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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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alten Linienregimenter bestand, und an ihrer Spitze den General Wardener und
noch einen andern hohen Stabsoffizier, der zum General-Commando in Her-
mannstadt gehörte, sahen. Diese Partei wollte einen gerechten, offenen Krieg
mit Ungarn geführt wissen, und verabscheute die Mitwirkung des im eigentlichen
Kriege durchaus unbrauchbaren walachisch-sächsischen Landsturms. Die Anhänger
genannter Partei gehörten zu den trefflichsten, tapfersten Offizieren der östreichischen
Armee in Siebenbürgen, und machten sich überall, wo sie mit den Bürgern der
Städte, auch der ungarischen, in Berührung kamen, dieselben durch ihr humanes
Benehmen zu Freunden. Viele uuter ihnen gehörte" bekannten altadeligen
östreichischen und ausländischen Familien an.

Die andere Partei, zahlreicher und vielleicht auch energischer, zählte zu ihren
Anhängern fast alle Offiziere der Grenzregimenter (Walachen) und viele jüngere
Linienofstziere -- fast sämmtlich bürgerlicher Abstammung. Ihr Haß galt nicht
nnr Ungarn, sondern auch dem Adel, und ihr Haupt, ein bekannter Gnerilla-
führer aus dem zweiten Walachenregimentödistriete, sprach seinen Haß gegen den
Adel offen aus. Sie waren diejenigen, die Ungarn um jeden Preis unter¬
drücken, seine Kraft und die Eonstitulion des Landes vernichten wollten, und
viele Mitglieder dieser Partei predigten unverholen von der Nothwendigkeit der
gänzlichen Ausrottung der ungarischen Nation. --

Die Spaltung im Heere selbst erklärt es, warum das Generaleommando,
selbst nachdem es sich von der strategischen Nutzlosigkeit deö Landsturmes überzeugt
haben mußte, denselben nicht auflöste, und ihr verdankt General Bem einen
Theil seiner mächtigen Erfolge. --

Unglücklicherweise für die Enyeder starb eines der Häupter der ersten Partei,
Baron Wardener, wenige Tage nach seinein Auszuge aus Euyed, und eS ist
nur zu wahrscheinlich, daß die unter beiden Parteien herrschende Uneinigkeit
in Karlsburg vou dem walachischen Conn" erspäht und zu einem Handstreiche
auf die ganz wehrlose Stadt -- alle Bürger waren gänzlich waffenlos -- be¬
nutzt wurde.

Am 7. Januar erschien in später Abendstunde MieareSen im Hanse der
Wittwe, und ward als ein alter Bekannter von Oedön und den Frauen, denen
der Bergbeamte seine Rettung durch deu Walachei! und dessen entsetzliches Er-
lebniß in Zalalhna nntgetheilt hatte, empfangen. --

Er brachte eine dringende Warnung, Enycd zu verlassen, da nach allen
Anzeichen der Stadt schweres Unheil in den nächsten Tagen bevorstehe.

Die Frauen erschraken. Oedön mahnte sie, die besten Habseligkeiten ein¬
zupacken und auf deu Wagen zu laden, die Zukunft des Hanfes aber dem
Schicksal zu überlassen.

Während die Mutter mit finsterer Miene nachdenkend über das Mitzu¬
nehmende auf- und abging, und Ilona betend mit gefalteten Händen da-


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alten Linienregimenter bestand, und an ihrer Spitze den General Wardener und
noch einen andern hohen Stabsoffizier, der zum General-Commando in Her-
mannstadt gehörte, sahen. Diese Partei wollte einen gerechten, offenen Krieg
mit Ungarn geführt wissen, und verabscheute die Mitwirkung des im eigentlichen
Kriege durchaus unbrauchbaren walachisch-sächsischen Landsturms. Die Anhänger
genannter Partei gehörten zu den trefflichsten, tapfersten Offizieren der östreichischen
Armee in Siebenbürgen, und machten sich überall, wo sie mit den Bürgern der
Städte, auch der ungarischen, in Berührung kamen, dieselben durch ihr humanes
Benehmen zu Freunden. Viele uuter ihnen gehörte» bekannten altadeligen
östreichischen und ausländischen Familien an.

Die andere Partei, zahlreicher und vielleicht auch energischer, zählte zu ihren
Anhängern fast alle Offiziere der Grenzregimenter (Walachen) und viele jüngere
Linienofstziere — fast sämmtlich bürgerlicher Abstammung. Ihr Haß galt nicht
nnr Ungarn, sondern auch dem Adel, und ihr Haupt, ein bekannter Gnerilla-
führer aus dem zweiten Walachenregimentödistriete, sprach seinen Haß gegen den
Adel offen aus. Sie waren diejenigen, die Ungarn um jeden Preis unter¬
drücken, seine Kraft und die Eonstitulion des Landes vernichten wollten, und
viele Mitglieder dieser Partei predigten unverholen von der Nothwendigkeit der
gänzlichen Ausrottung der ungarischen Nation. —

Die Spaltung im Heere selbst erklärt es, warum das Generaleommando,
selbst nachdem es sich von der strategischen Nutzlosigkeit deö Landsturmes überzeugt
haben mußte, denselben nicht auflöste, und ihr verdankt General Bem einen
Theil seiner mächtigen Erfolge. —

Unglücklicherweise für die Enyeder starb eines der Häupter der ersten Partei,
Baron Wardener, wenige Tage nach seinein Auszuge aus Euyed, und eS ist
nur zu wahrscheinlich, daß die unter beiden Parteien herrschende Uneinigkeit
in Karlsburg vou dem walachischen Conn« erspäht und zu einem Handstreiche
auf die ganz wehrlose Stadt — alle Bürger waren gänzlich waffenlos — be¬
nutzt wurde.

Am 7. Januar erschien in später Abendstunde MieareSen im Hanse der
Wittwe, und ward als ein alter Bekannter von Oedön und den Frauen, denen
der Bergbeamte seine Rettung durch deu Walachei! und dessen entsetzliches Er-
lebniß in Zalalhna nntgetheilt hatte, empfangen. —

Er brachte eine dringende Warnung, Enycd zu verlassen, da nach allen
Anzeichen der Stadt schweres Unheil in den nächsten Tagen bevorstehe.

Die Frauen erschraken. Oedön mahnte sie, die besten Habseligkeiten ein¬
zupacken und auf deu Wagen zu laden, die Zukunft des Hanfes aber dem
Schicksal zu überlassen.

Während die Mutter mit finsterer Miene nachdenkend über das Mitzu¬
nehmende auf- und abging, und Ilona betend mit gefalteten Händen da-


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[0339] alten Linienregimenter bestand, und an ihrer Spitze den General Wardener und noch einen andern hohen Stabsoffizier, der zum General-Commando in Her- mannstadt gehörte, sahen. Diese Partei wollte einen gerechten, offenen Krieg mit Ungarn geführt wissen, und verabscheute die Mitwirkung des im eigentlichen Kriege durchaus unbrauchbaren walachisch-sächsischen Landsturms. Die Anhänger genannter Partei gehörten zu den trefflichsten, tapfersten Offizieren der östreichischen Armee in Siebenbürgen, und machten sich überall, wo sie mit den Bürgern der Städte, auch der ungarischen, in Berührung kamen, dieselben durch ihr humanes Benehmen zu Freunden. Viele uuter ihnen gehörte» bekannten altadeligen östreichischen und ausländischen Familien an. Die andere Partei, zahlreicher und vielleicht auch energischer, zählte zu ihren Anhängern fast alle Offiziere der Grenzregimenter (Walachen) und viele jüngere Linienofstziere — fast sämmtlich bürgerlicher Abstammung. Ihr Haß galt nicht nnr Ungarn, sondern auch dem Adel, und ihr Haupt, ein bekannter Gnerilla- führer aus dem zweiten Walachenregimentödistriete, sprach seinen Haß gegen den Adel offen aus. Sie waren diejenigen, die Ungarn um jeden Preis unter¬ drücken, seine Kraft und die Eonstitulion des Landes vernichten wollten, und viele Mitglieder dieser Partei predigten unverholen von der Nothwendigkeit der gänzlichen Ausrottung der ungarischen Nation. — Die Spaltung im Heere selbst erklärt es, warum das Generaleommando, selbst nachdem es sich von der strategischen Nutzlosigkeit deö Landsturmes überzeugt haben mußte, denselben nicht auflöste, und ihr verdankt General Bem einen Theil seiner mächtigen Erfolge. — Unglücklicherweise für die Enyeder starb eines der Häupter der ersten Partei, Baron Wardener, wenige Tage nach seinein Auszuge aus Euyed, und eS ist nur zu wahrscheinlich, daß die unter beiden Parteien herrschende Uneinigkeit in Karlsburg vou dem walachischen Conn« erspäht und zu einem Handstreiche auf die ganz wehrlose Stadt — alle Bürger waren gänzlich waffenlos — be¬ nutzt wurde. Am 7. Januar erschien in später Abendstunde MieareSen im Hanse der Wittwe, und ward als ein alter Bekannter von Oedön und den Frauen, denen der Bergbeamte seine Rettung durch deu Walachei! und dessen entsetzliches Er- lebniß in Zalalhna nntgetheilt hatte, empfangen. — Er brachte eine dringende Warnung, Enycd zu verlassen, da nach allen Anzeichen der Stadt schweres Unheil in den nächsten Tagen bevorstehe. Die Frauen erschraken. Oedön mahnte sie, die besten Habseligkeiten ein¬ zupacken und auf deu Wagen zu laden, die Zukunft des Hanfes aber dem Schicksal zu überlassen. Während die Mutter mit finsterer Miene nachdenkend über das Mitzu¬ nehmende auf- und abging, und Ilona betend mit gefalteten Händen da- 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/339>, abgerufen am 22.07.2024.