und Pariser D'S. er¬
leuchte und zum britischen Glauben bekehre, auf daß ihr Same sieh niederlasse
in Altengland und daselbst grüne und gedeihe für und für.

Drei verschiedene Zungen klingen jetzt unter demselben Dach durcheinander,
alle Winkel des geräumigen Hauses auf dem Negency Square in Brighton sind
von Gästen aus Wien und Paris besetzt, und wären es nicht lauter liebenswerthe
harmlose Leutchen, und wäre nicht überdies die gemeinsame Verehrung für. den



Help ^oursölk: tedicum Sie sich.

sich, helfen Sie sich ^) und stärken Sie sich! — Er leidet nämlich ander fixen Idee,
daß ich, ungewohnt der scharfen Seeluft, auf dem Spaziergang einmal Knall und
Fall verhungern oder doch ohnmächtig werden konnte; dergleichen ttnglückssalle
seien vorgekommen, behauptet er, aber so laug er lebe, dürfe dies einem Gast
seines Hauses uicht Passiren. Deshalb will er mir beim Ausgehen ein Speise-
kvrbchen an die Seite hängen und da ich diesen Vorschlag hartnäckig ablehne, so
benützt er jedem Moment, wo er meiner habhaft wird, um mich mit leckern Extra¬
bissen zu Tode zu füttern; die Großmutter, eine leidenschaftliche Kvchkünstlerin,
mit von: Widerschein der Hcrdflammcn ewig rothen Wangen, dient ihm darin als
getreue und beredte Helfershelferin, lind um meinen Appetit zu spornen, knüpft
er all jeden Schluck und Bissen, den mir seine ängstliche Vorsicht vktroyirt, irgend
eine patriotische Bemerkung. Wie ich das Glas an den Mund setze, spitzt er
wohlgefällig die Lippen und folgt im Geiste jedem Tropfell, der meine Kehle
hinnntergleitet. Gleich wird er England eine Pauke hohen Ruhmes schlagen, —
er merkt, daß der Trunk mir mundet und, dankbar meine Hand fassend, ruft er:
Was sage» Sie, he? ES ist ein ganz gemeines Ale, ich kann Sie versichern, kost't
a paar Heller, aber was sagen Sie? Ist das eine Kraft, eine Lieblichkeit, eine
Gottheit?! Und nachher, — fährt er entrüstet fort, —nachher kommt mein Neveu Mr.
Joseph aus Wien und will mir in's Gesicht behaupten: in Engelland haben die
anne Leut' Nischt zu trinke!--

Großvater Double-Avr, das Oberhaupt einer weitverzweigten dreieinigen,
englisch-französisch-deutschen Judenfamilie, stammt ans dem südlichen Deutschland
und kam im vorige« Jahrhundert, fast ein Knabe, nach London, wo er sich mit
der Zeit ein bescheidenes, aber warmes Nest baute; ein Seitenzweig der Familie
D. gelaugte in Wien, ein anderer in Paris zu ähnlicher Blüthe. Nun gibt es
auch schou in Wien und in Paris betagte und ehrwürdige Double-Uouö, aber
sämmtliche Sprößlinge der Seitenlinien betrachten den englischen Großvater als
den eigentlichen und legitimen Erzvater ihres Stammes, und so geschieht es, daß
er seine Hand zum Segen über drei Nationalitäten ausstrecken muß, von denen
er eine in seinem Herzen verabscheut und eine verachtet. Tiefen Kummer verur¬
sacht ihm diese Spaltung des Geschlechtes Double-Uvu, lind unter schweren
Seufzern betet er täglich zum Himmel, daß er die Wiener und Pariser D'S. er¬
leuchte und zum britischen Glauben bekehre, auf daß ihr Same sieh niederlasse
in Altengland und daselbst grüne und gedeihe für und für.

Drei verschiedene Zungen klingen jetzt unter demselben Dach durcheinander,
alle Winkel des geräumigen Hauses auf dem Negency Square in Brighton sind
von Gästen aus Wien und Paris besetzt, und wären es nicht lauter liebenswerthe
harmlose Leutchen, und wäre nicht überdies die gemeinsame Verehrung für. den



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/72>, abgerufen am 22.07.2024.