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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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der Stabsoffiziere zuschrieb, als die Ermahnung des Predigers beim Feldgottes-
dienste auf die Geiileinen hatte. Mau erzählt von ihm allgemein eiuen eigen¬
thümlichen Zug, daß er nämlich einen französischen Spion, der erschossen werden
sollte, unmittelbar vor der Execution begnadigte, weil er sich im letzten Augenblicke
als Freimaurer entdeckte. Dieses alles beweist, wie stark noch damals das Band
war, welches alle Theilnehmer des Ordens aneinander knüpfte, und diese Theil-
nehmer waren -- was man nicht übersehen darf -- die eiuflnßre ichsten Männer
ihrer Zeit, mochte der Einfluß nur ans Intelligenz, amtlicher Stellung oder Ver¬
mögen beruhen.

Nach dem Freiheitskriege änderte sich der Stand der Sache. Die Jünglinge,
die den Fahnen gefolgt waren, trugen bereits eine andre Art von Begeisterung in ihrer
Brust, als die manrerische gewesen war. Das Deutschthum, dieses gewaltige poli¬
tische Ideal, vereinte sich mit der poetischen Wärme für das Mittelalter und christliche
Mystik. Die Schillersche Rhetorik machte der Uhlandschen Lyrik Platz, die Tur¬
nerei verbreitete sich, machte die Behörden stutzig und wurde durch Stonrdza der
russischen Regierung besonders verdächtig dargestellt; uach Kotzebue's Ermordung
kamen die Karlsbader Beschlüsse und mit ihnen das UeberwachnngSsystem. Aus
dein Kongreß zu Verona wurde dasselbe legitimirt, und der König von Preußen,
Friedrich Wilhelm UI,, insbesondere voll Kaiser AleWiider wegen der in seinen
Staaten noch geduldeten Freimaurer zur Rede gestellt. Zu allgemeinem Stannen
redete aber der König, der sich bisher, wie es schien, durchaus uicht für den Orden
interessirt hatte -- wenigstens öffentlich war dies nicht geschehn -- energisch
dem Orden das Wort, ja, er nannte vor den erstaunten Diplomaten die Frei¬
maurer seine besten Unterthanen. Erst spät wurde diese Aeußerung in andern
Kreisen bekannt und unterlag verschiedener Deutung, bis man sich zuflüsterte, daß
der König selbst in der schwerstell Prüfungszeit seines Lebens dem Orden persön¬
lich beigetreten sei. Kurz vor seinem Tode (18-40) that er noch einen Schritt,
der jenem Ausspruche in Verona eine thatsächliche Bestätigung zufügte, er
bestimmte nämlich, daß die große Verbrüderung in seinem Staate unter dem beson¬
dern Schutze eines königlichen Prinzen stehen solle, wozu er selbst noch seinen zweiten
Sohn ausdrücklich bestimmte. Seit dieser Zeit ist der Prinz von Preußen Pro¬
tektor des Freimaurerbundes in Preußen, während Metternich und Kaiser Nicolaus
diesen Bund aufs Strengste in ihren Reichen verpöntem. Sie hielten sich an die Be¬
hauptung, daß der italienische, politisch-gefährliche Karbonariclub ans der Freimaurerei
hervorgegangen sei, daß Louis Philipp von Orleans und Lafayette, während .Karl X.
und Villöle der Kirche zu besondrer Gewalt verhalfen, fleißig in Logenversamm-
lnngen bei einander gestanden hätten; sie zogen hieraus leicht begreifliche Conse-
quenzen, ohne sich die Mühe zu gebe", das Innere des Logenbundes, wie er in
den protestantischen Ländern beschaffen ist, genau kennen zu lernen, wobei sie


der Stabsoffiziere zuschrieb, als die Ermahnung des Predigers beim Feldgottes-
dienste auf die Geiileinen hatte. Mau erzählt von ihm allgemein eiuen eigen¬
thümlichen Zug, daß er nämlich einen französischen Spion, der erschossen werden
sollte, unmittelbar vor der Execution begnadigte, weil er sich im letzten Augenblicke
als Freimaurer entdeckte. Dieses alles beweist, wie stark noch damals das Band
war, welches alle Theilnehmer des Ordens aneinander knüpfte, und diese Theil-
nehmer waren — was man nicht übersehen darf — die eiuflnßre ichsten Männer
ihrer Zeit, mochte der Einfluß nur ans Intelligenz, amtlicher Stellung oder Ver¬
mögen beruhen.

Nach dem Freiheitskriege änderte sich der Stand der Sache. Die Jünglinge,
die den Fahnen gefolgt waren, trugen bereits eine andre Art von Begeisterung in ihrer
Brust, als die manrerische gewesen war. Das Deutschthum, dieses gewaltige poli¬
tische Ideal, vereinte sich mit der poetischen Wärme für das Mittelalter und christliche
Mystik. Die Schillersche Rhetorik machte der Uhlandschen Lyrik Platz, die Tur¬
nerei verbreitete sich, machte die Behörden stutzig und wurde durch Stonrdza der
russischen Regierung besonders verdächtig dargestellt; uach Kotzebue's Ermordung
kamen die Karlsbader Beschlüsse und mit ihnen das UeberwachnngSsystem. Aus
dein Kongreß zu Verona wurde dasselbe legitimirt, und der König von Preußen,
Friedrich Wilhelm UI,, insbesondere voll Kaiser AleWiider wegen der in seinen
Staaten noch geduldeten Freimaurer zur Rede gestellt. Zu allgemeinem Stannen
redete aber der König, der sich bisher, wie es schien, durchaus uicht für den Orden
interessirt hatte — wenigstens öffentlich war dies nicht geschehn — energisch
dem Orden das Wort, ja, er nannte vor den erstaunten Diplomaten die Frei¬
maurer seine besten Unterthanen. Erst spät wurde diese Aeußerung in andern
Kreisen bekannt und unterlag verschiedener Deutung, bis man sich zuflüsterte, daß
der König selbst in der schwerstell Prüfungszeit seines Lebens dem Orden persön¬
lich beigetreten sei. Kurz vor seinem Tode (18-40) that er noch einen Schritt,
der jenem Ausspruche in Verona eine thatsächliche Bestätigung zufügte, er
bestimmte nämlich, daß die große Verbrüderung in seinem Staate unter dem beson¬
dern Schutze eines königlichen Prinzen stehen solle, wozu er selbst noch seinen zweiten
Sohn ausdrücklich bestimmte. Seit dieser Zeit ist der Prinz von Preußen Pro¬
tektor des Freimaurerbundes in Preußen, während Metternich und Kaiser Nicolaus
diesen Bund aufs Strengste in ihren Reichen verpöntem. Sie hielten sich an die Be¬
hauptung, daß der italienische, politisch-gefährliche Karbonariclub ans der Freimaurerei
hervorgegangen sei, daß Louis Philipp von Orleans und Lafayette, während .Karl X.
und Villöle der Kirche zu besondrer Gewalt verhalfen, fleißig in Logenversamm-
lnngen bei einander gestanden hätten; sie zogen hieraus leicht begreifliche Conse-
quenzen, ohne sich die Mühe zu gebe», das Innere des Logenbundes, wie er in
den protestantischen Ländern beschaffen ist, genau kennen zu lernen, wobei sie


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[0255] der Stabsoffiziere zuschrieb, als die Ermahnung des Predigers beim Feldgottes- dienste auf die Geiileinen hatte. Mau erzählt von ihm allgemein eiuen eigen¬ thümlichen Zug, daß er nämlich einen französischen Spion, der erschossen werden sollte, unmittelbar vor der Execution begnadigte, weil er sich im letzten Augenblicke als Freimaurer entdeckte. Dieses alles beweist, wie stark noch damals das Band war, welches alle Theilnehmer des Ordens aneinander knüpfte, und diese Theil- nehmer waren — was man nicht übersehen darf — die eiuflnßre ichsten Männer ihrer Zeit, mochte der Einfluß nur ans Intelligenz, amtlicher Stellung oder Ver¬ mögen beruhen. Nach dem Freiheitskriege änderte sich der Stand der Sache. Die Jünglinge, die den Fahnen gefolgt waren, trugen bereits eine andre Art von Begeisterung in ihrer Brust, als die manrerische gewesen war. Das Deutschthum, dieses gewaltige poli¬ tische Ideal, vereinte sich mit der poetischen Wärme für das Mittelalter und christliche Mystik. Die Schillersche Rhetorik machte der Uhlandschen Lyrik Platz, die Tur¬ nerei verbreitete sich, machte die Behörden stutzig und wurde durch Stonrdza der russischen Regierung besonders verdächtig dargestellt; uach Kotzebue's Ermordung kamen die Karlsbader Beschlüsse und mit ihnen das UeberwachnngSsystem. Aus dein Kongreß zu Verona wurde dasselbe legitimirt, und der König von Preußen, Friedrich Wilhelm UI,, insbesondere voll Kaiser AleWiider wegen der in seinen Staaten noch geduldeten Freimaurer zur Rede gestellt. Zu allgemeinem Stannen redete aber der König, der sich bisher, wie es schien, durchaus uicht für den Orden interessirt hatte — wenigstens öffentlich war dies nicht geschehn — energisch dem Orden das Wort, ja, er nannte vor den erstaunten Diplomaten die Frei¬ maurer seine besten Unterthanen. Erst spät wurde diese Aeußerung in andern Kreisen bekannt und unterlag verschiedener Deutung, bis man sich zuflüsterte, daß der König selbst in der schwerstell Prüfungszeit seines Lebens dem Orden persön¬ lich beigetreten sei. Kurz vor seinem Tode (18-40) that er noch einen Schritt, der jenem Ausspruche in Verona eine thatsächliche Bestätigung zufügte, er bestimmte nämlich, daß die große Verbrüderung in seinem Staate unter dem beson¬ dern Schutze eines königlichen Prinzen stehen solle, wozu er selbst noch seinen zweiten Sohn ausdrücklich bestimmte. Seit dieser Zeit ist der Prinz von Preußen Pro¬ tektor des Freimaurerbundes in Preußen, während Metternich und Kaiser Nicolaus diesen Bund aufs Strengste in ihren Reichen verpöntem. Sie hielten sich an die Be¬ hauptung, daß der italienische, politisch-gefährliche Karbonariclub ans der Freimaurerei hervorgegangen sei, daß Louis Philipp von Orleans und Lafayette, während .Karl X. und Villöle der Kirche zu besondrer Gewalt verhalfen, fleißig in Logenversamm- lnngen bei einander gestanden hätten; sie zogen hieraus leicht begreifliche Conse- quenzen, ohne sich die Mühe zu gebe», das Innere des Logenbundes, wie er in den protestantischen Ländern beschaffen ist, genau kennen zu lernen, wobei sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/255>, abgerufen am 22.07.2024.