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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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hörteste Verbrechen nicht in Erstannen scheu. So lange wir nicht von der großen
Wahrheit: das; Recht, Gewissen, Ehre hoch über allen Rücksichten politischer Zweck¬
mäßigkeit erhaben sind, daß weder die Rettung der Monarchie noch die Herstel¬
lung eines absoluten Tngendstaatö das Verbrechen rechtfertigt, so lange wir
Von dieser Wahrheit nicht innerlich erschüttert und durchdrungen sind, so lange
wird unser polnisches Leben ebenso haltlos, kleinlich und gemein bleiben, als unsere
socialen Zustände. --

Ich gehe zum zweiten Punkt über. -- Ich erkenne als den Mittelpunkt unserer
gesellschaftlichen und politischen Ordnung die Heiligkeit der Majestät. -- Abge¬
sehen von allein göttlichen Recht, das man durch eine bloße Behauptung nicht
beweisen kann, treibt uns die Selbsterhaltung, am Königthum festzuhalten. --
Das Königthum ist selbst in England, wo seine Functionen dein Anschein nach so
eng begrenzt sind, die feste Grnndsänle alles politischen Lebens. -- Ich glaube,
daß in einem Lande des salischen Gesetzes, in einem Lande, das von einer über¬
mächtige"? Aristokratie nicht vollständig beherrscht wird, die Attribute des consti-
tutionellen Königthums viel umfangreicher sein können, als in England, ohne da¬
durch an ihrer Heiligkeit einzubüßen.

Wenn aber eine extreme, fanatische Partei, eine Partei, die bei der großen
Mehrzahl des Volks ebenso verhaßt als verachtet ist, in unablässiger Anstrengung
bemüht ist, die Person des Königs in den Kampf zu ziehen, ihre eignen Ansichten,
Leidenschaften, Zwecke mit dein Purpurmantel zu überdecken, ja den Monarchen als
ihren persönlichen Leiter darzustellen -- so tastet sie dadurch die Heiligkeit deö
Königthums ans eine viel gefährlichere Weise an, als die Demokratie mit ihrer
Frechheit und ihren Verleumdungen.

Denn was kann das Königthum tiefer herabsetzen, als die Meinung, der
Monarch sei der persönliche Führer einer Partei, deren Organe Ohm und Gödsche sind!

Mein Vorwurf reicht "och über Ohm und Gödsche hinaus. -- Niemand
wird den persönlichen Muth der Männer bezweifeln, welche gegenwärtig das Nuder
des preußischen Staats führen. Aber in der Ungeschicklichkeit ihres Verfahrens liegt
für die öffentliche Meinung, die zwar nicht der einzige, aber ein wesentlicher Factor
des Staatslebens ist, nicht viel weniger Gefahr, als in der Bosheit der Feinde
der Monarchie. -- Brandenburg, Manteuffel n. f. w. mögen noch so fest von
der Nichtigkeit ihres Princips überzeugt sein, sie dürfe" uicht vergessen, daß die
Krone über ihrem Princip steht; sie müssen sich den Fall denken, daß ihr Princip
gestürzt wird, und daß die Krone dennoch bleibt. In dieser Trennung sind sie nicht
vorsichtig genug; sie identificiren ihr Princip mit dem monarchischen Princip, und
damit die Opposition mit dein Republikanismus. Sie lassen die Persönlichkeit deö
Königs zu viel, die ihrige, die doch das Königthum decken soll, zu wenig hervor¬
treten. Sie fordern im Einzelnen -- das müssen anch ihre Gegner anerkennen --
den Haß der bösen Leidenschaften gegen ihre Person heraus; aber sie motiviren


hörteste Verbrechen nicht in Erstannen scheu. So lange wir nicht von der großen
Wahrheit: das; Recht, Gewissen, Ehre hoch über allen Rücksichten politischer Zweck¬
mäßigkeit erhaben sind, daß weder die Rettung der Monarchie noch die Herstel¬
lung eines absoluten Tngendstaatö das Verbrechen rechtfertigt, so lange wir
Von dieser Wahrheit nicht innerlich erschüttert und durchdrungen sind, so lange
wird unser polnisches Leben ebenso haltlos, kleinlich und gemein bleiben, als unsere
socialen Zustände. —

Ich gehe zum zweiten Punkt über. — Ich erkenne als den Mittelpunkt unserer
gesellschaftlichen und politischen Ordnung die Heiligkeit der Majestät. — Abge¬
sehen von allein göttlichen Recht, das man durch eine bloße Behauptung nicht
beweisen kann, treibt uns die Selbsterhaltung, am Königthum festzuhalten. —
Das Königthum ist selbst in England, wo seine Functionen dein Anschein nach so
eng begrenzt sind, die feste Grnndsänle alles politischen Lebens. — Ich glaube,
daß in einem Lande des salischen Gesetzes, in einem Lande, das von einer über¬
mächtige«? Aristokratie nicht vollständig beherrscht wird, die Attribute des consti-
tutionellen Königthums viel umfangreicher sein können, als in England, ohne da¬
durch an ihrer Heiligkeit einzubüßen.

Wenn aber eine extreme, fanatische Partei, eine Partei, die bei der großen
Mehrzahl des Volks ebenso verhaßt als verachtet ist, in unablässiger Anstrengung
bemüht ist, die Person des Königs in den Kampf zu ziehen, ihre eignen Ansichten,
Leidenschaften, Zwecke mit dein Purpurmantel zu überdecken, ja den Monarchen als
ihren persönlichen Leiter darzustellen — so tastet sie dadurch die Heiligkeit deö
Königthums ans eine viel gefährlichere Weise an, als die Demokratie mit ihrer
Frechheit und ihren Verleumdungen.

Denn was kann das Königthum tiefer herabsetzen, als die Meinung, der
Monarch sei der persönliche Führer einer Partei, deren Organe Ohm und Gödsche sind!

Mein Vorwurf reicht »och über Ohm und Gödsche hinaus. — Niemand
wird den persönlichen Muth der Männer bezweifeln, welche gegenwärtig das Nuder
des preußischen Staats führen. Aber in der Ungeschicklichkeit ihres Verfahrens liegt
für die öffentliche Meinung, die zwar nicht der einzige, aber ein wesentlicher Factor
des Staatslebens ist, nicht viel weniger Gefahr, als in der Bosheit der Feinde
der Monarchie. — Brandenburg, Manteuffel n. f. w. mögen noch so fest von
der Nichtigkeit ihres Princips überzeugt sein, sie dürfe» uicht vergessen, daß die
Krone über ihrem Princip steht; sie müssen sich den Fall denken, daß ihr Princip
gestürzt wird, und daß die Krone dennoch bleibt. In dieser Trennung sind sie nicht
vorsichtig genug; sie identificiren ihr Princip mit dem monarchischen Princip, und
damit die Opposition mit dein Republikanismus. Sie lassen die Persönlichkeit deö
Königs zu viel, die ihrige, die doch das Königthum decken soll, zu wenig hervor¬
treten. Sie fordern im Einzelnen — das müssen anch ihre Gegner anerkennen —
den Haß der bösen Leidenschaften gegen ihre Person heraus; aber sie motiviren


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[0372] hörteste Verbrechen nicht in Erstannen scheu. So lange wir nicht von der großen Wahrheit: das; Recht, Gewissen, Ehre hoch über allen Rücksichten politischer Zweck¬ mäßigkeit erhaben sind, daß weder die Rettung der Monarchie noch die Herstel¬ lung eines absoluten Tngendstaatö das Verbrechen rechtfertigt, so lange wir Von dieser Wahrheit nicht innerlich erschüttert und durchdrungen sind, so lange wird unser polnisches Leben ebenso haltlos, kleinlich und gemein bleiben, als unsere socialen Zustände. — Ich gehe zum zweiten Punkt über. — Ich erkenne als den Mittelpunkt unserer gesellschaftlichen und politischen Ordnung die Heiligkeit der Majestät. — Abge¬ sehen von allein göttlichen Recht, das man durch eine bloße Behauptung nicht beweisen kann, treibt uns die Selbsterhaltung, am Königthum festzuhalten. — Das Königthum ist selbst in England, wo seine Functionen dein Anschein nach so eng begrenzt sind, die feste Grnndsänle alles politischen Lebens. — Ich glaube, daß in einem Lande des salischen Gesetzes, in einem Lande, das von einer über¬ mächtige«? Aristokratie nicht vollständig beherrscht wird, die Attribute des consti- tutionellen Königthums viel umfangreicher sein können, als in England, ohne da¬ durch an ihrer Heiligkeit einzubüßen. Wenn aber eine extreme, fanatische Partei, eine Partei, die bei der großen Mehrzahl des Volks ebenso verhaßt als verachtet ist, in unablässiger Anstrengung bemüht ist, die Person des Königs in den Kampf zu ziehen, ihre eignen Ansichten, Leidenschaften, Zwecke mit dein Purpurmantel zu überdecken, ja den Monarchen als ihren persönlichen Leiter darzustellen — so tastet sie dadurch die Heiligkeit deö Königthums ans eine viel gefährlichere Weise an, als die Demokratie mit ihrer Frechheit und ihren Verleumdungen. Denn was kann das Königthum tiefer herabsetzen, als die Meinung, der Monarch sei der persönliche Führer einer Partei, deren Organe Ohm und Gödsche sind! Mein Vorwurf reicht »och über Ohm und Gödsche hinaus. — Niemand wird den persönlichen Muth der Männer bezweifeln, welche gegenwärtig das Nuder des preußischen Staats führen. Aber in der Ungeschicklichkeit ihres Verfahrens liegt für die öffentliche Meinung, die zwar nicht der einzige, aber ein wesentlicher Factor des Staatslebens ist, nicht viel weniger Gefahr, als in der Bosheit der Feinde der Monarchie. — Brandenburg, Manteuffel n. f. w. mögen noch so fest von der Nichtigkeit ihres Princips überzeugt sein, sie dürfe» uicht vergessen, daß die Krone über ihrem Princip steht; sie müssen sich den Fall denken, daß ihr Princip gestürzt wird, und daß die Krone dennoch bleibt. In dieser Trennung sind sie nicht vorsichtig genug; sie identificiren ihr Princip mit dem monarchischen Princip, und damit die Opposition mit dein Republikanismus. Sie lassen die Persönlichkeit deö Königs zu viel, die ihrige, die doch das Königthum decken soll, zu wenig hervor¬ treten. Sie fordern im Einzelnen — das müssen anch ihre Gegner anerkennen — den Haß der bösen Leidenschaften gegen ihre Person heraus; aber sie motiviren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/372>, abgerufen am 22.07.2024.