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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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22. October 'Abend ging ich zu ihr und bat sie flehentlich, mit ihrem Vater zu
fliehen; ich hatte ihr Wagen "ut sicheres Geleit mitgegeben bis Karlsburg oder
Klausenburg. Sie wäre schon Willens gewesen, aber sie mochte den Vater nicht
verlassen, und der wollte weder von mir noch von meiner Hilfe etwas hören und
glaubte an keine Gefahr.

Nun kam der unglückliche 23. October. Ich schlich immer um Unica's Haus
herum, sie zu schütze". Da gewahrte ich einmal, daß einer unserer Anführer,
einer der Präfecten, ebenso wie ich in der Nähe des Hauses lauerte. Als er
mich sah, stellte er mich barsch zur Rede, was ich da mache, ich solle bei meiner
Centurie bleiben u. s. w. Das schlug mir ins Herz. Ich ward eifersüchtig und
beschloß, ihm nicht zu gehorchen, sondern mich zu verstecken. Das that ich. --

Als nur der Ort anfing zu brennen, liefen alle Weiber, die in der Kirche
gewesen waren, uoch einmal in ihre Hänser, um das Kostbarste wenigstens, das
sie hatten, in Sicherheit zu bringen. Auch Unica sprang eiligst in ihr Haus --
mein Herz klopfte wie ein Hammer -- der Präfect war ihr nachgegangen. Ich
dies sehen, ans meinem Versteck hervorstürzen, in das Hans rennen, -- war ein
Augenblick.

Da mußte ich mit meinen eigenen Augen sehen, wie meine Braut mit dem
Schurken in verzweifelter Anstrengung rang. Ich packe den Unmenschen und
schleudere ihn zur Thüre hinaus, indem ich diese Doppelflinte ans ihn anlege
und ihn niederzuschießen drohe, wenn er es wage, Unica noch einmal zu be¬
rühren. -- In furchtbarer Wuth entfernte er sich. Wenige Minuten nachher
trat er mit einer Menge Leuten herein und hieß mich binden. Ich sah, daß
ich unterliegen würde, aber mein Leben wollte ich theuer verkaufen und mein
Mädchen vor der Schmach retten. Daß sie dem Tode verfallen war, wußte ich.

Da that ich etwas, das ich nicht lassen konnte, und das doch Zeitlebens
ein Wurm an meinem Herzen sein wird. Herr, wenn Sie Ihr Mädchen in ähn¬
licher Lage wüßten, wie ich das Meinige, was würden Sie thun? Der Schmach
gewiß und der Tod höchst wahrscheinlich, welche Wahl hätten Sie?"

Oedön antwortete: "Ich weiß, was Ihr gethan habt. Ihr habt zuerst sie
erschossen, und dann den Präfecten, und habt Euch mit dem Kolben freigemacht."

"Ja, Herr, meine Unica habe ich selbst getödtet, aber den Präfecten konnte
ich nicht erschießen, weil er davonlief. Gegen die Andern half mir der Gewehr¬
kolben. -- Ich lud neben dein Leichname meiner Braut die Flinte wieder, indem
ich die Kugel, die ich dem verruchten Präfecten bestimmt habe, in das Blut
Unica'ö tauchte und einen Schwur that. Draußen fand ich meinen Feind nicht;
er hatte mit Mordbrennerbefehlen zu thun. Ich beschloß zu harren, noch liegt
die Kugel in meiner Tasche. Sie wird ihn finden. --

"Hat er Euch nie vorladen und erschießen uwllen?" fragte Oedön, den diese
traurige Geschichte erschüttert hatte.


22. October 'Abend ging ich zu ihr und bat sie flehentlich, mit ihrem Vater zu
fliehen; ich hatte ihr Wagen »ut sicheres Geleit mitgegeben bis Karlsburg oder
Klausenburg. Sie wäre schon Willens gewesen, aber sie mochte den Vater nicht
verlassen, und der wollte weder von mir noch von meiner Hilfe etwas hören und
glaubte an keine Gefahr.

Nun kam der unglückliche 23. October. Ich schlich immer um Unica's Haus
herum, sie zu schütze». Da gewahrte ich einmal, daß einer unserer Anführer,
einer der Präfecten, ebenso wie ich in der Nähe des Hauses lauerte. Als er
mich sah, stellte er mich barsch zur Rede, was ich da mache, ich solle bei meiner
Centurie bleiben u. s. w. Das schlug mir ins Herz. Ich ward eifersüchtig und
beschloß, ihm nicht zu gehorchen, sondern mich zu verstecken. Das that ich. —

Als nur der Ort anfing zu brennen, liefen alle Weiber, die in der Kirche
gewesen waren, uoch einmal in ihre Hänser, um das Kostbarste wenigstens, das
sie hatten, in Sicherheit zu bringen. Auch Unica sprang eiligst in ihr Haus —
mein Herz klopfte wie ein Hammer — der Präfect war ihr nachgegangen. Ich
dies sehen, ans meinem Versteck hervorstürzen, in das Hans rennen, — war ein
Augenblick.

Da mußte ich mit meinen eigenen Augen sehen, wie meine Braut mit dem
Schurken in verzweifelter Anstrengung rang. Ich packe den Unmenschen und
schleudere ihn zur Thüre hinaus, indem ich diese Doppelflinte ans ihn anlege
und ihn niederzuschießen drohe, wenn er es wage, Unica noch einmal zu be¬
rühren. — In furchtbarer Wuth entfernte er sich. Wenige Minuten nachher
trat er mit einer Menge Leuten herein und hieß mich binden. Ich sah, daß
ich unterliegen würde, aber mein Leben wollte ich theuer verkaufen und mein
Mädchen vor der Schmach retten. Daß sie dem Tode verfallen war, wußte ich.

Da that ich etwas, das ich nicht lassen konnte, und das doch Zeitlebens
ein Wurm an meinem Herzen sein wird. Herr, wenn Sie Ihr Mädchen in ähn¬
licher Lage wüßten, wie ich das Meinige, was würden Sie thun? Der Schmach
gewiß und der Tod höchst wahrscheinlich, welche Wahl hätten Sie?"

Oedön antwortete: „Ich weiß, was Ihr gethan habt. Ihr habt zuerst sie
erschossen, und dann den Präfecten, und habt Euch mit dem Kolben freigemacht."

„Ja, Herr, meine Unica habe ich selbst getödtet, aber den Präfecten konnte
ich nicht erschießen, weil er davonlief. Gegen die Andern half mir der Gewehr¬
kolben. — Ich lud neben dein Leichname meiner Braut die Flinte wieder, indem
ich die Kugel, die ich dem verruchten Präfecten bestimmt habe, in das Blut
Unica'ö tauchte und einen Schwur that. Draußen fand ich meinen Feind nicht;
er hatte mit Mordbrennerbefehlen zu thun. Ich beschloß zu harren, noch liegt
die Kugel in meiner Tasche. Sie wird ihn finden. —

„Hat er Euch nie vorladen und erschießen uwllen?" fragte Oedön, den diese
traurige Geschichte erschüttert hatte.


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[0316] 22. October 'Abend ging ich zu ihr und bat sie flehentlich, mit ihrem Vater zu fliehen; ich hatte ihr Wagen »ut sicheres Geleit mitgegeben bis Karlsburg oder Klausenburg. Sie wäre schon Willens gewesen, aber sie mochte den Vater nicht verlassen, und der wollte weder von mir noch von meiner Hilfe etwas hören und glaubte an keine Gefahr. Nun kam der unglückliche 23. October. Ich schlich immer um Unica's Haus herum, sie zu schütze». Da gewahrte ich einmal, daß einer unserer Anführer, einer der Präfecten, ebenso wie ich in der Nähe des Hauses lauerte. Als er mich sah, stellte er mich barsch zur Rede, was ich da mache, ich solle bei meiner Centurie bleiben u. s. w. Das schlug mir ins Herz. Ich ward eifersüchtig und beschloß, ihm nicht zu gehorchen, sondern mich zu verstecken. Das that ich. — Als nur der Ort anfing zu brennen, liefen alle Weiber, die in der Kirche gewesen waren, uoch einmal in ihre Hänser, um das Kostbarste wenigstens, das sie hatten, in Sicherheit zu bringen. Auch Unica sprang eiligst in ihr Haus — mein Herz klopfte wie ein Hammer — der Präfect war ihr nachgegangen. Ich dies sehen, ans meinem Versteck hervorstürzen, in das Hans rennen, — war ein Augenblick. Da mußte ich mit meinen eigenen Augen sehen, wie meine Braut mit dem Schurken in verzweifelter Anstrengung rang. Ich packe den Unmenschen und schleudere ihn zur Thüre hinaus, indem ich diese Doppelflinte ans ihn anlege und ihn niederzuschießen drohe, wenn er es wage, Unica noch einmal zu be¬ rühren. — In furchtbarer Wuth entfernte er sich. Wenige Minuten nachher trat er mit einer Menge Leuten herein und hieß mich binden. Ich sah, daß ich unterliegen würde, aber mein Leben wollte ich theuer verkaufen und mein Mädchen vor der Schmach retten. Daß sie dem Tode verfallen war, wußte ich. Da that ich etwas, das ich nicht lassen konnte, und das doch Zeitlebens ein Wurm an meinem Herzen sein wird. Herr, wenn Sie Ihr Mädchen in ähn¬ licher Lage wüßten, wie ich das Meinige, was würden Sie thun? Der Schmach gewiß und der Tod höchst wahrscheinlich, welche Wahl hätten Sie?" Oedön antwortete: „Ich weiß, was Ihr gethan habt. Ihr habt zuerst sie erschossen, und dann den Präfecten, und habt Euch mit dem Kolben freigemacht." „Ja, Herr, meine Unica habe ich selbst getödtet, aber den Präfecten konnte ich nicht erschießen, weil er davonlief. Gegen die Andern half mir der Gewehr¬ kolben. — Ich lud neben dein Leichname meiner Braut die Flinte wieder, indem ich die Kugel, die ich dem verruchten Präfecten bestimmt habe, in das Blut Unica'ö tauchte und einen Schwur that. Draußen fand ich meinen Feind nicht; er hatte mit Mordbrennerbefehlen zu thun. Ich beschloß zu harren, noch liegt die Kugel in meiner Tasche. Sie wird ihn finden. — „Hat er Euch nie vorladen und erschießen uwllen?" fragte Oedön, den diese traurige Geschichte erschüttert hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/316>, abgerufen am 22.07.2024.