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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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den Armen, hier standen Kossuch und Görgey in einem Erkerzimmer des Kastells,
an sich nach langer Zeit wieder zu sehen, nur sich für ewig zu trennen.

Was in jenen Stunden zwischen beiden verhandelt wurde -- wir wissen es
uicht; ob Görgey's schuldbeladenes Gewissen sich vor den Augen des Gouverneurs
beugen mußte -- ist ein Geheimnis;. Nur das wissen wir, daß Görgey über die
Schwelle jenes Gemachs der Erste in's Freie hinaustrat als -- Diktator; Kossuth
folgte ihm als hoffnungslos Verbannter.

, Er hatte humcrdar im Einklange mit der Majorität der Nationalversammlung
regiert, er dankte ab, als diese in Görgey den einzig möglichen Retter des Vater¬
landes erblicken zu tonnen glaubte '). " Kossuth wandte sich nach Süden, Görgey
nach Norden. Die Wege der beiden Männer waren nicht erst von diesem Augen¬
blicke einander entgegengesetzt. Der neue Diktator hatte schon am Abende des 11.,
wo er von dem schwächeren Schlick bei Neu-Arad geschlagen worden war, seine
Truppen über die Maros zurück nach Alt-Arad geführt. Von hier ans meldete
er dem russischen General seinen Entschluß zur Uebergabe, nebst den. armseligen
Bedingungen") die er darau knüpfe, und dem Orte, wo er dieselbe ius Werk zu
scheu gedenke. Am 12. marschirte er gegen Szvlles, wo auch Rüdiger, der
Weisung folgend, am 13. anlangte. Ans den Feldern zwischen Kiss-Jeuv und
Szvlles geschah der Akt der Wafsenstrcckung, welcher als Uebergabe von Vilagos
in den Geschichtsbüchern verzeichnet sein. wird.

Bei Arad an den Usern der MarvS wölbt sich die Fläche zu kleinen Hügeln,
welche mit einer der herrlichsten Nebengattnngen Ungarns bepflanzt sind. Das
ist das Weingebirge von Menes, welches allmälig seinen sanften Eharakter und
seine Vegetation verlierend, die Uranfänge oder Ausläufer der siebenbürger Kar¬
pathen vorstellt. Etwa zwei Meilen von Arad gegen Norden wird diese Hügel¬
kette von einem Bergkegel abgeschlossen, der weit hinein in'S Laud sichtbar, auf
seinem Rücken eine zerfallene Ruine trägt, und ein an seinem Fuße angeschmiegtes
Dörfchen beschattet. Das ist die alte Burg Vilagos und der Flecken gleiche"
Namens. In dem Flecken liegt ein reizendes Landhaus, das Eigenthum des
Grundherrn Bohns. Das ist-das Hans, wo der Eudabschluß der Uebergabe be¬
werkstelligt wurde. Von diesem Landhause führt eine schöne Straße durch Thal
und Wald uach Szölleö und Jens. Das ist die Straße, ans welcher Rüdiger
und Görgey ritte", die traurige Ceremonie miiauzilschaueii. Die Sonne des 13.
schien heiß, Görgey's Heer stand in Schlachtordnung, 2^M0 Mann mit 144 Ge¬
schütze". Im Vordertreffen die Jnfanterie, rückwärts die Kanonen, zu beiden




Am Morgen des 'le. war diese Ansicht in der aus Generale" und Volksvertreter"
zusammengesetzten Versammlung die vorherrschende gewesen. Batthyauyi, Dnschck und Szemere
weigerten sich, die AbdantungSakte Kossuth's zu unterzeichnen.
Daß nämlich die Oestreichs dabei ganz c>"ö dem Spiele bleiben mußten.

den Armen, hier standen Kossuch und Görgey in einem Erkerzimmer des Kastells,
an sich nach langer Zeit wieder zu sehen, nur sich für ewig zu trennen.

Was in jenen Stunden zwischen beiden verhandelt wurde — wir wissen es
uicht; ob Görgey's schuldbeladenes Gewissen sich vor den Augen des Gouverneurs
beugen mußte — ist ein Geheimnis;. Nur das wissen wir, daß Görgey über die
Schwelle jenes Gemachs der Erste in's Freie hinaustrat als — Diktator; Kossuth
folgte ihm als hoffnungslos Verbannter.

, Er hatte humcrdar im Einklange mit der Majorität der Nationalversammlung
regiert, er dankte ab, als diese in Görgey den einzig möglichen Retter des Vater¬
landes erblicken zu tonnen glaubte '). " Kossuth wandte sich nach Süden, Görgey
nach Norden. Die Wege der beiden Männer waren nicht erst von diesem Augen¬
blicke einander entgegengesetzt. Der neue Diktator hatte schon am Abende des 11.,
wo er von dem schwächeren Schlick bei Neu-Arad geschlagen worden war, seine
Truppen über die Maros zurück nach Alt-Arad geführt. Von hier ans meldete
er dem russischen General seinen Entschluß zur Uebergabe, nebst den. armseligen
Bedingungen") die er darau knüpfe, und dem Orte, wo er dieselbe ius Werk zu
scheu gedenke. Am 12. marschirte er gegen Szvlles, wo auch Rüdiger, der
Weisung folgend, am 13. anlangte. Ans den Feldern zwischen Kiss-Jeuv und
Szvlles geschah der Akt der Wafsenstrcckung, welcher als Uebergabe von Vilagos
in den Geschichtsbüchern verzeichnet sein. wird.

Bei Arad an den Usern der MarvS wölbt sich die Fläche zu kleinen Hügeln,
welche mit einer der herrlichsten Nebengattnngen Ungarns bepflanzt sind. Das
ist das Weingebirge von Menes, welches allmälig seinen sanften Eharakter und
seine Vegetation verlierend, die Uranfänge oder Ausläufer der siebenbürger Kar¬
pathen vorstellt. Etwa zwei Meilen von Arad gegen Norden wird diese Hügel¬
kette von einem Bergkegel abgeschlossen, der weit hinein in'S Laud sichtbar, auf
seinem Rücken eine zerfallene Ruine trägt, und ein an seinem Fuße angeschmiegtes
Dörfchen beschattet. Das ist die alte Burg Vilagos und der Flecken gleiche»
Namens. In dem Flecken liegt ein reizendes Landhaus, das Eigenthum des
Grundherrn Bohns. Das ist-das Hans, wo der Eudabschluß der Uebergabe be¬
werkstelligt wurde. Von diesem Landhause führt eine schöne Straße durch Thal
und Wald uach Szölleö und Jens. Das ist die Straße, ans welcher Rüdiger
und Görgey ritte», die traurige Ceremonie miiauzilschaueii. Die Sonne des 13.
schien heiß, Görgey's Heer stand in Schlachtordnung, 2^M0 Mann mit 144 Ge¬
schütze«. Im Vordertreffen die Jnfanterie, rückwärts die Kanonen, zu beiden




Am Morgen des 'le. war diese Ansicht in der aus Generale» und Volksvertreter»
zusammengesetzten Versammlung die vorherrschende gewesen. Batthyauyi, Dnschck und Szemere
weigerten sich, die AbdantungSakte Kossuth's zu unterzeichnen.
Daß nämlich die Oestreichs dabei ganz c>»ö dem Spiele bleiben mußten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/162>, abgerufen am 01.10.2024.