Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.den bei nächtlicher Weile ihre flammenden Kochfeuer ans der einsamen Haide ent¬ den bei nächtlicher Weile ihre flammenden Kochfeuer ans der einsamen Haide ent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185600"/> <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924" next="#ID_926"> den bei nächtlicher Weile ihre flammenden Kochfeuer ans der einsamen Haide ent¬<lb/> gegen. Quacksalberei bei dem Vieh der Bauern, Flicken von Kesseln, Schleifen<lb/> von Messern und Scheeren, Drathbinden von alten Töpfen, auch wohl Mäckler-<lb/> dieuste beim Pferde- und Kuhhandel, verbunden mit Betteln und Stehlen von<lb/> NahrnllgSmitteln, wenn sich gerade die Gelegenheit dazu gibt, ernährt dies<lb/> Geschlecht. Ju der unmittelbaren Nähe ihres jedesmaligen Wohnortes sollen<lb/> sie auch hier niemals stehlen, sondern ihre Streifzüge immer auf einige Meilen<lb/> ausdehnen. Uebrigens mausen sie nie bedeutende Sachen, die eine Verfolgung<lb/> uach sich ziehen könnten, sondern begnügen sich mit Kleinigkeiten, einigen Hüh¬<lb/> nern oder einer Gaus und Enten, oder einigen Metzen Kartoffeln, einigen Gar¬<lb/> ben Getreide u. s. w. Wegen dieser Dinge eine lange Verfolgung anzustellen,<lb/> ist der jütländische Bauer zu träge, er begnügt sich, wenn er den Verlust ent¬<lb/> deckt, den wohl bekanntem Dieben einige derbe Verwünschungen nachzusenden.<lb/> Das wissen die Schelme. Doch sind die Zigeuner vom Bauer auch gefürchtet.<lb/> Er glaubt dieselben im Besitz mancher übernatürlichen Künste, sie tonnen ihm<lb/> sein Vieh verhexen und den Brand in das Korn bringen, er scheut sich daher,<lb/> ihre Nache heraufzubeschwören. Uebrigens glauben auch andere Leute in Jüt-<lb/> land, daß die Zigeuner im Besitz mancher Kenntnisse der Natur sind, und<lb/> namentlich durch Anwendung sympathetischer Mittel außergewöhnliche Kuren voll¬<lb/> bringen. Trotzdem find sie vom Landvolke sehr verachtet, und selbst der gemeinste<lb/> Knecht hält sich zu gut, mit ihnen aus einem Glase zu trinken. Kein Jude wird<lb/> je ein Zigeuner- oder „Taler"-Mädchen, wie die Zigeuner hier oben heißen,<lb/> heirathen. Diese Kinder der Fremde sind hier wie überall, größtentheils<lb/> schlanke, elastische Gestalten von feinem Knochenbau, mit ausdrucksvollen, ächt<lb/> orientalischen Zügen. An körperlicher Stärke können sie es mit dein Landvolke<lb/> nicht aufnehme», haben auch eine unbesiegbare Abneigung gegen jede anstren¬<lb/> gende anhaltende Arbeit, an Schnelligkeit und Gewandtheit übertreffen sie den<lb/> Eingeborenen bei Weitem. Gleich stehen sie den Bauern in der Liebe zur Un¬<lb/> redlichkeit, dies ist die einzige Sympathie, die zwischen Beiden herrscht. Ihre<lb/> Bekleidung besteht natürlich in Lumpen aller Art, wie man sie nur auf dem<lb/> schmutzigsten Trödelmarkt finden kann, dabei aber möglichst grelle, bunte Farben.<lb/> Die abgetragene rothe dänische Uniform oder gar Husarenjacken mit bunten<lb/> Schnüren stehen bei ihnen in erstaunlichem Ansehen, und werden zum höchsten<lb/> Putz gerechnet. Auch die Frauen kleiden sich möglichst bunt und abenteuerlich,<lb/> und'lieben es, sich mit allerlei Flittern und Fetzen, die oft so schmutzig sind,<lb/> daß mau kaum die Farbe mehr an ihnen erkennen kann, zu behangen. Unter<lb/> den jungen Mädchen bis 16, 18 Jahren sind oft große Schönheiten, anmuthig<lb/> schlanke Gestalten mit regelmäßigen Züge»; die älteren Weiber sind, wie im Sü¬<lb/> den, elend, oft von wirklich abschreckender Häßlichkeit. Die Fruchtbarkeit bei die¬<lb/> sen Zigeunern, die übrigens keine förmliche Ehe haben, obgleich sie sich äußerlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
den bei nächtlicher Weile ihre flammenden Kochfeuer ans der einsamen Haide ent¬
gegen. Quacksalberei bei dem Vieh der Bauern, Flicken von Kesseln, Schleifen
von Messern und Scheeren, Drathbinden von alten Töpfen, auch wohl Mäckler-
dieuste beim Pferde- und Kuhhandel, verbunden mit Betteln und Stehlen von
NahrnllgSmitteln, wenn sich gerade die Gelegenheit dazu gibt, ernährt dies
Geschlecht. Ju der unmittelbaren Nähe ihres jedesmaligen Wohnortes sollen
sie auch hier niemals stehlen, sondern ihre Streifzüge immer auf einige Meilen
ausdehnen. Uebrigens mausen sie nie bedeutende Sachen, die eine Verfolgung
uach sich ziehen könnten, sondern begnügen sich mit Kleinigkeiten, einigen Hüh¬
nern oder einer Gaus und Enten, oder einigen Metzen Kartoffeln, einigen Gar¬
ben Getreide u. s. w. Wegen dieser Dinge eine lange Verfolgung anzustellen,
ist der jütländische Bauer zu träge, er begnügt sich, wenn er den Verlust ent¬
deckt, den wohl bekanntem Dieben einige derbe Verwünschungen nachzusenden.
Das wissen die Schelme. Doch sind die Zigeuner vom Bauer auch gefürchtet.
Er glaubt dieselben im Besitz mancher übernatürlichen Künste, sie tonnen ihm
sein Vieh verhexen und den Brand in das Korn bringen, er scheut sich daher,
ihre Nache heraufzubeschwören. Uebrigens glauben auch andere Leute in Jüt-
land, daß die Zigeuner im Besitz mancher Kenntnisse der Natur sind, und
namentlich durch Anwendung sympathetischer Mittel außergewöhnliche Kuren voll¬
bringen. Trotzdem find sie vom Landvolke sehr verachtet, und selbst der gemeinste
Knecht hält sich zu gut, mit ihnen aus einem Glase zu trinken. Kein Jude wird
je ein Zigeuner- oder „Taler"-Mädchen, wie die Zigeuner hier oben heißen,
heirathen. Diese Kinder der Fremde sind hier wie überall, größtentheils
schlanke, elastische Gestalten von feinem Knochenbau, mit ausdrucksvollen, ächt
orientalischen Zügen. An körperlicher Stärke können sie es mit dein Landvolke
nicht aufnehme», haben auch eine unbesiegbare Abneigung gegen jede anstren¬
gende anhaltende Arbeit, an Schnelligkeit und Gewandtheit übertreffen sie den
Eingeborenen bei Weitem. Gleich stehen sie den Bauern in der Liebe zur Un¬
redlichkeit, dies ist die einzige Sympathie, die zwischen Beiden herrscht. Ihre
Bekleidung besteht natürlich in Lumpen aller Art, wie man sie nur auf dem
schmutzigsten Trödelmarkt finden kann, dabei aber möglichst grelle, bunte Farben.
Die abgetragene rothe dänische Uniform oder gar Husarenjacken mit bunten
Schnüren stehen bei ihnen in erstaunlichem Ansehen, und werden zum höchsten
Putz gerechnet. Auch die Frauen kleiden sich möglichst bunt und abenteuerlich,
und'lieben es, sich mit allerlei Flittern und Fetzen, die oft so schmutzig sind,
daß mau kaum die Farbe mehr an ihnen erkennen kann, zu behangen. Unter
den jungen Mädchen bis 16, 18 Jahren sind oft große Schönheiten, anmuthig
schlanke Gestalten mit regelmäßigen Züge»; die älteren Weiber sind, wie im Sü¬
den, elend, oft von wirklich abschreckender Häßlichkeit. Die Fruchtbarkeit bei die¬
sen Zigeunern, die übrigens keine förmliche Ehe haben, obgleich sie sich äußerlich
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