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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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aussahen wie zeugübcrhangene Röcke, während diejenigen, welche sich einer besse¬
ren Leibesbeschaffenheit erfreuten, den stärker ausgeprägten Theilen ihres Körpers
durch die Kleidung noch ein künstliches Relief gegeben hatten, und umflattert von
buntfarbigen Bändern, cinherschwankten durch das Menschcugewoge wie bunt-
bewimpelte Schiffe mit vollen Segeln,

Nicht minder komisch, wenn anch weniger in die Augen springend als die
Frauen, waren die Engländer vom Lande mit ihren kurzen Hosen und langen
Füßen, ihren seltsam zugeschnittenen Fracks und hochaufsteheudeu, ohrcneinschnei-
denden Vatermördern. Am nüchternsten nahmen sich die schwarzgekleideten Yankees
und am Behäbigste" die größteutheils wohlbeleibten Quäker aus, wovon die meisten
helle Hosen und bis an die Knie reichende Gamaschen von gleicher Farbe, sowie
grauseideue, breitträmpige Hüte trugen, und durch dieses eigenthümliche Ballcostüm
die Aufmerksamkeit der eleganten Franzosen in nicht geringem Grade erregten.

Während die abenteuerlich gekleideten Amerikaner und Engländer sammt Frauen
und Töchtern in buntem Gedränge hin- und herwogteu in deu prachtvoll erleuch¬
teten Salons, saßen zu beiden Seiten an die Wände gedrängt die Herren und
Damen aus der französischen Inn>" v"!6c in gewöhnlichem Ballanzuge, und mancher
kluge Blick, und manches spöttelnde Wort flog von Auge zu Auge, vou Mund
zu Ohr.

Frau v. Tocqueville, eine eben so feine wie geistreiche Dame/ spielte die Wir¬
thin auf die liebenswürdigste Weise, wozu bei deu an sie gemachten Anforderungen
wirklich eine seltene Geduld gehörte. Die Yankees behandelte" sie wie eine halbe
Landsmännin und wollten ihr Alles erzählen, was seit ihrer Abreise Neues in
Amerika vorgefallen war; bekanntlich war Hr. v. Tocqueville längere Zeit fran-
zösischer Gesandter in den Bereinigten Staaten und wußte sich in hohem Grade
die Zuneigung und Achtung der ""<-<! xmcl onIiMvnsä eMsen" <"i" tlx: meo vorlü"
zu erwerben."

Die Engländerinnen waren entzückt, mit Frau v. Tocqueville englisch sprechen
zu können, und die arme Dame hatte wirklich einen schweren Stand, die Hun¬
derte, welche sich zu ihr drängten, anzuhören, ihnen zu antworten und Jedem
etwas Freundliches zu sagen.

Nachdem ich mir das bunte Treiben in deu Salons etwas angesehen, ging
ich mit einigen befreundeten Herren in den unmittelbar an das Palais stoßenden
Garten, der in seiner feenhaften Beleuchtung einen gar lieblichen Anblick gewährte.
Die duftigen Gänge waren von einer Menge Leute belebt, unter welchen sich viele
Notabilitäten des Tages bemerklich machte".

Hier ging Bastiat mit Richard Cobden, in lebhaftem Gespräch begriffe", ans
nud nieder; dort unterhielt sich der berühmte amerikanische Agitator Elihu Burritt
mit FranciSqne Bvuvais über den von Girardin angeregten Plan, dahin zu wir¬
ken, daß der Zwangsdienst beim Militär aufgehoben und Niemand Soldat werde,


aussahen wie zeugübcrhangene Röcke, während diejenigen, welche sich einer besse¬
ren Leibesbeschaffenheit erfreuten, den stärker ausgeprägten Theilen ihres Körpers
durch die Kleidung noch ein künstliches Relief gegeben hatten, und umflattert von
buntfarbigen Bändern, cinherschwankten durch das Menschcugewoge wie bunt-
bewimpelte Schiffe mit vollen Segeln,

Nicht minder komisch, wenn anch weniger in die Augen springend als die
Frauen, waren die Engländer vom Lande mit ihren kurzen Hosen und langen
Füßen, ihren seltsam zugeschnittenen Fracks und hochaufsteheudeu, ohrcneinschnei-
denden Vatermördern. Am nüchternsten nahmen sich die schwarzgekleideten Yankees
und am Behäbigste» die größteutheils wohlbeleibten Quäker aus, wovon die meisten
helle Hosen und bis an die Knie reichende Gamaschen von gleicher Farbe, sowie
grauseideue, breitträmpige Hüte trugen, und durch dieses eigenthümliche Ballcostüm
die Aufmerksamkeit der eleganten Franzosen in nicht geringem Grade erregten.

Während die abenteuerlich gekleideten Amerikaner und Engländer sammt Frauen
und Töchtern in buntem Gedränge hin- und herwogteu in deu prachtvoll erleuch¬
teten Salons, saßen zu beiden Seiten an die Wände gedrängt die Herren und
Damen aus der französischen Inn>» v«!6c in gewöhnlichem Ballanzuge, und mancher
kluge Blick, und manches spöttelnde Wort flog von Auge zu Auge, vou Mund
zu Ohr.

Frau v. Tocqueville, eine eben so feine wie geistreiche Dame/ spielte die Wir¬
thin auf die liebenswürdigste Weise, wozu bei deu an sie gemachten Anforderungen
wirklich eine seltene Geduld gehörte. Die Yankees behandelte» sie wie eine halbe
Landsmännin und wollten ihr Alles erzählen, was seit ihrer Abreise Neues in
Amerika vorgefallen war; bekanntlich war Hr. v. Tocqueville längere Zeit fran-
zösischer Gesandter in den Bereinigten Staaten und wußte sich in hohem Grade
die Zuneigung und Achtung der „»<-<! xmcl onIiMvnsä eMsen» <»i" tlx: meo vorlü"
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Die Engländerinnen waren entzückt, mit Frau v. Tocqueville englisch sprechen
zu können, und die arme Dame hatte wirklich einen schweren Stand, die Hun¬
derte, welche sich zu ihr drängten, anzuhören, ihnen zu antworten und Jedem
etwas Freundliches zu sagen.

Nachdem ich mir das bunte Treiben in deu Salons etwas angesehen, ging
ich mit einigen befreundeten Herren in den unmittelbar an das Palais stoßenden
Garten, der in seiner feenhaften Beleuchtung einen gar lieblichen Anblick gewährte.
Die duftigen Gänge waren von einer Menge Leute belebt, unter welchen sich viele
Notabilitäten des Tages bemerklich machte».

Hier ging Bastiat mit Richard Cobden, in lebhaftem Gespräch begriffe», ans
nud nieder; dort unterhielt sich der berühmte amerikanische Agitator Elihu Burritt
mit FranciSqne Bvuvais über den von Girardin angeregten Plan, dahin zu wir¬
ken, daß der Zwangsdienst beim Militär aufgehoben und Niemand Soldat werde,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/188>, abgerufen am 22.07.2024.