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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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große und reiche Land der Arpadidcn; und wird auch manchmal Oestreich mit
in die Berechnung genommen, so geschieht dieß nnr, weil wir in letzterer Zeit mit
den Oestreichern so handgemein wurde", und wir uoch hoffen einst mit den un¬
lieben Gästen wieder fertig zu werden.

So ist mau hier fest überzeugt, daß ein Hauptpunkt der Warschauer Ver¬
handlungen sich um die an Rußland zu leistende Vergütung für den ungarischen
Feldzug drehte. Schwarzenberg sei nur darum so schnell zurückgekommen, um
seinem Monarchen die Forderungen des EzarS zu überbringen, und man soll
wirklich schon mit den Hauptzügen einer ganz neuen Läudereiutheilllilg fertig
sein, welcher zu Folge Oestreich Galizien, die Bukowina und das Großherzog-
thum Krakau an Nußland abtrete", und dafür mit Toskana, Parma und Modena
entschädigt werde" soll. Die Anwesenheit aller Mitglieder der italienischen Linie
deS Habsburgischen Hanfes in Wien, und die Auszeichnung, mit welcher ihnen
dort begegnet wird, so wie die Pause, welche in der Militairconventions - und
ZollverbiudnugSaugelegenheit eingetreten ist, sind eben so viele Umstände, welche
dieser Combination zur Folie dienen müssen. 1000 HZ Meilen und 4 ^ Mill.
so trefflich gedrillte galizische Bauer" für 000 sH Meilen und 2 Mill. rebellische
Italiener hinzugebe", ist zwar kei" glänzendes Geschäft; aber man glaubt damit
die Theilung Polens eüngermaßen gut zu macheu, und Ungarn, welches man wie¬
der in seine Integrität herstellen will, wird gegen das schwierige Italien genügende
Macht bieten; auch wird das bereits gefürchtete slavische Element dadurch ge¬
schwächt, ja es ließe sich vielleicht bei eiuer mögliche" Eventualität in Italien die
Rolle Sardiniens übernehmen u. s. w. NvIaKr n-i'on. --

Die in Aussicht gestellte Aufhebung der Zwischenzölle hat bei den verschie¬
dene" .Klasse" u"d Parteien einen sehr verschiedenen Eindruck gemacht. Die
nationale Partei sieht darin eine neue Lockspeise, um der Germanisirung des
Landes alle Thore zu öffnen, nud merkwürdigerweise ist diese Meinung bei den
Slaven viel lauter als bei den Magyaren; die Industriellen klagen, daß ihre Un¬
fähigkeit mit der östreichischen Industrie zu concurriren gar nicht in Betracht ge¬
zogen wurde; die Grundbesitzer meine", Kossuth hätte, wen" es ihm gelungen
wäre, Ungar" unabhängig zu machen, dem Handel des Landes ganz andere Wege
zu öffnen gewußt, als nach dem banknvrenreichen und creditarmen Kaiserstaat,
und die Aussicht aus ein Tabakmonopol wird von Allen zugleich als die größte
Calamität für das Land bezeichnet. Die östreichische Negierung hat gewiß bei
der Aushebung der Zwischenzölle einer gebieterische" Nothwendigkeit gefolgt, und
für Ungarn müssen neben den unläugbaren Verlusten einzelner Klassen im Ganzen
große Vortheile daraus erwachse"; aber das ist das Schicksal aller Ordonuam
zen, sie erregen Haß wen" sie schlecht, und Mißdeutung wenn sie gut sind.
Unser jugendlicher Monarch sollte doch manchmal in der Geschichte seines Groß-
oheims, Kaiser Joseph le. blättern. --


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große und reiche Land der Arpadidcn; und wird auch manchmal Oestreich mit
in die Berechnung genommen, so geschieht dieß nnr, weil wir in letzterer Zeit mit
den Oestreichern so handgemein wurde», und wir uoch hoffen einst mit den un¬
lieben Gästen wieder fertig zu werden.

So ist mau hier fest überzeugt, daß ein Hauptpunkt der Warschauer Ver¬
handlungen sich um die an Rußland zu leistende Vergütung für den ungarischen
Feldzug drehte. Schwarzenberg sei nur darum so schnell zurückgekommen, um
seinem Monarchen die Forderungen des EzarS zu überbringen, und man soll
wirklich schon mit den Hauptzügen einer ganz neuen Läudereiutheilllilg fertig
sein, welcher zu Folge Oestreich Galizien, die Bukowina und das Großherzog-
thum Krakau an Nußland abtrete», und dafür mit Toskana, Parma und Modena
entschädigt werde» soll. Die Anwesenheit aller Mitglieder der italienischen Linie
deS Habsburgischen Hanfes in Wien, und die Auszeichnung, mit welcher ihnen
dort begegnet wird, so wie die Pause, welche in der Militairconventions - und
ZollverbiudnugSaugelegenheit eingetreten ist, sind eben so viele Umstände, welche
dieser Combination zur Folie dienen müssen. 1000 HZ Meilen und 4 ^ Mill.
so trefflich gedrillte galizische Bauer» für 000 sH Meilen und 2 Mill. rebellische
Italiener hinzugebe», ist zwar kei» glänzendes Geschäft; aber man glaubt damit
die Theilung Polens eüngermaßen gut zu macheu, und Ungarn, welches man wie¬
der in seine Integrität herstellen will, wird gegen das schwierige Italien genügende
Macht bieten; auch wird das bereits gefürchtete slavische Element dadurch ge¬
schwächt, ja es ließe sich vielleicht bei eiuer mögliche» Eventualität in Italien die
Rolle Sardiniens übernehmen u. s. w. NvIaKr n-i'on. —

Die in Aussicht gestellte Aufhebung der Zwischenzölle hat bei den verschie¬
dene» .Klasse» u»d Parteien einen sehr verschiedenen Eindruck gemacht. Die
nationale Partei sieht darin eine neue Lockspeise, um der Germanisirung des
Landes alle Thore zu öffnen, nud merkwürdigerweise ist diese Meinung bei den
Slaven viel lauter als bei den Magyaren; die Industriellen klagen, daß ihre Un¬
fähigkeit mit der östreichischen Industrie zu concurriren gar nicht in Betracht ge¬
zogen wurde; die Grundbesitzer meine», Kossuth hätte, wen» es ihm gelungen
wäre, Ungar» unabhängig zu machen, dem Handel des Landes ganz andere Wege
zu öffnen gewußt, als nach dem banknvrenreichen und creditarmen Kaiserstaat,
und die Aussicht aus ein Tabakmonopol wird von Allen zugleich als die größte
Calamität für das Land bezeichnet. Die östreichische Negierung hat gewiß bei
der Aushebung der Zwischenzölle einer gebieterische» Nothwendigkeit gefolgt, und
für Ungarn müssen neben den unläugbaren Verlusten einzelner Klassen im Ganzen
große Vortheile daraus erwachse»; aber das ist das Schicksal aller Ordonuam
zen, sie erregen Haß wen» sie schlecht, und Mißdeutung wenn sie gut sind.
Unser jugendlicher Monarch sollte doch manchmal in der Geschichte seines Groß-
oheims, Kaiser Joseph le. blättern. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/515>, abgerufen am 22.07.2024.