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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Saiten an, von denen er hoffen mochte, daß sie in den Herzen der noch zweifelhaften
Freunde, wie der nur halben Gegner des Bündnisses vom 36. Mai, anklingen
würden. Er begann mit einer Schilderung der preußischen Zustände in ihrer
Wechselwirkung mit der Sache des Bundesstaates. "Es sind in Preußen zwei
Richtungen", sagte er, "die sich bekämpfen ebensowohl in Bezug auf die deutsche
als auf die innere Politik. Die eine ist die, welche Preußen zurückführen möchte
aus jenes engste Maß innerer Freiheit und äußerer Ausdehnung, aus jenes
Curmärkerthum, wie es richtig bezeichnet worden ist, nud aus die Herrschaft
des märkischen Junkerthums. Diese Partei begreift sehr wohl, daß ein vergrö¬
ßertes Preuße", ein Preußen, weiches zusammenschmilzt mit einer Masse anderer,
mehr schon im Feuer der Freiheit gestählter Elemente, für ihre kleinen Zwecke
viel zu groß ist. Wir sehen daher dieselbe Partei, die im Innern die Freiheit
zurückschrauben will, die für Preußen jene alten romantischen Institutionen zurück¬
führen will, welche in der Geschichte und der Statur des Landes und des Vol¬
kes keinen Boden haben, die Pärie, die Fideikommisse, wir sehen jene halbe
Partei bemüht, den Bundesstaat zu hintertreiben, bemüht, Preußen wieder in
die Arme Oestreichs mW Rußlands zu werfen. Man hat Befürchtungen ausge¬
sprochen vor einer großprenßischen Richtung, vor einer Eroberungspolitik Preu¬
ßens. Wollte Gott, es wäre eine solche großpreußische Richtung,
die uns vou Preußen ans bedrohte; eine großprcnßische Richtung, wie
sie Friedrich der Große befolgte und wie sie Preußen groß gemacht hat. Wollte
Gott, Preußen würde dnrch einen starken Arm groß gemacht. --
Deutschland würde dabei wahrhaftig nicht klein werden. Nein,
eine ganz andere Richtung ist es, die wir zu befürchten haben, jene Richtung,
die Preußen klein machen will, um Preußen und Deutschland anzuketten an Ru߬
land, wie bereits Oestreich an Nußland gekettet ist. Und auf diesen Weg will
man uns hinführen, indem man den Bundesstaat verhindert. Dieser Richtung
gegenüber steht diejenige Richtung, die durch das gegenwärtige Ministerium ver¬
treten ist. Dies Ministerium hat bis jetzt mit großer Mühe und schweren Käm¬
pfen, und allerdings zum Theil mit Concessionen, die zu beklagen sind, das
Feld behauptet.

"Das preußische Ministerium hält uoch sest am Bundesstaat, trotz des Ab¬
falls der beiden Staaten, der allerdings den Bund tief erschüttert hat. Wie
lange es noch daran festhalten kann, das wird freilich vou Tage zu Tage unge¬
wisser. Wenn daher diese Bersassung möglich erhalten werden soll, so kann es
nur dadurch geschehe", daß neue Momente hinzutreten, welche das preußische
Ministerium im Festhalten daran bestärken, und darum wird unser Beschluß, wird
jede Stimme, die vou eiuer deutschen Volksvertretung ausgeht und sich für den
Bundesstaat erklärt, dazu dienen, Preußen im Beharren aus dem betretenen
Wege zu fördern."


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Saiten an, von denen er hoffen mochte, daß sie in den Herzen der noch zweifelhaften
Freunde, wie der nur halben Gegner des Bündnisses vom 36. Mai, anklingen
würden. Er begann mit einer Schilderung der preußischen Zustände in ihrer
Wechselwirkung mit der Sache des Bundesstaates. „Es sind in Preußen zwei
Richtungen", sagte er, „die sich bekämpfen ebensowohl in Bezug auf die deutsche
als auf die innere Politik. Die eine ist die, welche Preußen zurückführen möchte
aus jenes engste Maß innerer Freiheit und äußerer Ausdehnung, aus jenes
Curmärkerthum, wie es richtig bezeichnet worden ist, nud aus die Herrschaft
des märkischen Junkerthums. Diese Partei begreift sehr wohl, daß ein vergrö¬
ßertes Preuße», ein Preußen, weiches zusammenschmilzt mit einer Masse anderer,
mehr schon im Feuer der Freiheit gestählter Elemente, für ihre kleinen Zwecke
viel zu groß ist. Wir sehen daher dieselbe Partei, die im Innern die Freiheit
zurückschrauben will, die für Preußen jene alten romantischen Institutionen zurück¬
führen will, welche in der Geschichte und der Statur des Landes und des Vol¬
kes keinen Boden haben, die Pärie, die Fideikommisse, wir sehen jene halbe
Partei bemüht, den Bundesstaat zu hintertreiben, bemüht, Preußen wieder in
die Arme Oestreichs mW Rußlands zu werfen. Man hat Befürchtungen ausge¬
sprochen vor einer großprenßischen Richtung, vor einer Eroberungspolitik Preu¬
ßens. Wollte Gott, es wäre eine solche großpreußische Richtung,
die uns vou Preußen ans bedrohte; eine großprcnßische Richtung, wie
sie Friedrich der Große befolgte und wie sie Preußen groß gemacht hat. Wollte
Gott, Preußen würde dnrch einen starken Arm groß gemacht. —
Deutschland würde dabei wahrhaftig nicht klein werden. Nein,
eine ganz andere Richtung ist es, die wir zu befürchten haben, jene Richtung,
die Preußen klein machen will, um Preußen und Deutschland anzuketten an Ru߬
land, wie bereits Oestreich an Nußland gekettet ist. Und auf diesen Weg will
man uns hinführen, indem man den Bundesstaat verhindert. Dieser Richtung
gegenüber steht diejenige Richtung, die durch das gegenwärtige Ministerium ver¬
treten ist. Dies Ministerium hat bis jetzt mit großer Mühe und schweren Käm¬
pfen, und allerdings zum Theil mit Concessionen, die zu beklagen sind, das
Feld behauptet.

„Das preußische Ministerium hält uoch sest am Bundesstaat, trotz des Ab¬
falls der beiden Staaten, der allerdings den Bund tief erschüttert hat. Wie
lange es noch daran festhalten kann, das wird freilich vou Tage zu Tage unge¬
wisser. Wenn daher diese Bersassung möglich erhalten werden soll, so kann es
nur dadurch geschehe», daß neue Momente hinzutreten, welche das preußische
Ministerium im Festhalten daran bestärken, und darum wird unser Beschluß, wird
jede Stimme, die vou eiuer deutschen Volksvertretung ausgeht und sich für den
Bundesstaat erklärt, dazu dienen, Preußen im Beharren aus dem betretenen
Wege zu fördern."


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[0139] Saiten an, von denen er hoffen mochte, daß sie in den Herzen der noch zweifelhaften Freunde, wie der nur halben Gegner des Bündnisses vom 36. Mai, anklingen würden. Er begann mit einer Schilderung der preußischen Zustände in ihrer Wechselwirkung mit der Sache des Bundesstaates. „Es sind in Preußen zwei Richtungen", sagte er, „die sich bekämpfen ebensowohl in Bezug auf die deutsche als auf die innere Politik. Die eine ist die, welche Preußen zurückführen möchte aus jenes engste Maß innerer Freiheit und äußerer Ausdehnung, aus jenes Curmärkerthum, wie es richtig bezeichnet worden ist, nud aus die Herrschaft des märkischen Junkerthums. Diese Partei begreift sehr wohl, daß ein vergrö¬ ßertes Preuße», ein Preußen, weiches zusammenschmilzt mit einer Masse anderer, mehr schon im Feuer der Freiheit gestählter Elemente, für ihre kleinen Zwecke viel zu groß ist. Wir sehen daher dieselbe Partei, die im Innern die Freiheit zurückschrauben will, die für Preußen jene alten romantischen Institutionen zurück¬ führen will, welche in der Geschichte und der Statur des Landes und des Vol¬ kes keinen Boden haben, die Pärie, die Fideikommisse, wir sehen jene halbe Partei bemüht, den Bundesstaat zu hintertreiben, bemüht, Preußen wieder in die Arme Oestreichs mW Rußlands zu werfen. Man hat Befürchtungen ausge¬ sprochen vor einer großprenßischen Richtung, vor einer Eroberungspolitik Preu¬ ßens. Wollte Gott, es wäre eine solche großpreußische Richtung, die uns vou Preußen ans bedrohte; eine großprcnßische Richtung, wie sie Friedrich der Große befolgte und wie sie Preußen groß gemacht hat. Wollte Gott, Preußen würde dnrch einen starken Arm groß gemacht. — Deutschland würde dabei wahrhaftig nicht klein werden. Nein, eine ganz andere Richtung ist es, die wir zu befürchten haben, jene Richtung, die Preußen klein machen will, um Preußen und Deutschland anzuketten an Ru߬ land, wie bereits Oestreich an Nußland gekettet ist. Und auf diesen Weg will man uns hinführen, indem man den Bundesstaat verhindert. Dieser Richtung gegenüber steht diejenige Richtung, die durch das gegenwärtige Ministerium ver¬ treten ist. Dies Ministerium hat bis jetzt mit großer Mühe und schweren Käm¬ pfen, und allerdings zum Theil mit Concessionen, die zu beklagen sind, das Feld behauptet. „Das preußische Ministerium hält uoch sest am Bundesstaat, trotz des Ab¬ falls der beiden Staaten, der allerdings den Bund tief erschüttert hat. Wie lange es noch daran festhalten kann, das wird freilich vou Tage zu Tage unge¬ wisser. Wenn daher diese Bersassung möglich erhalten werden soll, so kann es nur dadurch geschehe», daß neue Momente hinzutreten, welche das preußische Ministerium im Festhalten daran bestärken, und darum wird unser Beschluß, wird jede Stimme, die vou eiuer deutschen Volksvertretung ausgeht und sich für den Bundesstaat erklärt, dazu dienen, Preußen im Beharren aus dem betretenen Wege zu fördern." 17"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/139>, abgerufen am 25.08.2024.