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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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des Körpers und Geistes ausgestattet, bis jetzt Leben und Liebe fröhlich genossen.
Jetzt hing eine Wolke schwarz und drohend über ihm. Er sollte an den Leiden
seines Volkes innigern und suhlbarern Antheil durch seine eigenen Schicksale nehmen,
als tausend Andere; im Kleinen wurde sein Leben ein Bild von dem Schicksal der
unglücklichen Ungarn.

Die näher herangekommene Laudstürmlermasfe hatte ihn bald umringt. Der
Anführer, welcher früher mehre Jahre, eines Straßenraubes verdächtig, im Ge¬
fängnisse zugebracht hatte und gegen Bürgschaft entlassen worden war, frug Oedvn
Wer? und Wohin? und schien durch des Jünglings trotzige Antworten wenig
erbaut. Als nur Oedvn, alle Verhandlungen kurz abbrechend, weiter reiten wollte,
und voraussehend, was sogleich geschah, die Hand an eine seiner Pistolen legte,
ergriffen Mehre der Walachen die Zügel des Pferdes, und zu gleicher Zeit geschah
ein Schuß aus der Mitte des Zuges. Oedvn beantwortete diese Gewaltthätigkeit
seinerseits, indem er sein Pferd spornte, hinter einander beide Pistolen abfeuerte
und anfing, Gebrauch von seinem Säbel zu macheu, dessen erster Hieb den wala-
chischcn Tribunen traf. Dies war das Zeichen zu allgemeinem Angriffe der
etwa 1000 Manu starken Truppe, die den Reiter völlig umringte. Als nun gar
wälachische Reiter, die der ungarische Husarenwitz P ....-Husaren zu nennen
pflegte, herbeieilten, entspann sich ein höchst sonderbarer, sast lächerlicher Kampf
zwischen dem einzigen Ungar und den zahlreichen Bauern. Die plumpen wäla-
chischcn Reiter, die ihre "och plumpem Gäule mit Mühe regierten, legten dabei
wenig Ehre ein, sie wurden im Ansprengen bngelloö und mehr als einer ward
verwundet. Freilich konnte das Ende des Kampfes nicht zweifelhaft sein; Oedön
wurde gänzlich umringt, verwundet und entwaffnet, vielleicht von einem Theile
derselben Bande, von welcher Oedön seine erste Wunde erhalten.

Durch die Felder schleppten ihn die Bauern nach Felonicz. ,,Es ist kalt,"
sprachen die Walachen, "Du frierst; bald wirst Du zu warm haben. Wir wollen
in Felonicz einheize". Nach einigen Minuten vereinigte sich diese Bande mit der
weit größern, von der oben die Rede gewesen. Nun ward der große Ort um¬
ringt. Es mochte 2 Uhr Morgens sein.

Die Nationalgarde deö Ortes wurde, wie diejenige von Zalathna, eingelullt
mit dem Versprechen, daß den Einwohnern nichts geschehen werde, wenn sie die
Waffen ablegen und zur Fahne deö Kaisers schwören wollten. Ohnehin war wenig
männliches Volk im Orte; fast die ganze Jugend und ein großer Theil der
Männer waren ausgezogen, theils als Honveds, theils ein eignes Corps vervoll-
ständigend, das ans lauter Arauyoser Szelleru bestand, und sich später einmal
rühmlich auszeichnete. Es mochten etwa 110 Männer im Orte sein. Der Feind
war zusammen 3--5000 Mann stark.

Als die Nationalgarde, dem Worte der treulosen Mordbrenner vertrauend,
sich selbst ihrer Wehre begeben, sielen Jene über sie her, und was im Orte war


des Körpers und Geistes ausgestattet, bis jetzt Leben und Liebe fröhlich genossen.
Jetzt hing eine Wolke schwarz und drohend über ihm. Er sollte an den Leiden
seines Volkes innigern und suhlbarern Antheil durch seine eigenen Schicksale nehmen,
als tausend Andere; im Kleinen wurde sein Leben ein Bild von dem Schicksal der
unglücklichen Ungarn.

Die näher herangekommene Laudstürmlermasfe hatte ihn bald umringt. Der
Anführer, welcher früher mehre Jahre, eines Straßenraubes verdächtig, im Ge¬
fängnisse zugebracht hatte und gegen Bürgschaft entlassen worden war, frug Oedvn
Wer? und Wohin? und schien durch des Jünglings trotzige Antworten wenig
erbaut. Als nur Oedvn, alle Verhandlungen kurz abbrechend, weiter reiten wollte,
und voraussehend, was sogleich geschah, die Hand an eine seiner Pistolen legte,
ergriffen Mehre der Walachen die Zügel des Pferdes, und zu gleicher Zeit geschah
ein Schuß aus der Mitte des Zuges. Oedvn beantwortete diese Gewaltthätigkeit
seinerseits, indem er sein Pferd spornte, hinter einander beide Pistolen abfeuerte
und anfing, Gebrauch von seinem Säbel zu macheu, dessen erster Hieb den wala-
chischcn Tribunen traf. Dies war das Zeichen zu allgemeinem Angriffe der
etwa 1000 Manu starken Truppe, die den Reiter völlig umringte. Als nun gar
wälachische Reiter, die der ungarische Husarenwitz P ....-Husaren zu nennen
pflegte, herbeieilten, entspann sich ein höchst sonderbarer, sast lächerlicher Kampf
zwischen dem einzigen Ungar und den zahlreichen Bauern. Die plumpen wäla-
chischcn Reiter, die ihre «och plumpem Gäule mit Mühe regierten, legten dabei
wenig Ehre ein, sie wurden im Ansprengen bngelloö und mehr als einer ward
verwundet. Freilich konnte das Ende des Kampfes nicht zweifelhaft sein; Oedön
wurde gänzlich umringt, verwundet und entwaffnet, vielleicht von einem Theile
derselben Bande, von welcher Oedön seine erste Wunde erhalten.

Durch die Felder schleppten ihn die Bauern nach Felonicz. ,,Es ist kalt,"
sprachen die Walachen, „Du frierst; bald wirst Du zu warm haben. Wir wollen
in Felonicz einheize». Nach einigen Minuten vereinigte sich diese Bande mit der
weit größern, von der oben die Rede gewesen. Nun ward der große Ort um¬
ringt. Es mochte 2 Uhr Morgens sein.

Die Nationalgarde deö Ortes wurde, wie diejenige von Zalathna, eingelullt
mit dem Versprechen, daß den Einwohnern nichts geschehen werde, wenn sie die
Waffen ablegen und zur Fahne deö Kaisers schwören wollten. Ohnehin war wenig
männliches Volk im Orte; fast die ganze Jugend und ein großer Theil der
Männer waren ausgezogen, theils als Honveds, theils ein eignes Corps vervoll-
ständigend, das ans lauter Arauyoser Szelleru bestand, und sich später einmal
rühmlich auszeichnete. Es mochten etwa 110 Männer im Orte sein. Der Feind
war zusammen 3—5000 Mann stark.

Als die Nationalgarde, dem Worte der treulosen Mordbrenner vertrauend,
sich selbst ihrer Wehre begeben, sielen Jene über sie her, und was im Orte war


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[0274] des Körpers und Geistes ausgestattet, bis jetzt Leben und Liebe fröhlich genossen. Jetzt hing eine Wolke schwarz und drohend über ihm. Er sollte an den Leiden seines Volkes innigern und suhlbarern Antheil durch seine eigenen Schicksale nehmen, als tausend Andere; im Kleinen wurde sein Leben ein Bild von dem Schicksal der unglücklichen Ungarn. Die näher herangekommene Laudstürmlermasfe hatte ihn bald umringt. Der Anführer, welcher früher mehre Jahre, eines Straßenraubes verdächtig, im Ge¬ fängnisse zugebracht hatte und gegen Bürgschaft entlassen worden war, frug Oedvn Wer? und Wohin? und schien durch des Jünglings trotzige Antworten wenig erbaut. Als nur Oedvn, alle Verhandlungen kurz abbrechend, weiter reiten wollte, und voraussehend, was sogleich geschah, die Hand an eine seiner Pistolen legte, ergriffen Mehre der Walachen die Zügel des Pferdes, und zu gleicher Zeit geschah ein Schuß aus der Mitte des Zuges. Oedvn beantwortete diese Gewaltthätigkeit seinerseits, indem er sein Pferd spornte, hinter einander beide Pistolen abfeuerte und anfing, Gebrauch von seinem Säbel zu macheu, dessen erster Hieb den wala- chischcn Tribunen traf. Dies war das Zeichen zu allgemeinem Angriffe der etwa 1000 Manu starken Truppe, die den Reiter völlig umringte. Als nun gar wälachische Reiter, die der ungarische Husarenwitz P ....-Husaren zu nennen pflegte, herbeieilten, entspann sich ein höchst sonderbarer, sast lächerlicher Kampf zwischen dem einzigen Ungar und den zahlreichen Bauern. Die plumpen wäla- chischcn Reiter, die ihre «och plumpem Gäule mit Mühe regierten, legten dabei wenig Ehre ein, sie wurden im Ansprengen bngelloö und mehr als einer ward verwundet. Freilich konnte das Ende des Kampfes nicht zweifelhaft sein; Oedön wurde gänzlich umringt, verwundet und entwaffnet, vielleicht von einem Theile derselben Bande, von welcher Oedön seine erste Wunde erhalten. Durch die Felder schleppten ihn die Bauern nach Felonicz. ,,Es ist kalt," sprachen die Walachen, „Du frierst; bald wirst Du zu warm haben. Wir wollen in Felonicz einheize». Nach einigen Minuten vereinigte sich diese Bande mit der weit größern, von der oben die Rede gewesen. Nun ward der große Ort um¬ ringt. Es mochte 2 Uhr Morgens sein. Die Nationalgarde deö Ortes wurde, wie diejenige von Zalathna, eingelullt mit dem Versprechen, daß den Einwohnern nichts geschehen werde, wenn sie die Waffen ablegen und zur Fahne deö Kaisers schwören wollten. Ohnehin war wenig männliches Volk im Orte; fast die ganze Jugend und ein großer Theil der Männer waren ausgezogen, theils als Honveds, theils ein eignes Corps vervoll- ständigend, das ans lauter Arauyoser Szelleru bestand, und sich später einmal rühmlich auszeichnete. Es mochten etwa 110 Männer im Orte sein. Der Feind war zusammen 3—5000 Mann stark. Als die Nationalgarde, dem Worte der treulosen Mordbrenner vertrauend, sich selbst ihrer Wehre begeben, sielen Jene über sie her, und was im Orte war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/274>, abgerufen am 22.07.2024.