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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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gefährlich sei, habe diese Partei immer gehabt, und hier gelte das Sprichwort:
Man muß am Feinde lernen!

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen richtete der Redner zum Schluß eine
warme Ansprache an beide Seiten der Nationalversammlung. Zuerst wandte er sich
an seine eigene Partei, die sogenannten Conservativliberalen. "Diese Partei"
sagte er, "möchte ich bitten, daß sie in dieser Sache das liberale Element nicht
von dem conservativen trennen, daß sie uicht ihre conservative Tendenz so weit
ausdehnen möge, um ein augenblickliches Regierungssystem um jeden Preis zu
schützen und zu schönen, sondern bedenken, daß die Principien der monarchisch-
constitntionellen Ordnung höher stehen, als ein einzelnes vorübergehendes Sy¬
stem. Meine Herren, erwägen Sie wohl, wohin es kommen soll mit der monar-
chisch-constitutionellen Verfassung, mit der Monarchie und den Monarchen, wenn
das Vertrauen des Volkes zu dem guten Willen der Regierungen immer und
immer wieder getäuscht wird!"

Diese Mahnungen waren keine vergeblichen; die Anstrengungen des Bericht¬
erstatters und seiner Partei wurden durch einen überraschenden Erfolg gelohnt, über¬
raschend namentlich nach dein so ganz andern Ausgange in der jenseitigen Kammer.

Die drei Anträge der Linken wurden mit weit über zwei Drittel Mehr-
heit verworfen. Mit noch weit größerer der Fviesensche und der von Haberkorn.
Dagegen vereinigte der allgemeine Antrag des Ausschusses alle Stimmen, bis
auf neun auf sich. Von diesen nenn gehörten sieben der Linken, und zwar meist
der äußersten, zwei der äußersten Rechten an. Bei dein Znsatzantrage, der nach
den vorausgegangenen Verhandlungen nunmehr ein directes Mißtrauensvotum ge¬
gen das Ministerium enthielt, war die Mehrheit eine schwache, und wenig fehlte,
daß er siel. Nur 3<i gegen 32 Stimmen erklärten sich dafür. Alle Rücksichts¬
vollen, fast sämmtliche Staatsdiener, dazu noch Mehrere von der Linken -- warum
diese, ist schwer begreiflich -- traten hier von der Majorität zurück. Man ge¬
langte nun zu deu eigentlich entscheidenden Abstimmungen über die speciellen An¬
träge des Ausschusses. Der erste dieser Anträge auf sofortige Wiederbeschickung
des Verwaltungsrathes, ging dnrch mit 38 gegen 30 Stimmen. Damit war
die eigentliche Frage: Anschluß oder Repeal? zu Gunsten des Erstem entschie¬
den, die Richtung ans das Festhalten am Bündniß vom 26 Mai und auf die
Verwirklichung desselben durch Ausführung des Verfassungsentwurfs, war von der
Mehrheit gutgeheißen.

Bei dem zweiten Antrag -- ans sofortige Vornahme der Wahlen zum Erfurter
Reichstag -- feierte wieder die Halbheit und Unentschlossenheit ihren Sieg. Mail
wollte die Negierung nicht allzusehr drängen, anch selbst nicht allzu rasch voran¬
gehen, nicht Alles aus einmal thun, sondern fein bedächtig nur erst einen Schritt
und dann später einmal wieder einen. Manche beredeten sich auch, daß sie nur
deshalb gegen die sofortigen Wahlen seien, weil diese doch zu spät kämen. Als


gefährlich sei, habe diese Partei immer gehabt, und hier gelte das Sprichwort:
Man muß am Feinde lernen!

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen richtete der Redner zum Schluß eine
warme Ansprache an beide Seiten der Nationalversammlung. Zuerst wandte er sich
an seine eigene Partei, die sogenannten Conservativliberalen. „Diese Partei"
sagte er, „möchte ich bitten, daß sie in dieser Sache das liberale Element nicht
von dem conservativen trennen, daß sie uicht ihre conservative Tendenz so weit
ausdehnen möge, um ein augenblickliches Regierungssystem um jeden Preis zu
schützen und zu schönen, sondern bedenken, daß die Principien der monarchisch-
constitntionellen Ordnung höher stehen, als ein einzelnes vorübergehendes Sy¬
stem. Meine Herren, erwägen Sie wohl, wohin es kommen soll mit der monar-
chisch-constitutionellen Verfassung, mit der Monarchie und den Monarchen, wenn
das Vertrauen des Volkes zu dem guten Willen der Regierungen immer und
immer wieder getäuscht wird!"

Diese Mahnungen waren keine vergeblichen; die Anstrengungen des Bericht¬
erstatters und seiner Partei wurden durch einen überraschenden Erfolg gelohnt, über¬
raschend namentlich nach dein so ganz andern Ausgange in der jenseitigen Kammer.

Die drei Anträge der Linken wurden mit weit über zwei Drittel Mehr-
heit verworfen. Mit noch weit größerer der Fviesensche und der von Haberkorn.
Dagegen vereinigte der allgemeine Antrag des Ausschusses alle Stimmen, bis
auf neun auf sich. Von diesen nenn gehörten sieben der Linken, und zwar meist
der äußersten, zwei der äußersten Rechten an. Bei dein Znsatzantrage, der nach
den vorausgegangenen Verhandlungen nunmehr ein directes Mißtrauensvotum ge¬
gen das Ministerium enthielt, war die Mehrheit eine schwache, und wenig fehlte,
daß er siel. Nur 3<i gegen 32 Stimmen erklärten sich dafür. Alle Rücksichts¬
vollen, fast sämmtliche Staatsdiener, dazu noch Mehrere von der Linken — warum
diese, ist schwer begreiflich — traten hier von der Majorität zurück. Man ge¬
langte nun zu deu eigentlich entscheidenden Abstimmungen über die speciellen An¬
träge des Ausschusses. Der erste dieser Anträge auf sofortige Wiederbeschickung
des Verwaltungsrathes, ging dnrch mit 38 gegen 30 Stimmen. Damit war
die eigentliche Frage: Anschluß oder Repeal? zu Gunsten des Erstem entschie¬
den, die Richtung ans das Festhalten am Bündniß vom 26 Mai und auf die
Verwirklichung desselben durch Ausführung des Verfassungsentwurfs, war von der
Mehrheit gutgeheißen.

Bei dem zweiten Antrag — ans sofortige Vornahme der Wahlen zum Erfurter
Reichstag — feierte wieder die Halbheit und Unentschlossenheit ihren Sieg. Mail
wollte die Negierung nicht allzusehr drängen, anch selbst nicht allzu rasch voran¬
gehen, nicht Alles aus einmal thun, sondern fein bedächtig nur erst einen Schritt
und dann später einmal wieder einen. Manche beredeten sich auch, daß sie nur
deshalb gegen die sofortigen Wahlen seien, weil diese doch zu spät kämen. Als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/141>, abgerufen am 22.07.2024.