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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Euch geht. Die Reise nach Hause ist nur se' ein Vorwand. Ich dachte, MikesüSza
ist nicht weit von Esombord, da kannst dn wohl nachschauen, was der tapfere
ungarische Herr macht, ob ihn Marie nach Pflicht und Gewissen gepflegt."

"Mir," antwortete Oedön, "ist eS doppelt lieb, daß Ihr gekommen. Ich
muß hier fort."

"Seid Ihr," fragte erstaunt der Centurio, "mit Mariens Pflege uicht
zufrieden'!'"

Da theilte ihm Oedön sein Verhältnis; zu deu Frauen in Scagy Euyed mit,
und bat ihn dringend um Nath, wie er ungefährdet uach Enyed konunen könnte.
Der Walache neigte das Haupt und sprach: "Ich null Euch uicht "ur rathen,
sondern (k"es selbst hiugeleiteu. Euch soll kein Haar gekrümmt werden. Die
Andern Eurer Nation hasse ich; sie waren unsere Unterdrücker, Euch konnte ich
schon damals nicht böse sein, da Ihr elend und wund in jenem Hofe tagt, bei
Felviucz. Heute noch reise ich nach Hanse und übermorgen bin ich wieder hier.
Dann fahren wir nach Euyed." --

Nachdem MicareSeu einen Imbiß genommen und ein wenig mit seiner Base
Marie geplaudert, brach er wieder auf. --

Es befremdete aber Oedöu, daß er den ganzen heutigen Tag seine schöne
Pflegerin nicht zu Gesicht bekam. Erst Abends, als sie ihm seine einfache
Abendmahlzeit -- Mammaliga, eine Art von Polenta -- hereinbrachte, konnte
er ihr sinne Verwunderung über ihre lange Abwesenheit aussprechen. Sie hatte
verweinte Augen und war sehr blaß. --

"Sie sind ja gesund jetzt, wie Sie sagen. Meine Pflege brauchen Sie
nicht mehr. O, eine Andere, Vornehmere wird jetzt diese Sorge übernehmen.
Iron hat mir eS gesagt."

Oedön ergriff ihre Hände: "Bist Dn mir böse, Kind? Ist's denn mein
Fehler, das; es nur keine Ruhe läßt, bis ich weiß, ob meine Braut noch lebt,
ob sie sicher ist?"

Das Wort Braut kam ungelegen, das Mädchen riß sich los und eilte laut
weinend hinaus.

Den folgende" Tag gingen Beide still an einander vorüber, grüßten sich
traurig, es war Oedöu, als hätte er eine große Schuld. Abends erschien sie
wieder heiterer, sie hatte heftig mit sich gerungen und war Siegerin über ihre
Traurigkeit geworden.

"Es ist heute der letzte Tag," sprach sie freundlich lächelnd, "deu Sie in
meinem Hause zubringen."

Zartstuniger und feiner fühlend, als andere Mädchen eines so rohen Stam¬
mes, wollte sie nicht durch Schautragen ihres Schmerzes dem Manne ihrer Liebe
ein lebender Vorwurf erscheinen, durch unbefangene Heiterkeit seine getrübte
Stimmung ausheilen. Das; es ihr doch nicht ganz gelang, machte Oedön'S Herzen Ehre.


Euch geht. Die Reise nach Hause ist nur se' ein Vorwand. Ich dachte, MikesüSza
ist nicht weit von Esombord, da kannst dn wohl nachschauen, was der tapfere
ungarische Herr macht, ob ihn Marie nach Pflicht und Gewissen gepflegt."

„Mir," antwortete Oedön, „ist eS doppelt lieb, daß Ihr gekommen. Ich
muß hier fort."

„Seid Ihr," fragte erstaunt der Centurio, „mit Mariens Pflege uicht
zufrieden'!'"

Da theilte ihm Oedön sein Verhältnis; zu deu Frauen in Scagy Euyed mit,
und bat ihn dringend um Nath, wie er ungefährdet uach Enyed konunen könnte.
Der Walache neigte das Haupt und sprach: „Ich null Euch uicht »ur rathen,
sondern (k»es selbst hiugeleiteu. Euch soll kein Haar gekrümmt werden. Die
Andern Eurer Nation hasse ich; sie waren unsere Unterdrücker, Euch konnte ich
schon damals nicht böse sein, da Ihr elend und wund in jenem Hofe tagt, bei
Felviucz. Heute noch reise ich nach Hanse und übermorgen bin ich wieder hier.
Dann fahren wir nach Euyed." —

Nachdem MicareSeu einen Imbiß genommen und ein wenig mit seiner Base
Marie geplaudert, brach er wieder auf. —

Es befremdete aber Oedöu, daß er den ganzen heutigen Tag seine schöne
Pflegerin nicht zu Gesicht bekam. Erst Abends, als sie ihm seine einfache
Abendmahlzeit — Mammaliga, eine Art von Polenta — hereinbrachte, konnte
er ihr sinne Verwunderung über ihre lange Abwesenheit aussprechen. Sie hatte
verweinte Augen und war sehr blaß. —

„Sie sind ja gesund jetzt, wie Sie sagen. Meine Pflege brauchen Sie
nicht mehr. O, eine Andere, Vornehmere wird jetzt diese Sorge übernehmen.
Iron hat mir eS gesagt."

Oedön ergriff ihre Hände: „Bist Dn mir böse, Kind? Ist's denn mein
Fehler, das; es nur keine Ruhe läßt, bis ich weiß, ob meine Braut noch lebt,
ob sie sicher ist?"

Das Wort Braut kam ungelegen, das Mädchen riß sich los und eilte laut
weinend hinaus.

Den folgende» Tag gingen Beide still an einander vorüber, grüßten sich
traurig, es war Oedöu, als hätte er eine große Schuld. Abends erschien sie
wieder heiterer, sie hatte heftig mit sich gerungen und war Siegerin über ihre
Traurigkeit geworden.

„Es ist heute der letzte Tag," sprach sie freundlich lächelnd, „deu Sie in
meinem Hause zubringen."

Zartstuniger und feiner fühlend, als andere Mädchen eines so rohen Stam¬
mes, wollte sie nicht durch Schautragen ihres Schmerzes dem Manne ihrer Liebe
ein lebender Vorwurf erscheinen, durch unbefangene Heiterkeit seine getrübte
Stimmung ausheilen. Das; es ihr doch nicht ganz gelang, machte Oedön'S Herzen Ehre.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/312>, abgerufen am 25.08.2024.