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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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erstenmal um eine nationale Sache handelte, von vornherein eine von den meisten
Parteigenossen sehr verschiedene Stellung ein. Die Uebrige", an ihrer Spitze
die Rheinländer, suchten sich zur Krone in ein bestimmtes Verhältniß zu setzen,
sie theils zu überzeugen, theils zu überlisten. Sie sollte erkennen, daß es für
sie ebenso zweckmäßig und nützlich sei, als für das Volt, wenn sie die Rechte der
Stände und ihre Stellung überhaupt nach den Anforderungen des Liberalismus
modificirte. Ein Plan, der, was anch sonst sein Resultat sein mochte, zu unaus¬
gesetzten Demüthigungen der liberalen Partei führen mußte, da voraus zu
sehen war, daß die Krone, die mit einem bestimmten System dein Landtag gegen¬
über getreten war, sich durch Gründe nicht würde überzeugen lassen, und da
wenigstens vorläufig die Stände ihrer Macht keine andere Gewalt entgegen zu setzen
hatten. Wer bittet, setzt sich einer abschlägigenAntwort aus. Der Ausweg, den Einige
gesunden haben wollte", sür diesen Mi sich schmollend ans dem ständischen Wesen
überhaupt zurückzuziehen, war mehr sentimental als politisch, und wurde sehr bald
aufgegeben.

Vincke schlug einen andern Weg el". Er stimmte gegen die Adresse, weil
man sür el" nur halb erfülltes Verspreche" "icht danke" könne, und principiell
anch gegen die Petition um vollständige Erfüllung desselben, weil es unschicklich
sei, dem König lästig zu falle", wo man nicht die Macht habe, den Bitten einen
objectiven Nachdruck zu geben. Statt desse" sollte der Laiidtag die Rechte, die
ihm zukämen, in einer Deklaration wahren, und bis zu dem Zeitpunkt, wo sie
von Seiten der Regierung anerkannt sein würde", jede Mitwirkung an den Unter¬
nehmungen derselben versagen.

Ein Plan, der zwar den Vorzug der Einfachheit und Popularität hatte,
aber darin fehlerhaft war, daß er Momente in Rechnung brachte, die um" nicht
übersehe" könne. Die Regierung, die gegen Adressen und Petitionen nichts ein¬
zuwenden hatte, weil sie 'gegen solche von Oben herab auftreten konnte,
protestirte gegen einen selbstständigen Beschluß vou Seiten einer ständischen Ver¬
sammlung, deren Vollmacht eine blos berathende war. So wurde jene Dekla¬
ration der Rechte aus eine Partei-Erklärung zurückgeführt. Es war das immer
ein Gewinn, wenn "lau auch freilich nicht vvrauösage" komtte, inwieweit sich die
einzelnen Unterzeichner derselben dadurch gebunden fühlen würden. Schon die
Wahl zu den Ausschüssen, die ein Theil derselben vollzog, obgleich man schon
die Existenz der Ausschüsse als el" Attentat ans die Rechte der Stände betrach¬
tete, zeigte das Ungenügende eines Blattes Papier, "in eine Partei zu constituiren.
Ju den spätern Debatten verstand sich Vincke auch z" der Form der Bitte, in¬
sofern dadurch dem Recht nichts präjudicirt wurde : zu der Bitte, das bestehende
Recht anzuerkennen. Objectiv verfehlte er damit seinen Zweck, denn jene Form
ging in Zwcckmäßigkeitsgrnnden unter. Dem bürgerlichen Sinn der Mehrzahl
"nier den Liberalen war die Rechtsfrage zu abstract.


erstenmal um eine nationale Sache handelte, von vornherein eine von den meisten
Parteigenossen sehr verschiedene Stellung ein. Die Uebrige», an ihrer Spitze
die Rheinländer, suchten sich zur Krone in ein bestimmtes Verhältniß zu setzen,
sie theils zu überzeugen, theils zu überlisten. Sie sollte erkennen, daß es für
sie ebenso zweckmäßig und nützlich sei, als für das Volt, wenn sie die Rechte der
Stände und ihre Stellung überhaupt nach den Anforderungen des Liberalismus
modificirte. Ein Plan, der, was anch sonst sein Resultat sein mochte, zu unaus¬
gesetzten Demüthigungen der liberalen Partei führen mußte, da voraus zu
sehen war, daß die Krone, die mit einem bestimmten System dein Landtag gegen¬
über getreten war, sich durch Gründe nicht würde überzeugen lassen, und da
wenigstens vorläufig die Stände ihrer Macht keine andere Gewalt entgegen zu setzen
hatten. Wer bittet, setzt sich einer abschlägigenAntwort aus. Der Ausweg, den Einige
gesunden haben wollte», sür diesen Mi sich schmollend ans dem ständischen Wesen
überhaupt zurückzuziehen, war mehr sentimental als politisch, und wurde sehr bald
aufgegeben.

Vincke schlug einen andern Weg el». Er stimmte gegen die Adresse, weil
man sür el» nur halb erfülltes Verspreche» »icht danke» könne, und principiell
anch gegen die Petition um vollständige Erfüllung desselben, weil es unschicklich
sei, dem König lästig zu falle», wo man nicht die Macht habe, den Bitten einen
objectiven Nachdruck zu geben. Statt desse» sollte der Laiidtag die Rechte, die
ihm zukämen, in einer Deklaration wahren, und bis zu dem Zeitpunkt, wo sie
von Seiten der Regierung anerkannt sein würde», jede Mitwirkung an den Unter¬
nehmungen derselben versagen.

Ein Plan, der zwar den Vorzug der Einfachheit und Popularität hatte,
aber darin fehlerhaft war, daß er Momente in Rechnung brachte, die um» nicht
übersehe» könne. Die Regierung, die gegen Adressen und Petitionen nichts ein¬
zuwenden hatte, weil sie 'gegen solche von Oben herab auftreten konnte,
protestirte gegen einen selbstständigen Beschluß vou Seiten einer ständischen Ver¬
sammlung, deren Vollmacht eine blos berathende war. So wurde jene Dekla¬
ration der Rechte aus eine Partei-Erklärung zurückgeführt. Es war das immer
ein Gewinn, wenn »lau auch freilich nicht vvrauösage» komtte, inwieweit sich die
einzelnen Unterzeichner derselben dadurch gebunden fühlen würden. Schon die
Wahl zu den Ausschüssen, die ein Theil derselben vollzog, obgleich man schon
die Existenz der Ausschüsse als el» Attentat ans die Rechte der Stände betrach¬
tete, zeigte das Ungenügende eines Blattes Papier, »in eine Partei zu constituiren.
Ju den spätern Debatten verstand sich Vincke auch z» der Form der Bitte, in¬
sofern dadurch dem Recht nichts präjudicirt wurde : zu der Bitte, das bestehende
Recht anzuerkennen. Objectiv verfehlte er damit seinen Zweck, denn jene Form
ging in Zwcckmäßigkeitsgrnnden unter. Dem bürgerlichen Sinn der Mehrzahl
»nier den Liberalen war die Rechtsfrage zu abstract.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/173>, abgerufen am 22.07.2024.