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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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schaftlichsten Feinde ihrer frühern Partei; dagegen hat wunderbarerweise Bach
noch immer bedeutende Sympathien, in Böhmen ganz besonders, in der ältern
NcichStagspartei, wenn auch durchaus uicht im grundbesitzenden Adel. Auch
Schmerling ist, seiner Frankfurter Anteeeudeuzien ungeachtet, bei den Bot men in
gutem Andenken. Die Kroaten sind eitel auf ihren Knlmer im Ministerrath, --
dagegen hassen sie Bach als centralisirenden Uniformer.

Wien hat sich von Bach ganz abgewendet, traut Schmerling mehr geraden
Sinn, mehr Rechtlichkeit zu, terrorisirt den Handelsminister Brück, und achtet Kraus,
obwohl uicht als geschicktem irgend fernsichtigen Finanzier, so doch als grundehrlichen
Manu, als welche" ihn überdies ganz Oestreich anerkennt.

Mähren mit Brünn ist eine Null in solchen Fragen. Herr Gcuerälproeuratot
v, Kaplan Mayer und Herr Kaufmann Häring zu Brünn sind kopfüber mini¬
steriell, VILO muß ganz Mähren ebenfalls ministeriell sein. Die oppositionelle
Presse Zauy's will als exotische Pflanze uicht gedeihen im mährischen Boden.

Trieft vergöttert seinen. Kaufmann Bruck und würde gern bei Papst Pius um
seine Heiligsprechung pelitioniren, Trieft vergöttert überhaupt deu ganzen Minister¬
rath, anch hat Brück mit seinen College" dieses Triest wirklich ans Kosten der
alten Vcnelia, ja aus Kohle" aller, ausgestattet zur reichsten Braut der Zukunft.

Tyrol steckt geweihte Kerzen aus für Leo Thun.

Galizien, wo heute die Lauern, die Beamten nud die zum Natiouälitätsbe-
wußtsein mühsam aufgerüttelten illuthenen allein als berechtigt gelten, ist äußer¬
lich ganz servil und ruhig; diese Urtheilen nehmen das Wenige, das ihnen geboten
wird, mit dankbarer hungriger sklavenhaft wie ein Alnioseir hin. Alles, was Pole, oder
gar adeliger Pole heißt, wird vou vornherein als Rebell, als Hochverräther betrachtet
und gelegentlich auch behandelt. Man muß die ruthenische Natioualitätsweckerei in der
Nähe gesellen haben, um sie gehörig zu würdigen. Wären die Leute nicht zu¬
fällig griechischen Glaubens und eben deshalb aus Auftrag ihrer Priester den
Polen gram, weil der polnisch-katholische Clerus sehr wohl dotirt, der ruthe-
nisch-griechische auf deu Hunger angewiesen ist, eben deshalb den ruthenischen
Bauer gegen die Polen setzet im Solde der Regierung, -- niemals wären diese
Urtheilen zu dem sogenannten ruthenischen Bewußtsein gekommen, in welchem das
Gemachte, das Gezwungene, das geradezu Dumme, sich überall kundgibt, und
politisch bornirt endlich sind diese Leute in kaum glaublicher Weise.

Als Graf Stadion, damals Gouverneur Galüiens, das ruthenische Bewußt¬
sein fabrizirte als uengescharfte Waffe gegen die fatalen Polen, sah er freilich die
Märztage nicht voraus, er sah nicht voraus, daß dieses Bewußtsein, sollte es einst er¬
starken und Wahrheit werden, Galizien dem weißen (5zar in die 'Arme werfen muß,
denn dorthin, zum K^r, zum griechisch-kirchlichen Oberhaupte sind die Sympathien
der Urtheilen, wohl auch der Serben gerichtet, und nicht wenig Hai die russische
Intervention beigetragen, diese Sympathien zu nähren und anzufachen.


schaftlichsten Feinde ihrer frühern Partei; dagegen hat wunderbarerweise Bach
noch immer bedeutende Sympathien, in Böhmen ganz besonders, in der ältern
NcichStagspartei, wenn auch durchaus uicht im grundbesitzenden Adel. Auch
Schmerling ist, seiner Frankfurter Anteeeudeuzien ungeachtet, bei den Bot men in
gutem Andenken. Die Kroaten sind eitel auf ihren Knlmer im Ministerrath, —
dagegen hassen sie Bach als centralisirenden Uniformer.

Wien hat sich von Bach ganz abgewendet, traut Schmerling mehr geraden
Sinn, mehr Rechtlichkeit zu, terrorisirt den Handelsminister Brück, und achtet Kraus,
obwohl uicht als geschicktem irgend fernsichtigen Finanzier, so doch als grundehrlichen
Manu, als welche» ihn überdies ganz Oestreich anerkennt.

Mähren mit Brünn ist eine Null in solchen Fragen. Herr Gcuerälproeuratot
v, Kaplan Mayer und Herr Kaufmann Häring zu Brünn sind kopfüber mini¬
steriell, VILO muß ganz Mähren ebenfalls ministeriell sein. Die oppositionelle
Presse Zauy's will als exotische Pflanze uicht gedeihen im mährischen Boden.

Trieft vergöttert seinen. Kaufmann Bruck und würde gern bei Papst Pius um
seine Heiligsprechung pelitioniren, Trieft vergöttert überhaupt deu ganzen Minister¬
rath, anch hat Brück mit seinen College» dieses Triest wirklich ans Kosten der
alten Vcnelia, ja aus Kohle» aller, ausgestattet zur reichsten Braut der Zukunft.

Tyrol steckt geweihte Kerzen aus für Leo Thun.

Galizien, wo heute die Lauern, die Beamten nud die zum Natiouälitätsbe-
wußtsein mühsam aufgerüttelten illuthenen allein als berechtigt gelten, ist äußer¬
lich ganz servil und ruhig; diese Urtheilen nehmen das Wenige, das ihnen geboten
wird, mit dankbarer hungriger sklavenhaft wie ein Alnioseir hin. Alles, was Pole, oder
gar adeliger Pole heißt, wird vou vornherein als Rebell, als Hochverräther betrachtet
und gelegentlich auch behandelt. Man muß die ruthenische Natioualitätsweckerei in der
Nähe gesellen haben, um sie gehörig zu würdigen. Wären die Leute nicht zu¬
fällig griechischen Glaubens und eben deshalb aus Auftrag ihrer Priester den
Polen gram, weil der polnisch-katholische Clerus sehr wohl dotirt, der ruthe-
nisch-griechische auf deu Hunger angewiesen ist, eben deshalb den ruthenischen
Bauer gegen die Polen setzet im Solde der Regierung, — niemals wären diese
Urtheilen zu dem sogenannten ruthenischen Bewußtsein gekommen, in welchem das
Gemachte, das Gezwungene, das geradezu Dumme, sich überall kundgibt, und
politisch bornirt endlich sind diese Leute in kaum glaublicher Weise.

Als Graf Stadion, damals Gouverneur Galüiens, das ruthenische Bewußt¬
sein fabrizirte als uengescharfte Waffe gegen die fatalen Polen, sah er freilich die
Märztage nicht voraus, er sah nicht voraus, daß dieses Bewußtsein, sollte es einst er¬
starken und Wahrheit werden, Galizien dem weißen (5zar in die 'Arme werfen muß,
denn dorthin, zum K^r, zum griechisch-kirchlichen Oberhaupte sind die Sympathien
der Urtheilen, wohl auch der Serben gerichtet, und nicht wenig Hai die russische
Intervention beigetragen, diese Sympathien zu nähren und anzufachen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/402>, abgerufen am 22.07.2024.