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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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nommer haben. Eine ähnliche Ceremonie von dem Götzendienst der slavischen
Mvrana erhielt sich außer bei den Walachen nnr noch in einzelnen Dörfern des
mittleren Böhmen bis auf den heutigen Tag im Schwunge. Vor dreihundert
Jahren faud derlei uoch in viel mehren Orten alljährlich statt; berichtet uns doch
selbst die sächsische Chronik etwas Aehnliches vou einem solchen Fastnachtspiel im
l^i. Jahrhundert, aufgeführt vou Dirnen am halleschen Thore zu Leipzig, der
alten Lindenstadt der Elbslaveu: I.ii>L!""^

Der Name Wlacl) oder Walach bedeutete bei alleu slavischen Völkerschaften
ursprünglich jedes Volt celtischen Stammes (vergleiche die verwandten: Walch,
wälsch, gaul, Galli und dergl.). Bei den Nordslaven hat sich diese Bedeutung uoch
erhalten, die Südslaven hingegen dehnen dieselbe sehr weit aus, auf alle anders
sprechenden, oder auch nur anders glaubenden. Außerdem führen die mährischen
Walachen noch verschiedene Benennungen, die theils von ihrer Beschäftigung und
Lebensweise, theils vou ihren Wohnplätzen hergekommen sind, als z. B. Sallassükeu,
Zalezükeu, Pasekaren, Jawvrniccr, Kapanicaren ri. a. in. In der mährischen
Landesgeschichte werden die Walachen selten genannt. Wir wissen, daß die
Lehren des Huß durch Martin Loquis in Mähren propagirt, sehr leicht und früh bei
diesem vereinzelte" Völkchen Anklang fanden. Die Walachen wurden sehr eifrige
Hussiten und standen beharrlich und unerschütterlich fest bei der neuen Lehre des
Kelchs. Als uach der Schlacht am weißen Berge bei Prag der Herr gewordene
Kaiser Böhmen und Mähren mit allen Gräueln des Fanatismus erfüllend durch
seiue Schergen Dielrichstei", Karl vou Lichteustei", Harrach n. A. in den Schooß
der alleinseligmachenden Kirche zurückzuführen bemüht war, weigerten sich unsere
Walachen am hartnäckigsten die Lebren des Huß abzuschwören und zum Katholicis¬
mus zu treten, so viel sie auch Cardinal Dietrichsteiu's Inquisitoren drängten.
Tiefer Groll gegen die neuen Machthaber erfüllte ihr Inneres. Als die Schweden
im Jahre 1643 unter Torsteusohn in der Mark Mähren einfielen, wurden sie von
den Walachen als Glaubensfrennde und Erretter freudig begrüßt. Die Walachen
erhoben sich in hellen Hausen gegen das kaiserliche Regiment und wollten zu den
Schweden stoßen. Zu ihrem Führer erhoben sie den Capitän Roman, der den
Uns des tapfersten und weisesten unter ihnen besaß und im Kampf gegen Ferdinand II.
vor dreißig Jahren am weißen Berge eine walachische Schaar tapfer geführt hatte.
Roman aber war nicht einverstanden mit dem Vorhaben seines Volkes, er mahnte
ab von dem Bündniß mit Schweden und ermahnte zur Ruhe mit allen Mitteln
der Rede. Vergebens! Ein kühner Bauer, Kowür, trat an die Spitze der Em¬
pörten und organisirte sie in KriegeShanfen. Unterfeldherr ward dessen ältester
Sohn. Auf dem Banner des Kowür stand die Devise: "55a do/i Sloop a vlasl,"
(Für Gottes Wort und das Vaterland). Eben damals lagerten die Schweden vor
Olmütz und die Walachen führten ihnen Proviant in Menge auf Wagen und
Saumthieren zu. Am 13. Febr. 1643, als die Schweden schon in Olmütz einge-


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nommer haben. Eine ähnliche Ceremonie von dem Götzendienst der slavischen
Mvrana erhielt sich außer bei den Walachen nnr noch in einzelnen Dörfern des
mittleren Böhmen bis auf den heutigen Tag im Schwunge. Vor dreihundert
Jahren faud derlei uoch in viel mehren Orten alljährlich statt; berichtet uns doch
selbst die sächsische Chronik etwas Aehnliches vou einem solchen Fastnachtspiel im
l^i. Jahrhundert, aufgeführt vou Dirnen am halleschen Thore zu Leipzig, der
alten Lindenstadt der Elbslaveu: I.ii>L!«»^

Der Name Wlacl) oder Walach bedeutete bei alleu slavischen Völkerschaften
ursprünglich jedes Volt celtischen Stammes (vergleiche die verwandten: Walch,
wälsch, gaul, Galli und dergl.). Bei den Nordslaven hat sich diese Bedeutung uoch
erhalten, die Südslaven hingegen dehnen dieselbe sehr weit aus, auf alle anders
sprechenden, oder auch nur anders glaubenden. Außerdem führen die mährischen
Walachen noch verschiedene Benennungen, die theils von ihrer Beschäftigung und
Lebensweise, theils vou ihren Wohnplätzen hergekommen sind, als z. B. Sallassükeu,
Zalezükeu, Pasekaren, Jawvrniccr, Kapanicaren ri. a. in. In der mährischen
Landesgeschichte werden die Walachen selten genannt. Wir wissen, daß die
Lehren des Huß durch Martin Loquis in Mähren propagirt, sehr leicht und früh bei
diesem vereinzelte» Völkchen Anklang fanden. Die Walachen wurden sehr eifrige
Hussiten und standen beharrlich und unerschütterlich fest bei der neuen Lehre des
Kelchs. Als uach der Schlacht am weißen Berge bei Prag der Herr gewordene
Kaiser Böhmen und Mähren mit allen Gräueln des Fanatismus erfüllend durch
seiue Schergen Dielrichstei», Karl vou Lichteustei», Harrach n. A. in den Schooß
der alleinseligmachenden Kirche zurückzuführen bemüht war, weigerten sich unsere
Walachen am hartnäckigsten die Lebren des Huß abzuschwören und zum Katholicis¬
mus zu treten, so viel sie auch Cardinal Dietrichsteiu's Inquisitoren drängten.
Tiefer Groll gegen die neuen Machthaber erfüllte ihr Inneres. Als die Schweden
im Jahre 1643 unter Torsteusohn in der Mark Mähren einfielen, wurden sie von
den Walachen als Glaubensfrennde und Erretter freudig begrüßt. Die Walachen
erhoben sich in hellen Hausen gegen das kaiserliche Regiment und wollten zu den
Schweden stoßen. Zu ihrem Führer erhoben sie den Capitän Roman, der den
Uns des tapfersten und weisesten unter ihnen besaß und im Kampf gegen Ferdinand II.
vor dreißig Jahren am weißen Berge eine walachische Schaar tapfer geführt hatte.
Roman aber war nicht einverstanden mit dem Vorhaben seines Volkes, er mahnte
ab von dem Bündniß mit Schweden und ermahnte zur Ruhe mit allen Mitteln
der Rede. Vergebens! Ein kühner Bauer, Kowür, trat an die Spitze der Em¬
pörten und organisirte sie in KriegeShanfen. Unterfeldherr ward dessen ältester
Sohn. Auf dem Banner des Kowür stand die Devise: „55a do/i Sloop a vlasl,"
(Für Gottes Wort und das Vaterland). Eben damals lagerten die Schweden vor
Olmütz und die Walachen führten ihnen Proviant in Menge auf Wagen und
Saumthieren zu. Am 13. Febr. 1643, als die Schweden schon in Olmütz einge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/507>, abgerufen am 22.07.2024.