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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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sie nachher zu unsern Anführer". Es gab freilich auch Einige unter uns, die nicht
mithalten und nicht gegen die Ungarn kämpfen wollten, aber denen stopfte man den
Mund mit der Drohung, ihre Häuser anzuzünden und sie zu todten. Als das
ungarische Ministerium im Monat August den Befehl herunterschickte, die junge
Mannschaft vom 18. bis 3,2. Jahre als Soldaten auszuheben, da sandten sie von
Hermannstadt Leute durch das ganze Land, nus zu rathen, base wir nicht gehorchen
sollten, der Kaiser habe es verboten. Zwar vom Kaiser wußten wir gar nicht
mehr, wo er sei, es hieß manchmal, er sei außer Landes gegangen. Unsere Re¬
gierung war uicht mehr in Wien, sondern in Hermannstadt, und bestand ans den
Herren von der Friedensgesellschaft. Für die Ungarn sollten wir Romanen 14,000
Mann stellen ; dafür haben uns die Friedensherren befohlen, 200,000 Mann für
den Kaiser zu stellen. Denn so viele sind jelst in Waffen gegen die Ungarn, und
doch wissen wir nicht, welchen Lohn wir dafür haben werden. --

Im September ging ich nach Zalathna hinauf, um nach Unica zu sehen.
Dort war aber Vielerlei verändert. Zwar nichts Gries hatte mir geahnt, weil in
den Briefen der Unica allerlei stand, daß früher nie zur Sprache gekommen war.
Aber einen solchen Empfang hatte ich doch nicht erwartet. Der Vater war
freundlich, und sprach mit mir Vielerlei über die Lage des Landes, aber er war
uicht mehr der Alte, besonders da er hörte, daß ich anch ans der Blasendorfer
Versammlung gewesen sei. Endlich fragte er mich grade heraus, ob ich es mit
den Walachen oder mit den Ungarn halte. Ich sagte: "Wenn ich ein Ungar
wäre, so wurde ich mit den Ungarn halten; da ich aber ein Walach bin, so darf
ich kein Verräther sein." Da verbot er mir das Hans, obwohl er glaubte, daß
ich ein ehrlicher Mensch sei, weil er recht gut wußte, wie sehr ich seine Tochter
liebte. Diese hatte zwar nicht aufgehört, mich zu liebe", aber sie war doch ihrem
Volke so treu, daß es mir manchmal schien, als ob sie daran denke, mich aufzu-
geben. -- Ich besuchte sie heimlich und sagte ihr einmal, sie solle den Vater bitten,
daß er Zalathna mit ihr verlasse; es drohe der Stadt Unheil. Dies war in den
leisten Tagen vom September. Am 2l). sollte das ganze Volk im Lande gegen
die Ungarn ausstehen, aber es erhob sich nnr in einem District und einem Eomitate.
An diesem Tage sollten alle ungarischen Edelleute in allen Eomitate" und sächsische",
Stühlen, und alle ungarischen Vanern, die es mit der Passer Regierung hielten,
umgebracht werden. -- Darm" warnte ich Aiuica. Sie aber lachte mich aus und
meinte, die Walachei: hätten uicht den Muth, die Ungarn anzugreifen. Das er.
bitterte mich, und ich ging "ach Hanse. --

Dennoch liebte ich das Mädchen viel z" sehr, als daß ich ven ihr hätte lasse"
können. Ich dachte immer a" sie, und es war mir "indes darau gelegen, als meine
Gemeinde mich zum Centurio wählte.

Als Centurio machte ich den Zug nach Zalathna mit, n"ter Jantus An¬
führung. Ich wollte Unica und ihre" Vater retten um jeden Preis. Am


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sie nachher zu unsern Anführer». Es gab freilich auch Einige unter uns, die nicht
mithalten und nicht gegen die Ungarn kämpfen wollten, aber denen stopfte man den
Mund mit der Drohung, ihre Häuser anzuzünden und sie zu todten. Als das
ungarische Ministerium im Monat August den Befehl herunterschickte, die junge
Mannschaft vom 18. bis 3,2. Jahre als Soldaten auszuheben, da sandten sie von
Hermannstadt Leute durch das ganze Land, nus zu rathen, base wir nicht gehorchen
sollten, der Kaiser habe es verboten. Zwar vom Kaiser wußten wir gar nicht
mehr, wo er sei, es hieß manchmal, er sei außer Landes gegangen. Unsere Re¬
gierung war uicht mehr in Wien, sondern in Hermannstadt, und bestand ans den
Herren von der Friedensgesellschaft. Für die Ungarn sollten wir Romanen 14,000
Mann stellen ; dafür haben uns die Friedensherren befohlen, 200,000 Mann für
den Kaiser zu stellen. Denn so viele sind jelst in Waffen gegen die Ungarn, und
doch wissen wir nicht, welchen Lohn wir dafür haben werden. —

Im September ging ich nach Zalathna hinauf, um nach Unica zu sehen.
Dort war aber Vielerlei verändert. Zwar nichts Gries hatte mir geahnt, weil in
den Briefen der Unica allerlei stand, daß früher nie zur Sprache gekommen war.
Aber einen solchen Empfang hatte ich doch nicht erwartet. Der Vater war
freundlich, und sprach mit mir Vielerlei über die Lage des Landes, aber er war
uicht mehr der Alte, besonders da er hörte, daß ich anch ans der Blasendorfer
Versammlung gewesen sei. Endlich fragte er mich grade heraus, ob ich es mit
den Walachen oder mit den Ungarn halte. Ich sagte: „Wenn ich ein Ungar
wäre, so wurde ich mit den Ungarn halten; da ich aber ein Walach bin, so darf
ich kein Verräther sein." Da verbot er mir das Hans, obwohl er glaubte, daß
ich ein ehrlicher Mensch sei, weil er recht gut wußte, wie sehr ich seine Tochter
liebte. Diese hatte zwar nicht aufgehört, mich zu liebe», aber sie war doch ihrem
Volke so treu, daß es mir manchmal schien, als ob sie daran denke, mich aufzu-
geben. — Ich besuchte sie heimlich und sagte ihr einmal, sie solle den Vater bitten,
daß er Zalathna mit ihr verlasse; es drohe der Stadt Unheil. Dies war in den
leisten Tagen vom September. Am 2l). sollte das ganze Volk im Lande gegen
die Ungarn ausstehen, aber es erhob sich nnr in einem District und einem Eomitate.
An diesem Tage sollten alle ungarischen Edelleute in allen Eomitate» und sächsische»,
Stühlen, und alle ungarischen Vanern, die es mit der Passer Regierung hielten,
umgebracht werden. — Darm» warnte ich Aiuica. Sie aber lachte mich aus und
meinte, die Walachei: hätten uicht den Muth, die Ungarn anzugreifen. Das er.
bitterte mich, und ich ging »ach Hanse. —

Dennoch liebte ich das Mädchen viel z» sehr, als daß ich ven ihr hätte lasse»
können. Ich dachte immer a» sie, und es war mir »indes darau gelegen, als meine
Gemeinde mich zum Centurio wählte.

Als Centurio machte ich den Zug nach Zalathna mit, n»ter Jantus An¬
führung. Ich wollte Unica und ihre» Vater retten um jeden Preis. Am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/315>, abgerufen am 22.07.2024.