Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.nicht lassen; auch bei einer Anhäufung voll Wundern, Zauberei u. s. w. muß er Die eigentlichen Träger der Handlung siud die drei Wiedertäufer -- eine Erster Act. Indifferenter Chor der Landleute, ans welche gewirkt werden Zu Dreien, Nun mischt sich das Volk ein: "O hört auf sie, folgt ihrem Wort! sie spre¬ nicht lassen; auch bei einer Anhäufung voll Wundern, Zauberei u. s. w. muß er Die eigentlichen Träger der Handlung siud die drei Wiedertäufer — eine Erster Act. Indifferenter Chor der Landleute, ans welche gewirkt werden Zu Dreien, Nun mischt sich das Volk ein: „O hört auf sie, folgt ihrem Wort! sie spre¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185366"/> <p xml:id="ID_66" prev="#ID_65"> nicht lassen; auch bei einer Anhäufung voll Wundern, Zauberei u. s. w. muß er<lb/> motiviren. — Bei der Analyse unseres Stücks wird sich das näher ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_67"> Die eigentlichen Träger der Handlung siud die drei Wiedertäufer — eine<lb/> sehr glückliche Mischung von Chor und Solo, die man im Drama nicht so geben<lb/> konnte. Sie reisen von Ort zu Ort, um die Bauern zu eiuer Erhebung gegen<lb/> die Tyrannei des Adels anzuregen. Zu ihrem Erfolg gebrauchen sie aber ein<lb/> Medium, welches auf die Phantasie wirkt. Sie finden es in Johann von Leyden,<lb/> der theils durch sein Aeußeres, theils dnrch sein schwärmerisches Wesen befähigt<lb/> ist, die Rolle eines Propheten, eines Sohnes Gottes zu spielen. Bestimmt wird<lb/> er dazu durch einen persönlichen Conflict mit dem Adel; ein. hochmüthiger Edel¬<lb/> mann hat ihm seine Braut geraubt. Aenßerlichcr Erfolg wird ihm in hohem<lb/> Grade zu Theil, aber bald kommt er in Conflict mit der Rohheit und der gemeinen<lb/> Natur seiner Verbündeten; theils veranlaßt die Unwahrheit seiner Stellung einen<lb/> innern Bruch: er muß seiue Mutter öffentlich vor allem Volk verleugnen, denn,<lb/> der Sohn Gottes darf durch menschliche Bande nicht gefesselt sein, und diese Gott¬<lb/> losigkeit zieht ihm einen Fluch von denen zu, die ihm die Liebsten sind; und er<lb/> weiß sich nicht anders zu helfen, als daß er sich mit seinem. Palaste, seinen Freun¬<lb/> den und Anhängern in die Luft sprengt. — Eine Fabel, die eine rein tragische<lb/> Durchführung wohl zuließe, wenn nicht jener satyrische Pragmatismus, der aus der<lb/> ganzen Geschichte ein Gewebe von Intriguen macht wie im Glas Wasser, die<lb/> Entwickelung verwirrte.</p><lb/> <p xml:id="ID_68"> Erster Act. Indifferenter Chor der Landleute, ans welche gewirkt werden<lb/> soll. Die Mutter Johann's, Fides, und seine Braut, Bertha, benachrichtigen<lb/> das Publicum, daß die Letztere zu ihrer Vermählung die Einwilligung ihres Herrn,<lb/> des Grasen Ob er tha t, bedarf. Auf eiuer Erhöhung erscheinen die drei schwarzen<lb/> Gestalten der Wiedertäufer. Die Aufregung der Bauern geht sehr einfach vor<lb/> sich. Wie in deu Hugenotten ist ein alter, finsterer Choral zu Grunde gelegt,<lb/> aber ohne die weitere Anwendung, die in jenem Chor davon gemacht ist.</p><lb/> <quote> <note type="speaker"> Zu Dreien,</note> <p xml:id="ID_69"> ^et Salm-u-om unckam,<lb/> ^.et nos, vLnUo miserl.</p><lb/> <note type="speaker"> Baß.</note> <p xml:id="ID_70"> Die ihr düngt diese Saaten mit eurem Schweiß,<lb/> Wollt ihr nicht auch den Lob» für euren Fleiß!</p><lb/> <note type="speaker"> Zu Dreien. </note> <p xml:id="ID_71"> nos skIutarLin umwm<lb/> Iterum venito miseri.</p><lb/> <p xml:id="ID_72"> Wollt ihr das stolze Schloß, von dem die Banner wehen,<lb/> In Zukunft dcmnthvoll gleich euren Hütten sehen'?</p> <note type="speaker"> Tenor.</note><lb/> <note type="speaker"> Zu Dreien. </note> <p xml:id="ID_73"> >w« u- s- w.</p> <p xml:id="ID_74"> ES muß die Tyrannei vor eurem Zorn erbeben,<lb/> Und waS erniedrigt war, das soll sich neu erheben.</p> <note type="speaker"> Bariton. </note> <p xml:id="ID_75"> Erhebet euch! erhebet euch!</p> <note type="speaker"> Zu Dreien. </note> </quote><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Nun mischt sich das Volk ein: „O hört auf sie, folgt ihrem Wort! sie spre¬<lb/> chen wahr, so will es Gott!" „Tod den Tyrannen!" u. s. >v. Getümmel, man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
nicht lassen; auch bei einer Anhäufung voll Wundern, Zauberei u. s. w. muß er
motiviren. — Bei der Analyse unseres Stücks wird sich das näher ergeben.
Die eigentlichen Träger der Handlung siud die drei Wiedertäufer — eine
sehr glückliche Mischung von Chor und Solo, die man im Drama nicht so geben
konnte. Sie reisen von Ort zu Ort, um die Bauern zu eiuer Erhebung gegen
die Tyrannei des Adels anzuregen. Zu ihrem Erfolg gebrauchen sie aber ein
Medium, welches auf die Phantasie wirkt. Sie finden es in Johann von Leyden,
der theils durch sein Aeußeres, theils dnrch sein schwärmerisches Wesen befähigt
ist, die Rolle eines Propheten, eines Sohnes Gottes zu spielen. Bestimmt wird
er dazu durch einen persönlichen Conflict mit dem Adel; ein. hochmüthiger Edel¬
mann hat ihm seine Braut geraubt. Aenßerlichcr Erfolg wird ihm in hohem
Grade zu Theil, aber bald kommt er in Conflict mit der Rohheit und der gemeinen
Natur seiner Verbündeten; theils veranlaßt die Unwahrheit seiner Stellung einen
innern Bruch: er muß seiue Mutter öffentlich vor allem Volk verleugnen, denn,
der Sohn Gottes darf durch menschliche Bande nicht gefesselt sein, und diese Gott¬
losigkeit zieht ihm einen Fluch von denen zu, die ihm die Liebsten sind; und er
weiß sich nicht anders zu helfen, als daß er sich mit seinem. Palaste, seinen Freun¬
den und Anhängern in die Luft sprengt. — Eine Fabel, die eine rein tragische
Durchführung wohl zuließe, wenn nicht jener satyrische Pragmatismus, der aus der
ganzen Geschichte ein Gewebe von Intriguen macht wie im Glas Wasser, die
Entwickelung verwirrte.
Erster Act. Indifferenter Chor der Landleute, ans welche gewirkt werden
soll. Die Mutter Johann's, Fides, und seine Braut, Bertha, benachrichtigen
das Publicum, daß die Letztere zu ihrer Vermählung die Einwilligung ihres Herrn,
des Grasen Ob er tha t, bedarf. Auf eiuer Erhöhung erscheinen die drei schwarzen
Gestalten der Wiedertäufer. Die Aufregung der Bauern geht sehr einfach vor
sich. Wie in deu Hugenotten ist ein alter, finsterer Choral zu Grunde gelegt,
aber ohne die weitere Anwendung, die in jenem Chor davon gemacht ist.
Zu Dreien, ^et Salm-u-om unckam,
^.et nos, vLnUo miserl.
Baß. Die ihr düngt diese Saaten mit eurem Schweiß,
Wollt ihr nicht auch den Lob» für euren Fleiß!
Zu Dreien. nos skIutarLin umwm
Iterum venito miseri.
Wollt ihr das stolze Schloß, von dem die Banner wehen,
In Zukunft dcmnthvoll gleich euren Hütten sehen'?
Tenor.
Zu Dreien. >w« u- s- w.
ES muß die Tyrannei vor eurem Zorn erbeben,
Und waS erniedrigt war, das soll sich neu erheben.
Bariton. Erhebet euch! erhebet euch!
Zu Dreien.
Nun mischt sich das Volk ein: „O hört auf sie, folgt ihrem Wort! sie spre¬
chen wahr, so will es Gott!" „Tod den Tyrannen!" u. s. >v. Getümmel, man
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