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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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sitiou einen viel handgreiflicheren Grund hat -- aus allen Kräften gegen den
Buiidesstaat; sie weiß, daß die Herstellung eines nationalen, centralisirten consti-
tutionellen Bundesstaats der Todesstoß für ihr Princip sein muß.

Ich komme hier auf den letzten Gegensaiz zwischen der Partei der Reaction
und der unsrigen. Herr v. Gerlach hat ihn selber schon ganz richtig angedeutet.
Bei der reactionären, wie bei der demokratischen Partei geht die Partei und ihr
Princip über die Nation hinaus; beide sind -kosmopolitisch; bei unserer Partei
fällt das Vaterland mit dem Princip zusammen.

Der reine Demokrat, der Socialist, wie er uur in Deutschland vorkommt,
kennt kein anderes Vaterland, als seine Partei. Der socialistische Franzose steht
ihm näher, als der conservative Deutsche. Rüge hat das seiner Zeit ganz richtig
ausgesprochen. Der echte Demokrat feiert die Schlacht bei Jena.

Der reine Legitimist, wie er ebenfalls nnr in Deutschland vorkommt, kennt
ebenso wenig ein Vaterland. Kr weiß von keinem Staat, von keinem Volke et¬
was, er weiß nnr von Fürsten, Adel und Kirche. Im Mittelalter waren die
Edelleute Kosmopoliten; sie rauften sich zwar nnter einander, weil es ihnen Ver¬
gnügen machte, oder weil es ihre Fürsten befahlen; aber sie ließen nnr das ge¬
fangene Volk hängen, die gefangenen Edelleute wurden mit Nchtnng behandelt,
bis das Lösegeld kam.

Der preußische Legitimist würde sich stellen über eine Demüthigung des gegen¬
wärtigen Preußens durch Oestreich, Baiern, oder allenfalls auch Rußland, weil
er darin einen Sieg seines Princips sähe. Das Einzige, was ihn stört, ist seine
historische Stellung in der protestantischen Kirche; er hat zu viel Pietät vor den
Traditionen seiner Familie, um sie aufzugeben, aber er sucht sie so viel als
möglich in den Hintergrund zu drängen, weil er in sie nicht aufgeht. Er wird
mit den katholischen Bischöfen, die gegen die Verfassung protestiren, gemeinsame
Sache machen gegen seinen Staat und seine Religion.

Für uus ist unser Princip, das Recht und die Freiheit, nicht zu trennen
von ihrem Boden: der Nation, dem Staat. Wir sind national, nicht ans Ge¬
müthsbewegungen, sondern weil Freiheit und Recht nnr in einem Staate, der
dem Geist der Nation den bestimmten Ausdruck gibt, der souverain ist und der
seine Souverainetät zu verfechten im Stande ist, zur Geltung kommen kann.

Darum sind wir Deutsche "liniirt-niLme, Preußen "Mina-meme; denn wir
wissen, daß die Geschichte und die aus ihr resultirende Bildung mächtiger ist als
die vorübergehende Lanne der Gewalthaber; mächtiger als die Leidenschaft einer
gereizten Doctrin; mächtiger als die träge Furcht vor dem Schreckgespenst des
.l, L. Socialismus, mit dem man nur Kiuder zu Bette jagen kann.




sitiou einen viel handgreiflicheren Grund hat — aus allen Kräften gegen den
Buiidesstaat; sie weiß, daß die Herstellung eines nationalen, centralisirten consti-
tutionellen Bundesstaats der Todesstoß für ihr Princip sein muß.

Ich komme hier auf den letzten Gegensaiz zwischen der Partei der Reaction
und der unsrigen. Herr v. Gerlach hat ihn selber schon ganz richtig angedeutet.
Bei der reactionären, wie bei der demokratischen Partei geht die Partei und ihr
Princip über die Nation hinaus; beide sind -kosmopolitisch; bei unserer Partei
fällt das Vaterland mit dem Princip zusammen.

Der reine Demokrat, der Socialist, wie er uur in Deutschland vorkommt,
kennt kein anderes Vaterland, als seine Partei. Der socialistische Franzose steht
ihm näher, als der conservative Deutsche. Rüge hat das seiner Zeit ganz richtig
ausgesprochen. Der echte Demokrat feiert die Schlacht bei Jena.

Der reine Legitimist, wie er ebenfalls nnr in Deutschland vorkommt, kennt
ebenso wenig ein Vaterland. Kr weiß von keinem Staat, von keinem Volke et¬
was, er weiß nnr von Fürsten, Adel und Kirche. Im Mittelalter waren die
Edelleute Kosmopoliten; sie rauften sich zwar nnter einander, weil es ihnen Ver¬
gnügen machte, oder weil es ihre Fürsten befahlen; aber sie ließen nnr das ge¬
fangene Volk hängen, die gefangenen Edelleute wurden mit Nchtnng behandelt,
bis das Lösegeld kam.

Der preußische Legitimist würde sich stellen über eine Demüthigung des gegen¬
wärtigen Preußens durch Oestreich, Baiern, oder allenfalls auch Rußland, weil
er darin einen Sieg seines Princips sähe. Das Einzige, was ihn stört, ist seine
historische Stellung in der protestantischen Kirche; er hat zu viel Pietät vor den
Traditionen seiner Familie, um sie aufzugeben, aber er sucht sie so viel als
möglich in den Hintergrund zu drängen, weil er in sie nicht aufgeht. Er wird
mit den katholischen Bischöfen, die gegen die Verfassung protestiren, gemeinsame
Sache machen gegen seinen Staat und seine Religion.

Für uus ist unser Princip, das Recht und die Freiheit, nicht zu trennen
von ihrem Boden: der Nation, dem Staat. Wir sind national, nicht ans Ge¬
müthsbewegungen, sondern weil Freiheit und Recht nnr in einem Staate, der
dem Geist der Nation den bestimmten Ausdruck gibt, der souverain ist und der
seine Souverainetät zu verfechten im Stande ist, zur Geltung kommen kann.

Darum sind wir Deutsche «liniirt-niLme, Preußen «Mina-meme; denn wir
wissen, daß die Geschichte und die aus ihr resultirende Bildung mächtiger ist als
die vorübergehende Lanne der Gewalthaber; mächtiger als die Leidenschaft einer
gereizten Doctrin; mächtiger als die träge Furcht vor dem Schreckgespenst des
.l, L. Socialismus, mit dem man nur Kiuder zu Bette jagen kann.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/222>, abgerufen am 02.10.2024.