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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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an's Ende der Tage, folgt unser Ministerium der diplomatischen Maxime: "Zeit
gewonnen, Alles gewonnen," so möchte diese nur Diplomaten gegenüber ausrei¬
chen", aber nicht einer gereiften und gereizten Nation gegenüber, welche ihre
mgAn-i olmrta, den ihr vorenthaltenen, mit viel Märtyrerblut besiegelten und mit
den besten Kräften der besten Männer ausgestellten Freiheitsbrief endlich auslösen
würde, und sollte es 34 Kronen kosten."

Auf diesen feurigen Apostel des Bundesstaates folgte mit nüchterner, aber
durch ihre schlichte Verständigkeit uicht minder eindringlicher Rede ein zweites
Mitglied der Ceutrumspartei Funkhänel, ein Mann von demokratischen Grund¬
sätzen, aber dem unpraktische,: Idealismus der Demokratie in der deutschen Frage
abhold und ein warmer Patriot. "Mit schwerem Herzen" stimmte er für den An¬
schluß an die Verfassung vom 26. Mai, denn seine Seele hing noch mit allen
Fasern heiliger Begeisterung und wehmüthiger Erinnerung an dem von der Nation
selbst geschaffenen Werke; aber er stimmte doch dafür, "weil er in dieser Ver¬
fassung den einzigen Weg sehe, um der zu Frankfurt gegebenen, ihrem Inhalte
nach wenigstens nahe zu kommen." Nur verlangte er, zur Beschwichtigung seines
demokratischen Gewissens, vorausgehend den Anträgen des Ausschusses, folgende
Erklärung: "die Kammer wolle bei Erledigung der deutschen Verfassungsfrage
jedenfalls die den Völker" deutscher Einzelstaaten, namentlich auch dein sächsischen
Volke, vermöge ihrer Landesverfassungen oder vermöge der Grundrechte des
deutschen Volkes gegenwärtig bereits zustehenden Freiheiten gewahrt wissen."

Jetzt erschien auch die großdentsche und partikular-sächsische Ansicht ans dem
Kampfplatz. Ihr Vertreter, Herr v. Friese", aus einem alte", durch starren
Aristokratismus bekannten Geschlechte, hatte gleich vielen seiner Standes- und
Gesinnungsgenossen nach der Märzrevolution 1848 den Liberalen gespielt, nud
sich mit scheinbar vollkommener Hingebung auf der "breitesten demokratische,,, Unter¬
lage" bewegt. Er war eiues der entschiedenste" Mitglieder des deutschen Vereins,
ein feuriger Redner für die Souveränetät der Nationalversammlung und die An¬
erkennung der von ihr geschaffenen Verfassung. Heut aber betrat er mit lächeln¬
der Miene die Tribüne, um den eonstittttioiiell-monarchischen Bundesstaat als eine
"Erfindung" zu persisflireu, "in jene selbe Frankfurter Majorität, für die er im
April vorigen Jahres in die Schranken getreten, zu verdächtige,, und die abge¬
droschene Mähr von der "Verpfändung ihres Wortes gegen ihre Ueberzeugung"
wieder aufzutischen. Seine Rede war nicht ohne Geschick, voll blendender Wen¬
dungen und mit den, Accente aufrichtigster tteberzeuguug gesprochen; dennoch blieb
sie wirkungslos, weil ihr die feste Grundlage einer erprobten Gesinnung fehlte,
da man die Schauspielernatur des Redners aus dem rhetorischen Kunststücke her¬
ausfühlte. Hätte er nur die speciellen Anträge deö Ausschusses angegriffen, so
hätte er vielleicht die Linke zu Bundesgenossen gehabt, aber er richtete seine
Polemik auch gegen den allgemeinen Antrag, gegen das Festhalten an der Idee


an's Ende der Tage, folgt unser Ministerium der diplomatischen Maxime: „Zeit
gewonnen, Alles gewonnen," so möchte diese nur Diplomaten gegenüber ausrei¬
chen", aber nicht einer gereiften und gereizten Nation gegenüber, welche ihre
mgAn-i olmrta, den ihr vorenthaltenen, mit viel Märtyrerblut besiegelten und mit
den besten Kräften der besten Männer ausgestellten Freiheitsbrief endlich auslösen
würde, und sollte es 34 Kronen kosten."

Auf diesen feurigen Apostel des Bundesstaates folgte mit nüchterner, aber
durch ihre schlichte Verständigkeit uicht minder eindringlicher Rede ein zweites
Mitglied der Ceutrumspartei Funkhänel, ein Mann von demokratischen Grund¬
sätzen, aber dem unpraktische,: Idealismus der Demokratie in der deutschen Frage
abhold und ein warmer Patriot. „Mit schwerem Herzen" stimmte er für den An¬
schluß an die Verfassung vom 26. Mai, denn seine Seele hing noch mit allen
Fasern heiliger Begeisterung und wehmüthiger Erinnerung an dem von der Nation
selbst geschaffenen Werke; aber er stimmte doch dafür, „weil er in dieser Ver¬
fassung den einzigen Weg sehe, um der zu Frankfurt gegebenen, ihrem Inhalte
nach wenigstens nahe zu kommen." Nur verlangte er, zur Beschwichtigung seines
demokratischen Gewissens, vorausgehend den Anträgen des Ausschusses, folgende
Erklärung: „die Kammer wolle bei Erledigung der deutschen Verfassungsfrage
jedenfalls die den Völker» deutscher Einzelstaaten, namentlich auch dein sächsischen
Volke, vermöge ihrer Landesverfassungen oder vermöge der Grundrechte des
deutschen Volkes gegenwärtig bereits zustehenden Freiheiten gewahrt wissen."

Jetzt erschien auch die großdentsche und partikular-sächsische Ansicht ans dem
Kampfplatz. Ihr Vertreter, Herr v. Friese», aus einem alte», durch starren
Aristokratismus bekannten Geschlechte, hatte gleich vielen seiner Standes- und
Gesinnungsgenossen nach der Märzrevolution 1848 den Liberalen gespielt, nud
sich mit scheinbar vollkommener Hingebung auf der „breitesten demokratische,,, Unter¬
lage" bewegt. Er war eiues der entschiedenste» Mitglieder des deutschen Vereins,
ein feuriger Redner für die Souveränetät der Nationalversammlung und die An¬
erkennung der von ihr geschaffenen Verfassung. Heut aber betrat er mit lächeln¬
der Miene die Tribüne, um den eonstittttioiiell-monarchischen Bundesstaat als eine
„Erfindung" zu persisflireu, „in jene selbe Frankfurter Majorität, für die er im
April vorigen Jahres in die Schranken getreten, zu verdächtige,, und die abge¬
droschene Mähr von der „Verpfändung ihres Wortes gegen ihre Ueberzeugung"
wieder aufzutischen. Seine Rede war nicht ohne Geschick, voll blendender Wen¬
dungen und mit den, Accente aufrichtigster tteberzeuguug gesprochen; dennoch blieb
sie wirkungslos, weil ihr die feste Grundlage einer erprobten Gesinnung fehlte,
da man die Schauspielernatur des Redners aus dem rhetorischen Kunststücke her¬
ausfühlte. Hätte er nur die speciellen Anträge deö Ausschusses angegriffen, so
hätte er vielleicht die Linke zu Bundesgenossen gehabt, aber er richtete seine
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/133>, abgerufen am 25.08.2024.