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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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wogegen das kaiserliche Militär in Siebenbürgen Protestiren müßte -- so boten
sie doch Aussicht, mit der Zeit ein tüchtiges Jägercorps zu werden. --

Wenn die sächsischen Nationalgarten jenem Freunde des Verklagten in der
Parabel gleichem, welcher denselben bis ans Thor des Gerichtshofes begleitete,
aber nicht mit hineingehen wollte -- wie die Garden nicht in die Schlachten
gingen -- so war der walachische Landsturm vollends einer von jenen Freunden
für das kaiserliche Militär, von denen der östreichische Oberoffizier sagen mußte:
Meine Freunde schaden mir mehr, als meine Feinde. --

Als dieser Landsturm, dessen numerische Stärke sich nach dein siebenbürger
Boten ans 195,000 Mann belief, organisirt wurde, hatte man in den höhern
Regionen gewiß nicht die Absicht, ihn als Schutzmittel gegen die Cholera zu ge¬
brauchen, welche ja bekanntlich nach Dr. Rogers durch sehr große Feuer, wie
z. B. durch Einäscherung ganzer Städte und Dörfer, und dadurch bewirkte Lust-
reinignng vertrieben werden kann. Ebenso wenig sollte der Landsturm den Zweck
haben, dein ansteckenden NevolntionSsieber durch Ermordung der noch nicht an¬
gesteckten Weiber, Kinder, Greise ?c. Einhalt zu thun, wie man etwa bei einer
Feuersbrunst vom Brande noch nicht ergriffene Hänser in dessen Nähe niederreißt,
um das Weitergreifen der Flamme zu verhindern. Beide Functionen übernahm
er aber mit Leidenschaft.

Die Freude der Enyeder sollte keine ungetrübte bleiben. Denn am Abend
desselben Tages kamen Walachen und Soldaten in den Ort und schleppten plötz¬
lich 19 der angesehensten Bürger, worunter sich auch Greise befanden, mit hin¬
weg nach Karlsburg. Die Unglücklichen, die man als Geißeln behandelte, mußten
in der bittern Kalte, kannt nothdürftig gegen dieselbe geschützt, zu Fuße ihre
Hänser und Familien verlassen, und litten wir dem rohen Volle, das sie weg¬
führte, jede Mißhandlung. Wollte man sie als Geißel", für die gute Aufführung
der Stadt ansehen -- wozu nachher die Stadt ausplündern, in einen Schutt¬
haufen verwandeln und die Einwohner ermorden lassen? Waren sie der Rebellion
schuldig -- warum nahm man sie nicht ftüher gefangen? Aber sie waren ja all¬
gemein als friedliche, harmlose Bürger bekannt. Unmöglich kann man diese Ma߬
regel dem General Wardener zuschreiben, welcher sich in Klansenbnrg das Zu¬
trauen der Bürgerschaft in hohem Maße erworben hatte. Aber in diesem schreck¬
lichen Drama des Bürgerkrieges spielten meist unsichtbare, aber um so gefährlichere
Triebfedern die Hauptrolle, lind nicht immer waren es die höchsten östreichischen
Militärbehörden, welche regierten, sondern vielmehr ein schlechtes Saxo-Noman-
Eomit"! in Hermannstadt, und gewisse geheime, mächtige Afsilirte desselben,
im ganzen Lande zerstreut, deren Verbindungen aber noch viel weiter reichten,
bis nach Jassy und Buckarest und nach Nußland herein.

Auch hatten sich unter dem kaiserlichen Militär, besonders im Offiziercorps,
zwei Parteien gebildet, deren eine ans den Offizieren, höhern und niedern, der


wogegen das kaiserliche Militär in Siebenbürgen Protestiren müßte — so boten
sie doch Aussicht, mit der Zeit ein tüchtiges Jägercorps zu werden. —

Wenn die sächsischen Nationalgarten jenem Freunde des Verklagten in der
Parabel gleichem, welcher denselben bis ans Thor des Gerichtshofes begleitete,
aber nicht mit hineingehen wollte — wie die Garden nicht in die Schlachten
gingen — so war der walachische Landsturm vollends einer von jenen Freunden
für das kaiserliche Militär, von denen der östreichische Oberoffizier sagen mußte:
Meine Freunde schaden mir mehr, als meine Feinde. —

Als dieser Landsturm, dessen numerische Stärke sich nach dein siebenbürger
Boten ans 195,000 Mann belief, organisirt wurde, hatte man in den höhern
Regionen gewiß nicht die Absicht, ihn als Schutzmittel gegen die Cholera zu ge¬
brauchen, welche ja bekanntlich nach Dr. Rogers durch sehr große Feuer, wie
z. B. durch Einäscherung ganzer Städte und Dörfer, und dadurch bewirkte Lust-
reinignng vertrieben werden kann. Ebenso wenig sollte der Landsturm den Zweck
haben, dein ansteckenden NevolntionSsieber durch Ermordung der noch nicht an¬
gesteckten Weiber, Kinder, Greise ?c. Einhalt zu thun, wie man etwa bei einer
Feuersbrunst vom Brande noch nicht ergriffene Hänser in dessen Nähe niederreißt,
um das Weitergreifen der Flamme zu verhindern. Beide Functionen übernahm
er aber mit Leidenschaft.

Die Freude der Enyeder sollte keine ungetrübte bleiben. Denn am Abend
desselben Tages kamen Walachen und Soldaten in den Ort und schleppten plötz¬
lich 19 der angesehensten Bürger, worunter sich auch Greise befanden, mit hin¬
weg nach Karlsburg. Die Unglücklichen, die man als Geißeln behandelte, mußten
in der bittern Kalte, kannt nothdürftig gegen dieselbe geschützt, zu Fuße ihre
Hänser und Familien verlassen, und litten wir dem rohen Volle, das sie weg¬
führte, jede Mißhandlung. Wollte man sie als Geißel», für die gute Aufführung
der Stadt ansehen — wozu nachher die Stadt ausplündern, in einen Schutt¬
haufen verwandeln und die Einwohner ermorden lassen? Waren sie der Rebellion
schuldig — warum nahm man sie nicht ftüher gefangen? Aber sie waren ja all¬
gemein als friedliche, harmlose Bürger bekannt. Unmöglich kann man diese Ma߬
regel dem General Wardener zuschreiben, welcher sich in Klansenbnrg das Zu¬
trauen der Bürgerschaft in hohem Maße erworben hatte. Aber in diesem schreck¬
lichen Drama des Bürgerkrieges spielten meist unsichtbare, aber um so gefährlichere
Triebfedern die Hauptrolle, lind nicht immer waren es die höchsten östreichischen
Militärbehörden, welche regierten, sondern vielmehr ein schlechtes Saxo-Noman-
Eomit«! in Hermannstadt, und gewisse geheime, mächtige Afsilirte desselben,
im ganzen Lande zerstreut, deren Verbindungen aber noch viel weiter reichten,
bis nach Jassy und Buckarest und nach Nußland herein.

Auch hatten sich unter dem kaiserlichen Militär, besonders im Offiziercorps,
zwei Parteien gebildet, deren eine ans den Offizieren, höhern und niedern, der


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[0338] wogegen das kaiserliche Militär in Siebenbürgen Protestiren müßte — so boten sie doch Aussicht, mit der Zeit ein tüchtiges Jägercorps zu werden. — Wenn die sächsischen Nationalgarten jenem Freunde des Verklagten in der Parabel gleichem, welcher denselben bis ans Thor des Gerichtshofes begleitete, aber nicht mit hineingehen wollte — wie die Garden nicht in die Schlachten gingen — so war der walachische Landsturm vollends einer von jenen Freunden für das kaiserliche Militär, von denen der östreichische Oberoffizier sagen mußte: Meine Freunde schaden mir mehr, als meine Feinde. — Als dieser Landsturm, dessen numerische Stärke sich nach dein siebenbürger Boten ans 195,000 Mann belief, organisirt wurde, hatte man in den höhern Regionen gewiß nicht die Absicht, ihn als Schutzmittel gegen die Cholera zu ge¬ brauchen, welche ja bekanntlich nach Dr. Rogers durch sehr große Feuer, wie z. B. durch Einäscherung ganzer Städte und Dörfer, und dadurch bewirkte Lust- reinignng vertrieben werden kann. Ebenso wenig sollte der Landsturm den Zweck haben, dein ansteckenden NevolntionSsieber durch Ermordung der noch nicht an¬ gesteckten Weiber, Kinder, Greise ?c. Einhalt zu thun, wie man etwa bei einer Feuersbrunst vom Brande noch nicht ergriffene Hänser in dessen Nähe niederreißt, um das Weitergreifen der Flamme zu verhindern. Beide Functionen übernahm er aber mit Leidenschaft. Die Freude der Enyeder sollte keine ungetrübte bleiben. Denn am Abend desselben Tages kamen Walachen und Soldaten in den Ort und schleppten plötz¬ lich 19 der angesehensten Bürger, worunter sich auch Greise befanden, mit hin¬ weg nach Karlsburg. Die Unglücklichen, die man als Geißeln behandelte, mußten in der bittern Kalte, kannt nothdürftig gegen dieselbe geschützt, zu Fuße ihre Hänser und Familien verlassen, und litten wir dem rohen Volle, das sie weg¬ führte, jede Mißhandlung. Wollte man sie als Geißel», für die gute Aufführung der Stadt ansehen — wozu nachher die Stadt ausplündern, in einen Schutt¬ haufen verwandeln und die Einwohner ermorden lassen? Waren sie der Rebellion schuldig — warum nahm man sie nicht ftüher gefangen? Aber sie waren ja all¬ gemein als friedliche, harmlose Bürger bekannt. Unmöglich kann man diese Ma߬ regel dem General Wardener zuschreiben, welcher sich in Klansenbnrg das Zu¬ trauen der Bürgerschaft in hohem Maße erworben hatte. Aber in diesem schreck¬ lichen Drama des Bürgerkrieges spielten meist unsichtbare, aber um so gefährlichere Triebfedern die Hauptrolle, lind nicht immer waren es die höchsten östreichischen Militärbehörden, welche regierten, sondern vielmehr ein schlechtes Saxo-Noman- Eomit«! in Hermannstadt, und gewisse geheime, mächtige Afsilirte desselben, im ganzen Lande zerstreut, deren Verbindungen aber noch viel weiter reichten, bis nach Jassy und Buckarest und nach Nußland herein. Auch hatten sich unter dem kaiserlichen Militär, besonders im Offiziercorps, zwei Parteien gebildet, deren eine ans den Offizieren, höhern und niedern, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/338>, abgerufen am 22.07.2024.