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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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sirendeil Systemmacherei bei. Wir cnnnern hier nur an bekannte deutsche Schrift¬
steller, z. B. Knigge, Feßler, die damit viel Zeit verloren. Das Schlimmste
aber war unstreitig die gegenseitige Bevorzugung der Betheiligten im praktischen
Leben, und bei irdischen Vortheilen, denn hierdurch sank die ideale Verbrüderung
sehr bald zum Mittel des Fortkommens herab. Dies entfremdete ihr schnell viele
edle Kräfte, die sich mit dem Troste begnügten: "die Idee ist erhaben, die Aus-
führung aber gebrechlich, wie alle irdischen Dinge."

Inzwischen entging der katholischen Kirche die Macht des Freimaurerbundes
in Gewisseussachcn nicht. Der wachsame Orden der Jesuiten warnte Rom vor
ihm. Dies benutzte die Warnung zu heftigen Mahnungen gegen den Orden,
und derselbe gewann deshalb in katholischen Ländern wenig Terrain. Der von
dem verrückten Professor Weishaupt aus Ingolstadt schon 1776 ganz selbstständig
begründete Illuminatenorden, der nur zu eiuer Zeit, wo Goldmacherei, Geister¬
beschwörung und Magnetismus Glück machten, für Etwas gehalten werden konnte,
hatte sich zwar den Freimaurern, um sich zu schützen, in die Arme geworfen, ward
aber 1784 doch aufgehoben. Kaiser Joseph, der nicht erwarten konnte, das "Licht"
in seinen Staaten einzuführen, und der die Maurerei für ein edles und zweckmäßiges
Mittel hielt, ward so zu eiuer Stellung gegen Rom gedrängt, die kein deutscher
Kaiser vor ihm eingenommen hatte, und schuf sich ein unüberwindliches Heer von
Feinden, die seinen Edelmuth, seine Liebe zur Menschheit verdächtigten, weil seine
unpraktischen, schwankenden Maßregeln so leichten Vorwand boten, und um so
gefährlicher waren, als sie offen herauszutreten nicht wagten. Er starb, ohne
etwas vou seinen Plänen in reifer Wirklichkeit vor sich zu sehen, sein geliebter
Orden wurde nnn mit Gewalt in Oestreich unterdrückt, die Furcht vor dem
Bannfluch schreckte auch im übrigen Deutschland viele katholische Prälaten, die ihn
seither insgeheim begünstigt hatten, davon zurück. Die preußischen Gesehgeber aber
traten als seine Beschützer auf, denn das "allgemeine preußische Landrecht" nannte ihn
öffentlich als die einzige erlaubte geheime Gesellschaft im Staate, ohne daß ihn
dies, wie wir bald sehen werden, vor nachträglichen Beschränkungen schützen
konnte.

In Deutschland wenigstens richtete die Freimaurerei auf Politik ihr
Augenmerk ganz und gar nicht. Es genügte ihr, religiösen Fanatismus zu be¬
kämpfen, gegen den weltlichen Despotismus der 350 reichsunmittelbaren Staats¬
gewalten wirkte sie nirgend unmittelbar, obgleich sie mittelbar den Sinn für
philosophische Bearbeitung der Staatseinrichtungen genährt haben mag. Anders
freilich hat sich dies in Frankreich verhalten, weil die praktischen Franzosen der
Schwärmerei für sittliche Veredlung allein ihre Zeit und Mühe nicht lange opfern
wollten. Als die erste französische Revolution ausbrach, als ihre berauschenden
Lehren allerwärts in Deutschland als Zeichen eiuer neubegiunenden glücklichen
Zeit verbreitet und vertheidigt wurden, drangen sie auch in die Freimaurerlogen


sirendeil Systemmacherei bei. Wir cnnnern hier nur an bekannte deutsche Schrift¬
steller, z. B. Knigge, Feßler, die damit viel Zeit verloren. Das Schlimmste
aber war unstreitig die gegenseitige Bevorzugung der Betheiligten im praktischen
Leben, und bei irdischen Vortheilen, denn hierdurch sank die ideale Verbrüderung
sehr bald zum Mittel des Fortkommens herab. Dies entfremdete ihr schnell viele
edle Kräfte, die sich mit dem Troste begnügten: „die Idee ist erhaben, die Aus-
führung aber gebrechlich, wie alle irdischen Dinge."

Inzwischen entging der katholischen Kirche die Macht des Freimaurerbundes
in Gewisseussachcn nicht. Der wachsame Orden der Jesuiten warnte Rom vor
ihm. Dies benutzte die Warnung zu heftigen Mahnungen gegen den Orden,
und derselbe gewann deshalb in katholischen Ländern wenig Terrain. Der von
dem verrückten Professor Weishaupt aus Ingolstadt schon 1776 ganz selbstständig
begründete Illuminatenorden, der nur zu eiuer Zeit, wo Goldmacherei, Geister¬
beschwörung und Magnetismus Glück machten, für Etwas gehalten werden konnte,
hatte sich zwar den Freimaurern, um sich zu schützen, in die Arme geworfen, ward
aber 1784 doch aufgehoben. Kaiser Joseph, der nicht erwarten konnte, das „Licht"
in seinen Staaten einzuführen, und der die Maurerei für ein edles und zweckmäßiges
Mittel hielt, ward so zu eiuer Stellung gegen Rom gedrängt, die kein deutscher
Kaiser vor ihm eingenommen hatte, und schuf sich ein unüberwindliches Heer von
Feinden, die seinen Edelmuth, seine Liebe zur Menschheit verdächtigten, weil seine
unpraktischen, schwankenden Maßregeln so leichten Vorwand boten, und um so
gefährlicher waren, als sie offen herauszutreten nicht wagten. Er starb, ohne
etwas vou seinen Plänen in reifer Wirklichkeit vor sich zu sehen, sein geliebter
Orden wurde nnn mit Gewalt in Oestreich unterdrückt, die Furcht vor dem
Bannfluch schreckte auch im übrigen Deutschland viele katholische Prälaten, die ihn
seither insgeheim begünstigt hatten, davon zurück. Die preußischen Gesehgeber aber
traten als seine Beschützer auf, denn das „allgemeine preußische Landrecht" nannte ihn
öffentlich als die einzige erlaubte geheime Gesellschaft im Staate, ohne daß ihn
dies, wie wir bald sehen werden, vor nachträglichen Beschränkungen schützen
konnte.

In Deutschland wenigstens richtete die Freimaurerei auf Politik ihr
Augenmerk ganz und gar nicht. Es genügte ihr, religiösen Fanatismus zu be¬
kämpfen, gegen den weltlichen Despotismus der 350 reichsunmittelbaren Staats¬
gewalten wirkte sie nirgend unmittelbar, obgleich sie mittelbar den Sinn für
philosophische Bearbeitung der Staatseinrichtungen genährt haben mag. Anders
freilich hat sich dies in Frankreich verhalten, weil die praktischen Franzosen der
Schwärmerei für sittliche Veredlung allein ihre Zeit und Mühe nicht lange opfern
wollten. Als die erste französische Revolution ausbrach, als ihre berauschenden
Lehren allerwärts in Deutschland als Zeichen eiuer neubegiunenden glücklichen
Zeit verbreitet und vertheidigt wurden, drangen sie auch in die Freimaurerlogen


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[0252] sirendeil Systemmacherei bei. Wir cnnnern hier nur an bekannte deutsche Schrift¬ steller, z. B. Knigge, Feßler, die damit viel Zeit verloren. Das Schlimmste aber war unstreitig die gegenseitige Bevorzugung der Betheiligten im praktischen Leben, und bei irdischen Vortheilen, denn hierdurch sank die ideale Verbrüderung sehr bald zum Mittel des Fortkommens herab. Dies entfremdete ihr schnell viele edle Kräfte, die sich mit dem Troste begnügten: „die Idee ist erhaben, die Aus- führung aber gebrechlich, wie alle irdischen Dinge." Inzwischen entging der katholischen Kirche die Macht des Freimaurerbundes in Gewisseussachcn nicht. Der wachsame Orden der Jesuiten warnte Rom vor ihm. Dies benutzte die Warnung zu heftigen Mahnungen gegen den Orden, und derselbe gewann deshalb in katholischen Ländern wenig Terrain. Der von dem verrückten Professor Weishaupt aus Ingolstadt schon 1776 ganz selbstständig begründete Illuminatenorden, der nur zu eiuer Zeit, wo Goldmacherei, Geister¬ beschwörung und Magnetismus Glück machten, für Etwas gehalten werden konnte, hatte sich zwar den Freimaurern, um sich zu schützen, in die Arme geworfen, ward aber 1784 doch aufgehoben. Kaiser Joseph, der nicht erwarten konnte, das „Licht" in seinen Staaten einzuführen, und der die Maurerei für ein edles und zweckmäßiges Mittel hielt, ward so zu eiuer Stellung gegen Rom gedrängt, die kein deutscher Kaiser vor ihm eingenommen hatte, und schuf sich ein unüberwindliches Heer von Feinden, die seinen Edelmuth, seine Liebe zur Menschheit verdächtigten, weil seine unpraktischen, schwankenden Maßregeln so leichten Vorwand boten, und um so gefährlicher waren, als sie offen herauszutreten nicht wagten. Er starb, ohne etwas vou seinen Plänen in reifer Wirklichkeit vor sich zu sehen, sein geliebter Orden wurde nnn mit Gewalt in Oestreich unterdrückt, die Furcht vor dem Bannfluch schreckte auch im übrigen Deutschland viele katholische Prälaten, die ihn seither insgeheim begünstigt hatten, davon zurück. Die preußischen Gesehgeber aber traten als seine Beschützer auf, denn das „allgemeine preußische Landrecht" nannte ihn öffentlich als die einzige erlaubte geheime Gesellschaft im Staate, ohne daß ihn dies, wie wir bald sehen werden, vor nachträglichen Beschränkungen schützen konnte. In Deutschland wenigstens richtete die Freimaurerei auf Politik ihr Augenmerk ganz und gar nicht. Es genügte ihr, religiösen Fanatismus zu be¬ kämpfen, gegen den weltlichen Despotismus der 350 reichsunmittelbaren Staats¬ gewalten wirkte sie nirgend unmittelbar, obgleich sie mittelbar den Sinn für philosophische Bearbeitung der Staatseinrichtungen genährt haben mag. Anders freilich hat sich dies in Frankreich verhalten, weil die praktischen Franzosen der Schwärmerei für sittliche Veredlung allein ihre Zeit und Mühe nicht lange opfern wollten. Als die erste französische Revolution ausbrach, als ihre berauschenden Lehren allerwärts in Deutschland als Zeichen eiuer neubegiunenden glücklichen Zeit verbreitet und vertheidigt wurden, drangen sie auch in die Freimaurerlogen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/252>, abgerufen am 22.07.2024.