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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Bräutigam, für dessen Leben sie seit einigen Tagen zitterte. Denn immer beun¬
ruhigender wurden die Nachrichten, welche aus dem ganzen Lande, besonders aber
ans der Umgegend von Enyed einliefe".

Ein Theil der Stadt Earlsbnrg war von den Walachei,, die um der Be¬
satzung der Festung Unterstützung erhielten, angezündet nud verbrannt worden,
wobei viele Einwohner, die im Vertraue" auf die Redlichkeit der Wälache", laut
Vertrag ihre Waffen abgeliefert hatten, umkamen. Zu gleicher Zeit waren in
Jgeu, Sart, Borband, Bocsard ähnliche Mordszenen vorgefallen; viele ungarische
Edelleute, WirthfchaftSbeamte .w. mit ihre" Familien hatten uuter deu Streiche"
der in Ueberzahl angreifenden Walachen ihr Lebell eingebüßt. Hiebei legten die
Bauern eine Grausamkeit an den Tag, die an die Blüthe der Juqnisitionszeit,
an ähnliche Szenen im deutschen Bauernkriege nud an die Gläuel in Galizien
im I. 1846 erinnert. So sägten sie z. B. in Borband einem gewissen Ba-
rauyai beide Arme ab, gaben einen derselben der Frau, den andern der Tochter
in die Hand, nud nachdem sie dem Unglücklichen zuletzt deu Kopf abgesägt, gaben sie
denselben der Gattin in der andern Hand zu tragen. So schleppten diese Un¬
menschen die Frauen in Nacht nud bösem Wetter uach Balasfalva, wo sie bereits
Hunderte von Unglücksgefährten vorfanden.

Solcher entsetzlicher Geschichten gab es damals mir zu viele in der Gegeud.
Alle Edelleute, ja sogar die ungarischen Bauern flüchteten in die Städte, ihre
Habe preisgebend, um das nackte, arme Leben zu retten. In Enyed wimmelte
es von solchen Flüchtlingen, ebenso in Klansenburg, Thorda, Vasarhelyi ?c. Die
Bestürzung und Angst uuter dein Adel und den Ungarn jener Gegend, welcher in
unendlicher Minderzahl waren, wuchs vou Tage zu Tage. Heute erzählte mau,
wie der Wirthschafter des Bischofs SzatatS in B. Boesard mit dem Euyeder
Professor Peterfi von den vor Nachsucht wahnsinnigen Walachen in einen Pflug
gespannt, und so lauge vor ihm Hergetrieben worden mit Peitschenhieben, bis sie
ihren Geist aufgaben. Morgens hörte man vou dem grausigen Morde mehrer
Hundert ungarischer Edelleute und Bauern auf eiuer Wiese bei Krake'6, wo die
Walachen ihr Werk bei Fackellicht fortsetzten, weil sie der Menge der Gefangenen
wegen am lichten Tage nicht fertig werden konnten! Hunderte von Mädchen und
Frauen wurden entehrt, oft bis zu Tode, worauf ihre Leichname in Stücke zer¬
schnitten, und deu Hunden nud Vogel" zum Fraße vorgeworfen wurden.

Möge der Leser das hier Erzählte nicht für übertrieben halten! Der Un¬
gläubige reise nach Siebenbürgen, besuche die Städte und Dörfer der Ungarn,
ja auch der Sachsen und höre ihre Zeugnisse!

Wie wenig unversehrte Edelhofe, und wie verringert wird er die Zahl der
ungarischen Edelleute, ja sogar der Bauern in jenen Gegenden finde", wo der
Walache i" ungeheurer Uebermacht wohnt! Sah man doch selbst einen Monat später
in einer friedlicheren Gegend unzählige Brandstätten, in denen noch die halbver-


Bräutigam, für dessen Leben sie seit einigen Tagen zitterte. Denn immer beun¬
ruhigender wurden die Nachrichten, welche aus dem ganzen Lande, besonders aber
ans der Umgegend von Enyed einliefe».

Ein Theil der Stadt Earlsbnrg war von den Walachei,, die um der Be¬
satzung der Festung Unterstützung erhielten, angezündet nud verbrannt worden,
wobei viele Einwohner, die im Vertraue» auf die Redlichkeit der Wälache», laut
Vertrag ihre Waffen abgeliefert hatten, umkamen. Zu gleicher Zeit waren in
Jgeu, Sart, Borband, Bocsard ähnliche Mordszenen vorgefallen; viele ungarische
Edelleute, WirthfchaftSbeamte .w. mit ihre» Familien hatten uuter deu Streiche»
der in Ueberzahl angreifenden Walachen ihr Lebell eingebüßt. Hiebei legten die
Bauern eine Grausamkeit an den Tag, die an die Blüthe der Juqnisitionszeit,
an ähnliche Szenen im deutschen Bauernkriege nud an die Gläuel in Galizien
im I. 1846 erinnert. So sägten sie z. B. in Borband einem gewissen Ba-
rauyai beide Arme ab, gaben einen derselben der Frau, den andern der Tochter
in die Hand, nud nachdem sie dem Unglücklichen zuletzt deu Kopf abgesägt, gaben sie
denselben der Gattin in der andern Hand zu tragen. So schleppten diese Un¬
menschen die Frauen in Nacht nud bösem Wetter uach Balasfalva, wo sie bereits
Hunderte von Unglücksgefährten vorfanden.

Solcher entsetzlicher Geschichten gab es damals mir zu viele in der Gegeud.
Alle Edelleute, ja sogar die ungarischen Bauern flüchteten in die Städte, ihre
Habe preisgebend, um das nackte, arme Leben zu retten. In Enyed wimmelte
es von solchen Flüchtlingen, ebenso in Klansenburg, Thorda, Vasarhelyi ?c. Die
Bestürzung und Angst uuter dein Adel und den Ungarn jener Gegend, welcher in
unendlicher Minderzahl waren, wuchs vou Tage zu Tage. Heute erzählte mau,
wie der Wirthschafter des Bischofs SzatatS in B. Boesard mit dem Euyeder
Professor Peterfi von den vor Nachsucht wahnsinnigen Walachen in einen Pflug
gespannt, und so lauge vor ihm Hergetrieben worden mit Peitschenhieben, bis sie
ihren Geist aufgaben. Morgens hörte man vou dem grausigen Morde mehrer
Hundert ungarischer Edelleute und Bauern auf eiuer Wiese bei Krake'6, wo die
Walachen ihr Werk bei Fackellicht fortsetzten, weil sie der Menge der Gefangenen
wegen am lichten Tage nicht fertig werden konnten! Hunderte von Mädchen und
Frauen wurden entehrt, oft bis zu Tode, worauf ihre Leichname in Stücke zer¬
schnitten, und deu Hunden nud Vogel» zum Fraße vorgeworfen wurden.

Möge der Leser das hier Erzählte nicht für übertrieben halten! Der Un¬
gläubige reise nach Siebenbürgen, besuche die Städte und Dörfer der Ungarn,
ja auch der Sachsen und höre ihre Zeugnisse!

Wie wenig unversehrte Edelhofe, und wie verringert wird er die Zahl der
ungarischen Edelleute, ja sogar der Bauern in jenen Gegenden finde», wo der
Walache i» ungeheurer Uebermacht wohnt! Sah man doch selbst einen Monat später
in einer friedlicheren Gegend unzählige Brandstätten, in denen noch die halbver-


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[0228] Bräutigam, für dessen Leben sie seit einigen Tagen zitterte. Denn immer beun¬ ruhigender wurden die Nachrichten, welche aus dem ganzen Lande, besonders aber ans der Umgegend von Enyed einliefe». Ein Theil der Stadt Earlsbnrg war von den Walachei,, die um der Be¬ satzung der Festung Unterstützung erhielten, angezündet nud verbrannt worden, wobei viele Einwohner, die im Vertraue» auf die Redlichkeit der Wälache», laut Vertrag ihre Waffen abgeliefert hatten, umkamen. Zu gleicher Zeit waren in Jgeu, Sart, Borband, Bocsard ähnliche Mordszenen vorgefallen; viele ungarische Edelleute, WirthfchaftSbeamte .w. mit ihre» Familien hatten uuter deu Streiche» der in Ueberzahl angreifenden Walachen ihr Lebell eingebüßt. Hiebei legten die Bauern eine Grausamkeit an den Tag, die an die Blüthe der Juqnisitionszeit, an ähnliche Szenen im deutschen Bauernkriege nud an die Gläuel in Galizien im I. 1846 erinnert. So sägten sie z. B. in Borband einem gewissen Ba- rauyai beide Arme ab, gaben einen derselben der Frau, den andern der Tochter in die Hand, nud nachdem sie dem Unglücklichen zuletzt deu Kopf abgesägt, gaben sie denselben der Gattin in der andern Hand zu tragen. So schleppten diese Un¬ menschen die Frauen in Nacht nud bösem Wetter uach Balasfalva, wo sie bereits Hunderte von Unglücksgefährten vorfanden. Solcher entsetzlicher Geschichten gab es damals mir zu viele in der Gegeud. Alle Edelleute, ja sogar die ungarischen Bauern flüchteten in die Städte, ihre Habe preisgebend, um das nackte, arme Leben zu retten. In Enyed wimmelte es von solchen Flüchtlingen, ebenso in Klansenburg, Thorda, Vasarhelyi ?c. Die Bestürzung und Angst uuter dein Adel und den Ungarn jener Gegend, welcher in unendlicher Minderzahl waren, wuchs vou Tage zu Tage. Heute erzählte mau, wie der Wirthschafter des Bischofs SzatatS in B. Boesard mit dem Euyeder Professor Peterfi von den vor Nachsucht wahnsinnigen Walachen in einen Pflug gespannt, und so lauge vor ihm Hergetrieben worden mit Peitschenhieben, bis sie ihren Geist aufgaben. Morgens hörte man vou dem grausigen Morde mehrer Hundert ungarischer Edelleute und Bauern auf eiuer Wiese bei Krake'6, wo die Walachen ihr Werk bei Fackellicht fortsetzten, weil sie der Menge der Gefangenen wegen am lichten Tage nicht fertig werden konnten! Hunderte von Mädchen und Frauen wurden entehrt, oft bis zu Tode, worauf ihre Leichname in Stücke zer¬ schnitten, und deu Hunden nud Vogel» zum Fraße vorgeworfen wurden. Möge der Leser das hier Erzählte nicht für übertrieben halten! Der Un¬ gläubige reise nach Siebenbürgen, besuche die Städte und Dörfer der Ungarn, ja auch der Sachsen und höre ihre Zeugnisse! Wie wenig unversehrte Edelhofe, und wie verringert wird er die Zahl der ungarischen Edelleute, ja sogar der Bauern in jenen Gegenden finde», wo der Walache i» ungeheurer Uebermacht wohnt! Sah man doch selbst einen Monat später in einer friedlicheren Gegend unzählige Brandstätten, in denen noch die halbver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/228>, abgerufen am 22.07.2024.