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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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wohnlich in der Front nur eine Kirche und einen offenen Hof; das Wohnge-
bäude der Brüder schließt sich an den Hintergrund der Kirche an und dehnt sich
in ein Nebengäßchen oder in einen hochnmzäumlen Garten; die Fenster der Zel¬
len sind zum größten Theile oder sämmtlich "ach dem innern Hos gerichtet.
Die Bewohner tragen eine weite, schwarze oder dunkelbraune Kutte von grobem
Tuch, die mit einer Kaputze versehen ist, eine weiße strickförmige Schnur um die
Lenden, und Holzsohlen die mit einem Querriemen auf dem Rücken des nackten
Fußes befestigt sind (Barfüßler). Ihre körperliche Beschäftigung besteht in
Betteln, Essen, Trinke", Schlafen, und -- Gähnen; ihre geistige Thätigkeit in
Beten, Messen- und Legendenlesen, Heiligensratzen malen, und nnr selten
in einem benachbarten Dorfe Elementar-, noch seltener in ihren eigenen Mauern
Gymnasialnnterricht ertheilen.

Hat das Kloster die Kirche in der Mitte, oder in einer Ecke, an der sich
das ein bis zwei Stock hohe Wohngebäude, mit mittelgroßen, die Straße sich
öffnenden Fenstern hinzieht, so gehören die Einwohner zum Orden des heiligen
Benedictus oder der "Llittwram parum, welche letztere, Plansten genannt, den
größten Theil des ungarischen GymnasiälnuterrichtS in Händen haben, und von
denen viele, von einem besseren Geiste beseelt, manche wohlgemeinte Reform
im Schulwesen an der Hartnäckigkeit des Systems scheitern sehen mußten. --
Die Plansten haben anch in der Revolutionszeit offen die Partei der Nation
ergriffen. Die Benedictiner, ebenfalls unterrichtende Mönche, aber in kleinerer
Anzahl vorhanden, stehen als erklärte Feinde der Jesuiten diesen um so näher,
haben eine sehr bedächtige Politik und wissen immer zwischen zwei Felsen unver¬
sehrt durchzuschlüpfen. Die Bettelmönche sind ein sehr bornirteS, apathisches
Völkchen, das sich bei den Siegen der Magyaren wie bei den östreichischen
Blutgerichten mit gleicher Stupidität bekreuzigte, nud aus das Volk so sehr ohne
allen Einfluß ist, daß weder Kossuth noch Haynan von ihnen Notiz nahm.

Doch kehren wir zu unserem Piaristcu- oder Benedictiner- Gymnasium zu¬
rück. -- ES ist 7'/2 Uhr Morgens; wir treten in einen länglichen, zu Anfang
des Schuljahrs rein gescheuerten und weißgetünchten, später aber an den Wän¬
den mit allerlei bizarren Figuren und Dintenller.en bemalten Saal, welcher größ-
tentheils mit Schulbänke" ausgefüllt ist, die von der Thüre zur entgegenge¬
setzten Wand einen offenen Gang zwischen sich lassen, wo sich dann ein kasten-
ähnlicheS Gerüste erhebt, zu dem seitwärts 2 -- 4 Treppen führen. ES ist der
Thron des Mor pi-oldi"""!-, der jetzt noch ans seiner Zelle weilt. Die Räume
des Auditoriums sind mit mehreren kleinen Gruppen von Schülern ausgefüllt;
jede derselbe" scheint einen Mittelpunkt zu haben, um deu sich die tobende Menge
wie die Trabanten um einen Planeten bewegt. -- Diese Mittelpunkte heißen in
der ungarischen Gymnasialsprache "8<.not.KU"re;^" z" deutsch: "Statthalter des
I'nKw ^r,.s,'"8"r von 7V^ --8 lehr Morgens und von 1^ -- 2 Uhr nach


Gvnizl'oder II. ISSN. 44

wohnlich in der Front nur eine Kirche und einen offenen Hof; das Wohnge-
bäude der Brüder schließt sich an den Hintergrund der Kirche an und dehnt sich
in ein Nebengäßchen oder in einen hochnmzäumlen Garten; die Fenster der Zel¬
len sind zum größten Theile oder sämmtlich »ach dem innern Hos gerichtet.
Die Bewohner tragen eine weite, schwarze oder dunkelbraune Kutte von grobem
Tuch, die mit einer Kaputze versehen ist, eine weiße strickförmige Schnur um die
Lenden, und Holzsohlen die mit einem Querriemen auf dem Rücken des nackten
Fußes befestigt sind (Barfüßler). Ihre körperliche Beschäftigung besteht in
Betteln, Essen, Trinke», Schlafen, und — Gähnen; ihre geistige Thätigkeit in
Beten, Messen- und Legendenlesen, Heiligensratzen malen, und nnr selten
in einem benachbarten Dorfe Elementar-, noch seltener in ihren eigenen Mauern
Gymnasialnnterricht ertheilen.

Hat das Kloster die Kirche in der Mitte, oder in einer Ecke, an der sich
das ein bis zwei Stock hohe Wohngebäude, mit mittelgroßen, die Straße sich
öffnenden Fenstern hinzieht, so gehören die Einwohner zum Orden des heiligen
Benedictus oder der »Llittwram parum, welche letztere, Plansten genannt, den
größten Theil des ungarischen GymnasiälnuterrichtS in Händen haben, und von
denen viele, von einem besseren Geiste beseelt, manche wohlgemeinte Reform
im Schulwesen an der Hartnäckigkeit des Systems scheitern sehen mußten. —
Die Plansten haben anch in der Revolutionszeit offen die Partei der Nation
ergriffen. Die Benedictiner, ebenfalls unterrichtende Mönche, aber in kleinerer
Anzahl vorhanden, stehen als erklärte Feinde der Jesuiten diesen um so näher,
haben eine sehr bedächtige Politik und wissen immer zwischen zwei Felsen unver¬
sehrt durchzuschlüpfen. Die Bettelmönche sind ein sehr bornirteS, apathisches
Völkchen, das sich bei den Siegen der Magyaren wie bei den östreichischen
Blutgerichten mit gleicher Stupidität bekreuzigte, nud aus das Volk so sehr ohne
allen Einfluß ist, daß weder Kossuth noch Haynan von ihnen Notiz nahm.

Doch kehren wir zu unserem Piaristcu- oder Benedictiner- Gymnasium zu¬
rück. — ES ist 7'/2 Uhr Morgens; wir treten in einen länglichen, zu Anfang
des Schuljahrs rein gescheuerten und weißgetünchten, später aber an den Wän¬
den mit allerlei bizarren Figuren und Dintenller.en bemalten Saal, welcher größ-
tentheils mit Schulbänke» ausgefüllt ist, die von der Thüre zur entgegenge¬
setzten Wand einen offenen Gang zwischen sich lassen, wo sich dann ein kasten-
ähnlicheS Gerüste erhebt, zu dem seitwärts 2 — 4 Treppen führen. ES ist der
Thron des Mor pi-oldi»»«!-, der jetzt noch ans seiner Zelle weilt. Die Räume
des Auditoriums sind mit mehreren kleinen Gruppen von Schülern ausgefüllt;
jede derselbe» scheint einen Mittelpunkt zu haben, um deu sich die tobende Menge
wie die Trabanten um einen Planeten bewegt. — Diese Mittelpunkte heißen in
der ungarischen Gymnasialsprache „8<.not.KU»re;^" z» deutsch: „Statthalter des
I'nKw ^r,.s,'»8»r von 7V^ —8 lehr Morgens und von 1^ — 2 Uhr nach


Gvnizl'oder II. ISSN. 44
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[0353] wohnlich in der Front nur eine Kirche und einen offenen Hof; das Wohnge- bäude der Brüder schließt sich an den Hintergrund der Kirche an und dehnt sich in ein Nebengäßchen oder in einen hochnmzäumlen Garten; die Fenster der Zel¬ len sind zum größten Theile oder sämmtlich »ach dem innern Hos gerichtet. Die Bewohner tragen eine weite, schwarze oder dunkelbraune Kutte von grobem Tuch, die mit einer Kaputze versehen ist, eine weiße strickförmige Schnur um die Lenden, und Holzsohlen die mit einem Querriemen auf dem Rücken des nackten Fußes befestigt sind (Barfüßler). Ihre körperliche Beschäftigung besteht in Betteln, Essen, Trinke», Schlafen, und — Gähnen; ihre geistige Thätigkeit in Beten, Messen- und Legendenlesen, Heiligensratzen malen, und nnr selten in einem benachbarten Dorfe Elementar-, noch seltener in ihren eigenen Mauern Gymnasialnnterricht ertheilen. Hat das Kloster die Kirche in der Mitte, oder in einer Ecke, an der sich das ein bis zwei Stock hohe Wohngebäude, mit mittelgroßen, die Straße sich öffnenden Fenstern hinzieht, so gehören die Einwohner zum Orden des heiligen Benedictus oder der »Llittwram parum, welche letztere, Plansten genannt, den größten Theil des ungarischen GymnasiälnuterrichtS in Händen haben, und von denen viele, von einem besseren Geiste beseelt, manche wohlgemeinte Reform im Schulwesen an der Hartnäckigkeit des Systems scheitern sehen mußten. — Die Plansten haben anch in der Revolutionszeit offen die Partei der Nation ergriffen. Die Benedictiner, ebenfalls unterrichtende Mönche, aber in kleinerer Anzahl vorhanden, stehen als erklärte Feinde der Jesuiten diesen um so näher, haben eine sehr bedächtige Politik und wissen immer zwischen zwei Felsen unver¬ sehrt durchzuschlüpfen. Die Bettelmönche sind ein sehr bornirteS, apathisches Völkchen, das sich bei den Siegen der Magyaren wie bei den östreichischen Blutgerichten mit gleicher Stupidität bekreuzigte, nud aus das Volk so sehr ohne allen Einfluß ist, daß weder Kossuth noch Haynan von ihnen Notiz nahm. Doch kehren wir zu unserem Piaristcu- oder Benedictiner- Gymnasium zu¬ rück. — ES ist 7'/2 Uhr Morgens; wir treten in einen länglichen, zu Anfang des Schuljahrs rein gescheuerten und weißgetünchten, später aber an den Wän¬ den mit allerlei bizarren Figuren und Dintenller.en bemalten Saal, welcher größ- tentheils mit Schulbänke» ausgefüllt ist, die von der Thüre zur entgegenge¬ setzten Wand einen offenen Gang zwischen sich lassen, wo sich dann ein kasten- ähnlicheS Gerüste erhebt, zu dem seitwärts 2 — 4 Treppen führen. ES ist der Thron des Mor pi-oldi»»«!-, der jetzt noch ans seiner Zelle weilt. Die Räume des Auditoriums sind mit mehreren kleinen Gruppen von Schülern ausgefüllt; jede derselbe» scheint einen Mittelpunkt zu haben, um deu sich die tobende Menge wie die Trabanten um einen Planeten bewegt. — Diese Mittelpunkte heißen in der ungarischen Gymnasialsprache „8<.not.KU»re;^" z» deutsch: „Statthalter des I'nKw ^r,.s,'»8»r von 7V^ —8 lehr Morgens und von 1^ — 2 Uhr nach Gvnizl'oder II. ISSN. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/353>, abgerufen am 22.07.2024.