Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.und schien mit langsamer Gründlichkeit fortgesetzt den Zweck zu haben, die Be¬ Die unglücklichen Euyeder seufzten und schwiegen. Sie waren entwaffnet Dort saßen die Liebende", lasen mit einander und plauderten. Die Mutter Freilich trug der Nordwind seltsame, die Hoffnungen der Ungarn neu bele¬ Einige Tage darauf, am zweite" Weihnachtsfeiertage, Abends, als die Fa¬ "Was gibt'S, Jnlisl'a?" fragte die Wittwe. "Die Ungar" komme", scho" si"d sie i" Klauseuburg. Ein polnischer Ge¬ Als die alte Szctlerin freudig bewegt, doch zweifelnd den Kopf schüttelte, Die Nachricht war begründet. Bein hatte nach einem Doppelmarsche am und schien mit langsamer Gründlichkeit fortgesetzt den Zweck zu haben, die Be¬ Die unglücklichen Euyeder seufzten und schwiegen. Sie waren entwaffnet Dort saßen die Liebende», lasen mit einander und plauderten. Die Mutter Freilich trug der Nordwind seltsame, die Hoffnungen der Ungarn neu bele¬ Einige Tage darauf, am zweite» Weihnachtsfeiertage, Abends, als die Fa¬ „Was gibt'S, Jnlisl'a?" fragte die Wittwe. „Die Ungar» komme», scho» si»d sie i» Klauseuburg. Ein polnischer Ge¬ Als die alte Szctlerin freudig bewegt, doch zweifelnd den Kopf schüttelte, Die Nachricht war begründet. Bein hatte nach einem Doppelmarsche am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185656"/> <p xml:id="ID_1161" prev="#ID_1160"> und schien mit langsamer Gründlichkeit fortgesetzt den Zweck zu haben, die Be¬<lb/> wohner Enyed's von der Ausführbarkeit des Communismus zu überzeugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1162"> Die unglücklichen Euyeder seufzten und schwiegen. Sie waren entwaffnet<lb/> worden. — Die Matrone, Ilona'S Mutter, hatte mehr Sarkasmen als je; des<lb/> Mädchens Herz blutete beim Anblicke so Vieler, denen man Alles genommen hatte,<lb/> Ocdvn ballte die Faust. Noch immer mußte er sich verborgen halten, ängstlicher<lb/> als zuvor, weil mau überall Verschwörungen witterte. — Und doch, wären nicht<lb/> die traurigen Zustande der Stadt gewesen, hätte nicht jeder Tag Hiobsposten<lb/> ans dein Lande gebracht, — Oedön würde diese Zeit der Verborgenheit für die<lb/> glücklichste seines Lebens gehalten haben. Es war ihm ein verschwiegenes, nur<lb/> der Familie und dem Knechte Umbri'S bekanntes Kämmerlein im Hause hergerichtet<lb/> worden, das mit dem Wohnzimmer durch ein Mittelzimmer in Verbindung stand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1163"> Dort saßen die Liebende», lasen mit einander und plauderten. Die Mutter<lb/> ging ab und zu, mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt, und wußte immer neue<lb/> Begebnisse zu Stadt und Laud mitzutheilen. ES wurde uur geflüstert, aber die<lb/> Heimlichkeit gab neuen Reiz. ES war eine unschuldige Verschwörung. Die<lb/> ganze Stadt, d. h. die darin befindlichen Ungarn waren im Geheimniß. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1164"> Freilich trug der Nordwind seltsame, die Hoffnungen der Ungarn neu bele¬<lb/> bende Gerüchte herüber. Man erzählte — Gott weiß, wie es nach Enyed ge¬<lb/> kommen — an der Grenze sammle sich eine Armee, an deren Spitze ein alter,<lb/> berühmter Feldherr stehe. Schon sei er diesseits Nagy Bäuya, also in Sieben¬<lb/> bürgen. An der Westgrenze im Kir^lyhago Gänse ebenfalls ein magyarisches<lb/> Heer, das bereits die Kaiserliche» geschlagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Einige Tage darauf, am zweite» Weihnachtsfeiertage, Abends, als die Fa¬<lb/> milie still um die Lampe des Tisches versammelt war, pochte es leise a» das<lb/> Feuster mit eigenthümlichem Schlage. Die Matrone stand ans, beruhigte deu er¬<lb/> schreckten Oedvn und sagte : „Es ist ein Bekannter. Wir werden sogleich Neues<lb/> hören."</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> „Was gibt'S, Jnlisl'a?" fragte die Wittwe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> „Die Ungar» komme», scho» si»d sie i» Klauseuburg. Ein polnischer Ge¬<lb/> neral führt sie an. Die Kaiserlichen hat er dreimal geschlagen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1168"> Als die alte Szctlerin freudig bewegt, doch zweifelnd den Kopf schüttelte,<lb/> rief die Nachbarin: „Kton rigv ^g'it. Es ist ganz gewiß wahr, so mir Gott<lb/> helfe. Gestern ist Klansenbnrg eingenommen worden. Die Kaiserlichen sind nach<lb/> Thorda rctirirt. Bald werden die Ungarn hier sein, dann wehe den Sachsen in<lb/> Hermannstadt. Man wird Hafer dort säen für die Husarcnpserde. Doch, ich<lb/> muß weiter, .ki-lini i'ückj»u mög-; Gott segne Euch."</p><lb/> <p xml:id="ID_1169" next="#ID_1170"> Die Nachricht war begründet. Bein hatte nach einem Doppelmarsche am<lb/> Weihnachtöfeievlage mit 50V0 Mann, die fast seine ganze Armee ausmachten,<lb/> Klausenburg nnter unendlichem Jubel der Bevölkerung eingenommen. Der Ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
und schien mit langsamer Gründlichkeit fortgesetzt den Zweck zu haben, die Be¬
wohner Enyed's von der Ausführbarkeit des Communismus zu überzeugen.
Die unglücklichen Euyeder seufzten und schwiegen. Sie waren entwaffnet
worden. — Die Matrone, Ilona'S Mutter, hatte mehr Sarkasmen als je; des
Mädchens Herz blutete beim Anblicke so Vieler, denen man Alles genommen hatte,
Ocdvn ballte die Faust. Noch immer mußte er sich verborgen halten, ängstlicher
als zuvor, weil mau überall Verschwörungen witterte. — Und doch, wären nicht
die traurigen Zustande der Stadt gewesen, hätte nicht jeder Tag Hiobsposten
ans dein Lande gebracht, — Oedön würde diese Zeit der Verborgenheit für die
glücklichste seines Lebens gehalten haben. Es war ihm ein verschwiegenes, nur
der Familie und dem Knechte Umbri'S bekanntes Kämmerlein im Hause hergerichtet
worden, das mit dem Wohnzimmer durch ein Mittelzimmer in Verbindung stand.
Dort saßen die Liebende», lasen mit einander und plauderten. Die Mutter
ging ab und zu, mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt, und wußte immer neue
Begebnisse zu Stadt und Laud mitzutheilen. ES wurde uur geflüstert, aber die
Heimlichkeit gab neuen Reiz. ES war eine unschuldige Verschwörung. Die
ganze Stadt, d. h. die darin befindlichen Ungarn waren im Geheimniß. —
Freilich trug der Nordwind seltsame, die Hoffnungen der Ungarn neu bele¬
bende Gerüchte herüber. Man erzählte — Gott weiß, wie es nach Enyed ge¬
kommen — an der Grenze sammle sich eine Armee, an deren Spitze ein alter,
berühmter Feldherr stehe. Schon sei er diesseits Nagy Bäuya, also in Sieben¬
bürgen. An der Westgrenze im Kir^lyhago Gänse ebenfalls ein magyarisches
Heer, das bereits die Kaiserliche» geschlagen.
Einige Tage darauf, am zweite» Weihnachtsfeiertage, Abends, als die Fa¬
milie still um die Lampe des Tisches versammelt war, pochte es leise a» das
Feuster mit eigenthümlichem Schlage. Die Matrone stand ans, beruhigte deu er¬
schreckten Oedvn und sagte : „Es ist ein Bekannter. Wir werden sogleich Neues
hören."
„Was gibt'S, Jnlisl'a?" fragte die Wittwe.
„Die Ungar» komme», scho» si»d sie i» Klauseuburg. Ein polnischer Ge¬
neral führt sie an. Die Kaiserlichen hat er dreimal geschlagen."
Als die alte Szctlerin freudig bewegt, doch zweifelnd den Kopf schüttelte,
rief die Nachbarin: „Kton rigv ^g'it. Es ist ganz gewiß wahr, so mir Gott
helfe. Gestern ist Klansenbnrg eingenommen worden. Die Kaiserlichen sind nach
Thorda rctirirt. Bald werden die Ungarn hier sein, dann wehe den Sachsen in
Hermannstadt. Man wird Hafer dort säen für die Husarcnpserde. Doch, ich
muß weiter, .ki-lini i'ückj»u mög-; Gott segne Euch."
Die Nachricht war begründet. Bein hatte nach einem Doppelmarsche am
Weihnachtöfeievlage mit 50V0 Mann, die fast seine ganze Armee ausmachten,
Klausenburg nnter unendlichem Jubel der Bevölkerung eingenommen. Der Ge-
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